Wird die europäische Außenpolitik in Ramstein bestimmt?

Am 26. April wählte die US-Regierung einen besonderen Ort für die internationale Konferenz über die Sicherheit und die Souveränität der Ukraine: Den Militärstützpunkt Ramstein in Deutschland. An ihr nahmen Vertreter von 40 Staaten teil. Die größte Überraschung der Konferenz war die politische Wende in Deutschland: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte an, dass ihre Regierung die Lieferung von Panzern an die Ukraine zugestimmt habe. Am 28. April wurde die Entscheidung vom Deutschen Bundestag legitimiert.
In den Wochen davor hatte sich Olaf Scholz strickt gegen die Panzerlieferungen ausgesprochen, um eine weitere militärische Eskalation zu vermeiden. Seine Sorge war, dass der Schritt die NATO in einen direkten Konflikt mit Russland führe und einen nuklearen Gegenangriff Moskaus provozieren könne. Mit seiner Zurückhaltung war Scholz jedoch in der Regierungskoalition selbst ziemlich isoliert. Nur der linke Flügel der SPD mit Fraktionschef Rolf Mützenich an der Spitze lehnte Waffenlieferungen ab. Neben Grünen und Liberalen spricht sich auch die Union für eine militärische „Lösung“ des Ukraine-Konflikts aus, während die Partei Die Linke und die AfD dagegen sind. Eine starke außerparlamentarische Kraft in der Debatte bilden gerade die deutschen Leitmedien, die jeden Politiker unter Druck setzen, der sich zurückhaltend verhält. Eine häufig gestellte Frage lautet: „Mit welchem Gewissen verweigern Sie die Unterstützung an die Ukraine? Wie können Sie nach Butscha eine solche Position vertreten?“ Während vor dem Krieg 71 Prozent der Deutschen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine waren, befürworten nun 55 Prozent diesen Schritt.
Es ist unbestritten, dass Putins Verhalten und Russlands Vorgehen in der Ukraine eine scharfe Verurteilung verdienen. In den aktuellen politischen Entwicklungen ist es jedoch interessant zu beobachten, dass sich die Positionen der einzelnen NATO-Mitgliedstaaten nach und nach auf US-Positionen nivellieren. Washington strebt eine militärische und keine diplomatische Lösung des Konflikts an, selbst wenn dies mit hohen Risiken verbunden ist. Die Möglichkeit, dass man sich mit Moskau auf den Neutralitätsstatus der Ukraine einigen könne, findet im Westen gerade keine Erwähnung. Die Parole lautet Sieg statt Waffenstillstand. Verteidigungsminister Lloyd Austin hat das Ziel der USA klar genannt: „Wir wollen Russland so sehr geschwächt sehen, dass es nicht mehr in der Lage sein wird, Dinge wie diese zu tun, die es mit der Invasion der Ukraine getan hat“. Das Ziel ist nun also, Russland dauerhaft zu schwächen. Ein lang andauernder Krieg in der Ukraine könnte dafür ein Instrument sein. Ein starker Konkurrent auf der internationalen Bühne wäre damit aus dem Spiel: Für die Weltmacht bliebe dann nur China auf der Agenda.
Egal, wie sich die USA die neue Weltordnung vorstellen, sie könnte einen sehr hohen Preis haben, denn Russland wird wahrscheinlich in diesem Konflikt keine Niederlage hinnehmen. Leider arbeiten alle Seiten im Moment auf die Eskalation hin. Entsprechend kommentiert Christian Ströbele die Entwicklungen in einer Twittermitteilung am 29. April: „Wir sind jetzt Kriegspartei. Politiker und Medien des NATO-Deutschlands haben die Lieferung von Panzern erzwungen. Was macht sie sicher, dass es keine Eskalation zum Weltkrieg gibt? Angesichts Lawrows Drohungen damit und Putins ‚blitzschnellen‘ Schlägen, bleibt nur die Hoffnung, sie irren nicht. Schlimm!“
Davide Brocchi, Köln
 

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1 Kommentar

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,
    Ihre Unterschriftsammlung kommt zum richtigen Zeitpunkt, danke! Ihre Position, die Möglichkeiten des Pazifismus nicht verlassen zu wollen, teile ich mit viel Respekt. Die Zitate, Brocchi und Ströbele sind klug gewählt und treffen den Kern. Ich gehe noch weiter: Deutschland muss aus der NATO austreten, und es muss ein neues Bündnis geschaffen werden, in das Russland einbezogen ist. Wo leben wir denn? Das vormundhafte Verhalten der USA erinnert mich an den klugen Egon Bahr, der sagte „In der Politik geht es nicht um Demokratie und Menschenrechte, sondern immer um Interessen.“.
    Zusätzlich bitte ich Sie, mit der Görlitzer Redaktion der Sächsischen Zeitung, Herrn Beutler, eine Übernahme Ihrer Unterschriftensammlung anzustreben. Selbstverständlich mit dem Hinweis, dass die, welche bereits unterschrieben haben, nicht ein zweites Mal auftauchen dürfen. Das würde die Glaubwürdigkeit in dieser wichtigen Angelegenheit untergraben.
    Mit viel Respekt herzliche Grüße von Friedrich Rothe, Bahnhofstraße 61, Görlitz

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