von Karl-W. Koch, 12.3.2023
Die Lage in der Ukraine eskaliert seit dem 24. Februar 2022 laufend weiter – statt Friedensaussichten drohen die nächsten Eskalationsstufen des Krieges einzutreten – mit unabsehbaren Folgen für Menschen, Natur und Lebensgrundlagen in der gesamten Ukraine und darüber hinaus in den angrenzenden Nachbarländern.
Die Folien des Vortrages finden Sie: hier
Lieferungen immer schwerer Waffen, mittlerweile auch gehäuft Offensivwaffen fördern die Eskalation, natürlich auch auf russischer Seite, die meint immer heftiger zurückschlagen zu müssen. Ein mittlerweile sehr deutlich erkennbares Kriegsziel ist dabei die Vernichtung der technischen Infrastruktur der Ukraine, maßgeblich der elektrischen Infrastruktur. Die ist am einfachsten zu zerstören, wenn die Knotenpunkte der Hochspannungsfernleitungen zerstört werden und die Einspeisungsstellen in die Netze mittlerer Spannungen. Ein Hauptproblem dabei: Die nötigen Transformatoren liegen weder in der Ukraine noch in Rest-Europa in Mengen als Reserve herum. Sie müssen im Gegenteil aufwendig, auf die jeweilige Stelle genau zugeschnitten neu gebaut werden, und das dauerte jeweils mehrere Monate.
An diesen Knotenpunkten und Transformatoren hängen aber AUCH die Atomkraftwerke der Ukraine. Werden sie vom Stromnetz getrennt, dann muss das AKW zur Kühlung auf Notstromaggregate (Diesel) umgestellt werden. Diese haben eine Laufzeit von maximal 3 bis 10 Tage, für den Dauerbetrieb sind sie nicht ausgelegt. Versagen auch sie, fällt die Kühlung der Reaktoren aus. Und diese MÜSSEN AUCH gekühlt werden, wenn die Reaktoren herunter gefahren wurden. Und die Lagerbecken der ausgetauschten Brennstäbe bei den AKWs (und in Tschernobyl, das große Zwischenlager der Ukraine) müssen dauerhaft gekühlt werden. Sonst droht jeweils eine Kernschmelze mit der Freisetzung riesiger Mengen an Radioaktivität.
Putins Plan ist erkennbar auf jeden Fall, die elektrische Infrastruktur der Ukraine zu zerstören. Inwieweit er dabei Kernschmelzen und Radioaktivität-Freisetzungen in Kauf nimmt, kann man nur spekulieren …
Ein Kapitel für sich stellt das AKW Saporischschja mit sechs Blöcken da, das von russischen Truppen widerrechtlich (Verstoß gegen UN-Konventionen) besetzt ist und wo es schon mehrfach zu Beschuss, auch mit schweren Geschützen kam. Von welcher Seite ist unklar, der Verdacht fällt dabei eher auf ukrainische Truppen.
Bei einer Kernschmelze wäre die Folgen noch beherrschbar. Da die Reaktoren nicht mehr dem Tschernobyltyp (mit Graphitkern) entsprechen, sondern “Wasser-moderiert” sind, würde die Verstrahlung in der Hauptwindrichtung sich “nur” über mehrere Hundert Kilometer ausbreiten, dort zu Evakuierungen führen und alle landwirtschaftlichen Produkte mindestens für etliche Monate nicht verwertbar machen. Bei Tschernobyl wurde bei tragischerweise 4 x drehenden Winden über den Jetstream über mehrere Tausend Kilometer Radioaktivität verbreitet. Kommt es aber zu mehreren, zu 6, 8, 10 Kernschmelzen (15 Blöcke sind in Betrieb) und/oder wird ein großes Zwischenlager wie in Tschernobyl durch massiven Beschuss oder Explosionen zerstört, müssten die Ukraine und die Nachbarländer vermutlich weitflächig evakuiert werden, die Landwirtschaft in der Großregion (der “Kornkammer Europas”) wäre mindestens ein Jahr völlig zerstört und auch danach nur eingeschränkt nutzbar.
Fazit
Putin muss für einen radioaktive Zerstörung der Ukraine keine einzige Atombombe einsetzen! Die Folgen für die Ukraine, für Europa und für alle Länder, die auf Getreidelieferungen aus der Region angewiesen sind, wären verheerend, eine weltweite Wirtschaftskrise (durch die explodierenden Nahrungspreise) wäre die unausweichliche Folge. Wer oder was soll Russland hindern, das durchzuziehen, wenn der Krieg aus russischer Sicht “eskaliert” oder wenn eine militärische schwere Niederlage droht? Und gibt es eine Gegenstrategie?
Wer sich weiter in das Thema einlesen will, der sei auf die folgenden Beiträge hingewiesen:
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Karl-Wilhelm Koch, Journalist und Buchautor, Mitorganisator der Unabhängigen Grünen Linken, Co-Redaktion des ‘Appells für den Frieden’ und Erstunterzeichner
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