Petition: Aufklärung gegen Rechts statt Sanktionierung von Antifaschistinnen

Petition: Aufklärung gegen Rechts statt Sanktionierung von Antifaschistinnen

Antifaschismus ist der beste Verfassungsschutz: Hiermit fordern wir, Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, der Grünen Jugend und grüner Hochschulgruppen, die Wiedereinsetzung von Miriam Block in ihre Ämter im Rahmen der Abgeordnetentätigkeit. Darüber hinaus fordern wir die umfassende Aufklärung des Versagens der Sicherheitsbehörden bei der Verschleierung des rechtsextremen Mordes durch den NSU in Hamburg.

Die Liste der Unterstützer:innen findet sich am Ende dieser Seite.

Grüne Bürgerschaftsfraktion Hamburg: Antifaschismus ist der beste Verfassungsschutz!

Antifaschismus ist der beste Verfassungsschutz: Hiermit fordern wir, Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, der Grünen Jugend und grüner Hochschulgruppen, die sofortige Wiedereinsetzung von Miriam Block in ihre Ämter im Rahmen der Abgeordnetentätigkeit. Darüber hinaus fordern wir die umfassende Aufklärung des Versagens der Sicherheitsbehörden bei der Verschleierung des rechtsextremen Mordes durch den NSU in Hamburg.

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Stellungnahme der Unabhängigen Grünen Linken zur Causa NSU in Hamburg:
Antifaschismus ist der beste Verfassungsschutz!

 

Sie wollen heute
von ihren Warnern
nicht mehr
gewarnt sein
Werden sie morgen
wieder
von ihren Entwarnern
entwarnt?
(Erich Fried)

 2001 wurde Süleyman Tasköprü in Hamburg durch den NSU aus niederen rassistischen, nationalistischen Motiven – nicht zuletzt zur Verbreitung von Terror unter Menschen mit Migrationsgeschichte – ermordet. Die polizeilichen Ermittlungen schlossen einen rechtsextremen Tathintergrund aus und unterstellten eine Nähe des ermordeten Gemüsehändlers zum Rotlichtmilieu.

Ab 2011 wurde der NSU enttarnt, der unter anderem 43 Mordversuche unternommen und insgesamt 10 Menschen umgebracht hat. Nach und nach wurden enge Verbindungen zwischen dem NSU und dem sogenannten Verfassungsschutz aufgedeckt. Letzterer hatte mittels V-Leuten Rechtsextreme im Umfeld des NSU finanziert, damit zum Teil deren Terrorakte begünstigt, Ermittlungen anderer Behörden aktiv behindert, unmittelbar nach der Enttarnung umfangreiche Aktenbestände vernichtet und dies durch Umdatierung zu verschleiern versucht.

Im Bundestag und in acht Bundesländern wurden Parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingerichtet. Das Land Hamburg ist der einzige Mordtatort in dem dies bis heute nicht geschah, was auch den Ermittlungen in den anderen Bundesländern Grenzen setzte.

Von 2001-2008 amtierte in Hamburg der rechtspopulistische CDU-FDP-Schill-Senat (letzteres ist eine AfD-Vorläuferpartei). Durch die Aktivitäten der antifaschistischen Hamburger Zivilgesellschaft gelang eine Umkehrung: Aktuell hat Hamburg den bundesweit niedrigsten AfD-Wähleranteil und 2022 wurde der 8. Mai als Tag der Befreiung von Faschismus und Weltkrieg Gedenktag.

Seit 2015 regieren SPD und Grüne und in der Bürgerschaft verfügen die roten Parteien und die Grünen über nahezu 80% der Mandate. 2021 beschloss der Hamburger Grünen-Parteitag die Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Doch die parlamentarische Aufklärung der Missstände in den sogenannten Verfassungsschutzbehörden wurde weiterhin verschleppt.

2023 beantragte die Linksfraktion die Einsetzung eines solchen Ausschusses. Viele Mitglieder der Grünen-Fraktion sprachen diesem Antrag ihre Sympathie aus. Die SPD, die in der aktuellen rot-grünen Koalition den Innensenator stellt, drohte Medienberichten zufolge mit einem Koalitionswechsel ausgerechnet zur CDU, falls grüne Abgeordnete diesem Antrag zustimmen sollten. Als Kompromiss zwischen SPD und Grünen wurde der Auftrag für eine wissenschaftliche Studie anstelle eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses ausgehandelt. Diese ist ein Fortschritt im Verhältnis zur bisherigen Verharmlosung und Verschleierung, doch verfügen die zu beauftragenden Wissenschaftler:innen über erheblich weniger Kompetenzen als ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Weder dessen aufklärende Wirkung noch das eindeutige politische Signal des Kampfes um die Realisierung der Würde aller Menschen gegen Rechts kann durch eine Studie ersetzt werden.

Miriam Block stimmte ihrem eigenen Gewissen verpflichtet für den Antrag auf Einrichtung des Untersuchungsausschusses. Sie war damit die einzige grüne Abgeordnete, die gemäß den grundgesetzlich verankerten Maßstäben von Menschenwürde und Rechtsstaatlichkeit, gemäß unseren grünen Grundwerten und gemäß der Hamburger Partei-Beschlusslage handelte, und wurde daraufhin auf Grund eines behaupteten Vertrauensbruchs ihrer Ämter im Rahmen der Fraktionstätigkeit enthoben.

