Aktuelles zum Thema Agro-Gentechnik

Matthias Henneberger

hier– nach einer etwas längeren Pause – mal wieder Nachrichten (seit April 2022) und Aktuelles zum Thema Agro-Gentechnik:

1. Unser Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte Anfang April gesagt, dass er bei der „Neuen Gentechnik „nicht ideologisch festgelegt“ sei, er zurzeit viel dazu lese und er sich gerade seine Meinung bilde (siehe https://www.topagrar.com/acker/news/oezdemir-lehnt-neue-zuechtungstechniken-nicht-von-vornherein-ab-13068474.html). Sein Statement war wohl eine Reaktion gewesen auf einen vorherigen Redebeitrag von Albert Stegemann (agrarpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) und könnte auch zusammenhängen mit dem Offenen Brief der „Progressiven Agrarwende“ vom 31. März 2022 (https://progressive-agrarwende.org/offener-brief-an-lemke-und-oezdemir/).

Zurzeit ist wegen der laufenden EU-Konsultation zur „Neuen Gentechnik“ (https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/13119-Rechtsvorschriften-fur-Pflanzen-die-mithilfe-bestimmter-neuer-genomischer-Verfahren-gewonnen-werden_de) ein wichtiger Zeitraum, und es gibt gerade relativ viele Artikel, Statements und Aktionen zur „Neuen Gentechnik“:

Der Pflanzengenetiker David Spencer, einer der Gründer von „Give Genes a Chance“ (https://givegenesachance.eu/) hatte sein Buch „Alles BIO logisch“ veröffentlicht (siehe z. B. https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1062351149, beachtet den Titel!), in dem er sich für eine „bessere“ Landwirtschaft als den Ökologischen Landbau und die Agro-Gentechnik (v. a. des Genome Editings) ausspricht.

Am 5. Mai 2022 veröffentlichte Brigitte Reisenberger von der österreichischen Umweltorganisation „GLOBAL 2000“ ein gutes Youtube-Video namens „Neue Gentechnik – Die nicht gehaltenen Versprechen der neuen Gentechnik“ auf https://www.youtube.com/watch?v=DxzUSYySQ6c. 🙂 GLOBAL 2000 hat danach am 12. Mai 2022 eine gute Pressemitteilung und einen Report zu den Problemen von Gentechnik-Pflanzen veröffentlicht (Pressemitteilung auf https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20220512_OTS0074/report-analysiert-gentechnik-pestizid-teufelskreis-in-landwirtschaft, direkter Link zum Report: https://www.global2000.at/sites/global/files/Report_Gentechnik-Pestizide-Teufelskreis_DE.pdf).

Ein Experiment mit gentechnisch veränderten Hamstern ging völlig anders aus als erwartet (siehe Artikel in „t3n“ vom 18. Mai 2022 auf https://t3n.de/news/gen-experiment-forscher-hamster-1473853/). Dies zeigt, dass wir Menschen die komplexen Vorgänge im Genom weiterhin kaum verstehen.

Der Ökologische Landbau, in dem ja keine Pestizide und keine GVO eingesetzt werden dürfen, steht zurzeit von Seiten der Chemie-Konzerne und von gentechnik-befürwortenden Wissenschaftler*innen unter Druck, siehe z. B.: 1. Interview vom 8. Mai 2022 mit Syngenta-Chef Erik Fyrwald im Schweizer Online-Magazin „blick.ch“ mit heftigen Statements: „Syngenta-Chef Fyrwald fordert Bio-Stopp“ (https://www.blick.ch/wirtschaft/um-drohende-weltweite-hungerkrise-zu-verhindern-syngenta-chef-fyrwald-fordert-bio-stopp-id17470468.html). Als Reaktion darauf widersprach Stefanie Pondini von Biovision am 11. Mai 2022 auf „blick.ch“: „Ist Bio für den Hunger in Afrika verantwortlich? Biovision widerspricht Sygenta-Chef – Das sind Fake News“ (https://www.blick.ch/politik/ist-bio-fuer-den-hunger-in-afrika-verantwortlich-biovision-widerspricht-sygenta-chef-das-sind-fake-news-id17480108.html).

2. Ein weiterer Angriff auf den Öko-Landbau war am 27. Mai 2022 der Kommentar „Biolandwirtschaft ist ein fatales Luxusgut“ von Thomas Stölzel in der Wirtschaftswoche: https://www.wiwo.de/technologie/forschung/nahrungsmittel-engpaesse-biolandwirtschaft-ist-ein-fatales-luxusgut/28379510.html Eine kritische Antwort darauf brachte Rolf Sommer vom WWF am 1. Juni 2022 in seinem WWF-Blog auf https://blog.wwf.de/welternaehrung-bio-nicht-das-problem/ .

Die Haupt-Argumente gegen den Öko-Landbau sind in diesen Artikeln, dass er weniger Ertrag pro Fläche liefere als die intensive Landwirtschaft, und er deshalb die Welternährung nicht sicherstellen könne. Und wenn man auf Ackerflächen intensive Landwirtschaft mit Pestiziden und Agro-Gentechnik betreiben würde, dann würden so mehr Flächen für die Natur übrig bleiben. Dass sich Düngemittel, Pestizide und Lebewesen (Pflanzen, Tiere, …) „nicht an Ackergrenzen halten“, dass der Ökologische Landbau durch seine Arbeitsweise im Einklang mit der Leben und der Natur wirklich nachhaltig ist und noch viel mehr Vorteile bringt, und dass eine solche Argumentation in sich falsch ist, sollten wir alle mehr in der Öffentlichkeit kommunizieren. 🙂 Richtig viel für die Umwelt bringt, wenn wir die Flächen für Agrosprit, die Tierzahlen und unseren Konsum von tierischen Produkten deutlich reduzieren: Dann werden viele Ackerflächen für unsere Ernährung frei. Wir brauchen deutlich mehr Agroforstsysteme und Agrarökologie. Der Ökologische Landbau wird die Weltbevölkerung sehr gut ernähren. 🙂

Einen relativ guten Artikel zum Öko-Landbau brachte am 30. Mai 2022 Ferdinand Dyck im ZEIT-Magazin: „Ökologische Landwirtschaft – Alles bio, aber schnell?“ (https://www.zeit.de/zeit-magazin/wochenmarkt/2022-05/oekologische-landwirtschaft-oekolandbau-bio-umweltschutz-bundesregierung). 🙂

Während das BMEL das Thema Agro-Gentechnik in der Öffentlichkeit zurzeit eher vermeidet, haben sich unsere Bundesumweltministerin Steffi Lemke und das BMUV am 16. Juni 2022 Gott sei Dank eindeutig gegen eine Deregulierung auf EU-Ebene positioniert (siehe https://www.bmuv.de/meldung/neue-gentechnik-risikopruefung-und-kennzeichnungspflicht-muessen-erhalten-bleiben). 🙂

Ein gutes Interview mit Stig Tanzmann kam am 19. Juni 2022 in der „Frankfurter Rundschau“: „Es wäre genug Essen für alle da“ (https://www.fr.de/wirtschaft/es-waere-genug-essen-fuer-alle-da-91618740.html).

Am 29. Juni 2022 veröffentlichte der VBIO einen offenen Appell von Forschenden an Cem Özdemir zur „Neuen Gentechnik“ (siehe https://www.vbio.de/themenspektrum/forschende-appellieren-an-bundeslandwirtschaftsminister-oezdemir und https://idw-online.de/de/news797482).

Ebenfalls am 29. Juni 2022 veröffentlichte die SZ mit „Fische sind doch keine Erfindungen“ einen guten Artikel über Christoph Then und die Probleme durch die Patentierung von Leben (siehe https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-umwelt-christoph-then-saatgut-patente-1.5611954).

Eine nette Unterschriftenaktion der „Arche Noah“ gegen Patente auf Saatgut läuft zurzeit auf https://arche-noah-petition.sicher-helfen.org/pet/patentestopp/?cf=url. Bitte beteiligt Euch. 🙂

3. Astroturfing: Relativ neue „Bewegungen“, die seit einigen Jahren die „Neue Gentechnik“ (Genome Editing) propagieren, wie die „Progressive Agrarwende“ (https://progressive-agrarwende.org/), das „Öko-progressive Netzwerk e. V.“ (https://oekoprog.org/), „Give Genes a Chance“ (https://givegenesachance.eu/) und „RePlanet“ (https://www.replanet.ngo/) geben sich nach außen hin und vor allem auch auf Twitter den Anschein, dass sie „Grassroot-Bewegungen“ von jungen „Umweltschützer*innen“ wären, aber in Wirklichkeit bestehen sie zum Großteil aus Student*innen, Doktorand*innen und Wissenschaftler*innen aus dem Bereich Biotechnologie und angrenzender Wissenschaften.

Christoph Then hat hierfür in einem Statement am 29. April 2022 auf https://www.testbiotech.org/aktuelles/soll-astroturfing-die-diskussion-um-risiken-der-gentechnik-sabotieren den Begriff „Astroturfing“ verwendet, was mit „künstliche Graswurzelbewegung“ übersetzt werden kann, und m. E. hierbei sehr treffend ist. „Astroturf“ war ein Kunstrasen im englisch-sprachigen Raum, und daraus ist dieser Begriff entstanden (https://de.wikipedia.org/wiki/Astroturfing).

Dass diese „Bewegungen“ keine spontanen Grassroot-Bewegungen sind, ist u. a. daran zu erkennen, dass sie konzertiert vorgehen, und die Protagonist*innen immer wieder dieselben sind. Wahrscheinlich agieren im Hintergrund etablierte Biotech-Wissenschaftler*innen, Chemie- und Saatgut-Konzerne und PR-Institute beratend und als Geldgeber*innen. Am 9. Juni 2022 gab es eine Stellenausschreibung vom „Öko-progressiven Netzwerk e. V.“ bzw. von „RePlanet“ für eine*n „Campaigner*in für Ernährung, Landwirtschaft und Nachhaltigkeit“ (https://oekoprog.org/were-hiring-campaignerin-fuer-ernaehrung-landwirtschaft-und-nachhaltigkeit/, detaillierte Stellenbeschreibung, Bewerbungsfrist war bis zum 26. Juni 2022, halbe Stelle, sehr gutes Gehalt mit TVÖD E13 50%).

Liebe Grüße Matthias

 

 

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