Diese Strafmaßnahmen müssen rückgängig gemacht werden und die linke, antifaschistische Grüne Miriam Block muss gerade wegen ihrer aufrechten Haltung und ihrer Treue zu Programm und Beschlüssen der Grünen Parteibasis wieder alle ihre Wirkungsmöglichkeiten zurückerhalten.

 

Wer schützt die Verfassung vor ihren Schützern?

„Von Rechtsextremist*innen geht aktuell die größte Bedrohung für unsere Demokratie und die Innere Sicherheit aus. Sie greifen Menschen gezielt gewaltsam an, versuchen auf breiter Front, Andersdenkende einzuschüchtern, Menschenverachtung salonfähig zu machen, Teile der Zivilgesellschaft und Institutionen zu unterwandern. […] Sicherheitsbehörden endlich besser gegen rechte Netzwerke aufstellen: Der Verfassungsschutz hat jahrelang überzeugte Rechtsextreme als V-Leute staatlich finanziert. Damit wurde die Szene mehr gefördert als geschwächt. Wir wollen deshalb einen strukturellen Neustart beim Verfassungsschutz.“ (Bündnis 90/Die Grünen)

„Der Thüringer Heimatschutz, der Fränkische Heimatschutz und das Thule-Netz, die Hammerskins Sachsen, Blood and Honour (B&H) Thüringen, B&H Deutschland, Hooligans gegen Salafisten (Hogesa), der Ku Klux Klan Brandenburg, der KKK von Schwäbisch Hall – an der Spitze all dieser Gruppierungen standen V-Männer.“ (Thomas Moser, Blätter für deutsche und internationale Politik)

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (GG, Art. 1)

Seitdem sich mit dem Amt Gehlen die US-Amerikanischen Geheimdienste im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion Altnazis (darunter auch hochrangige Kriegsverbrecher) zu Nutze machten, bestehen die NS-Kontinuitäten in den deutschen Geheimdiensten. Ebenso lange wird die Verfolgung rechten Terrors in der Bundesrepublik verschleppt, wenn es der proklamierten Staatsräson dient: die Aufdeckung von Nazi-Kontinuitäten in den Behörden, Ämtern und Wirtschaft droh(t)en der Legitimierung eines erneuten Aufstiegs Deutschlands zur europäischen „Führungsmacht“ zuwiderzulaufen.

Offiziell galt dabei als Lehre aus dem Terror des NS-Inlandsgeheimdienstes Gestapo, dass der Verfassungsschutz lediglich Informationen sammelt und keine Repression ausübt. Die massive Finanzierung rechten Terrors durch das V-Leute-System des Verfassungsschutzes untergräbt auch diese Konsequenz aus der Überwindung des Faschismus.

Eine weitere Kompetenzüberschreitung des sogenannten Verfassungsschutzes in Hamburg sorgte erst vor wenigen Wochen für bundesweite Aufmerksamkeit, als dieser das Präsidium der Universität aufforderte, die Tagung „Challenging Capitalist Modernity IV – we want our world back!“ abzusagen, die die Studierendenschaft in Kooperation mit internationalen Aktivist:innen ausrichtete. Der Akademische Senat der Universität empfahl in Folge dem Präsidium der Universität Hamburg, „zukünftige Versuche des Landesamtes für Verfassungsschutz, auf den Inhalt und den Ablauf wissenschaftlicher Tagungen und Veranstaltungen an der Universität Hamburg Einfluss zu nehmen, zurückzuweisen“.

Die aktuelle Hamburger Auseinandersetzung erweckt den Eindruck einer blinden Wiederholung von Fehlern der Weimarer Republik. Anstatt darauf zu bauen, dass der sogenannte Verfassungsschutz inmitten der gesellschaftlichen Krise die Ordnung herstellen hilft, wären die Energien auf eine solidarische Krisenüberwindung zu richten. Besonders gegen die Versuche der Spaltung und einer konkurrenzzuspitzenden „Lösung“ von Gruppen wie dem NSU.

Staatliches Handeln im Geheimen und Demokratie sind unvereinbar. Gegen Rechts hilft nur Aufklärung, Transparenz und Souveränität der Öffentlichkeit.

 

Wissenschaftspolitik gegen Rechts

„Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muss allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen. Die Bildung muss auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muss zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.“ (Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, Artikel 26)

Die abgestrafte Abgeordnete, Miriam Block, war bis zum Montag vergangener Woche wissenschaftspolitische Sprecherin der Hamburger Bürgerschaftsfraktion und macht als linke Grüne Wissenschaftspolitik. Sie setzte sich im Rahmen ihres Mandats engagiert ein für die Fortführung der Arbeitsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe / Hamburg und die frühe Globalisierung“, für Bildung für nachhaltige Entwicklung, für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen prekär beschäftigter Lehrender und Studierender sowie gegen die Einführung kostenpflichtiger Zulassungsprüfungen. Darüber hinaus wirkt Miriam als Gründungsmitglied und Sprecherin der LAG Antifaschismus für eine stärkere Orientierung der Partei an zivilgesellschaftlichen Bündnissen.

Eine solche sozialkritische und geschichtsbewusst auf das Wohl Aller orientierte Wissenschaftspolitik ist erforderlich, um die in den Menschenrechten verbriefte Forderung nach qualitativ hochwertiger Bildung für alle zu realisieren – entgegen den Versuchen einer Abkehr von humanistischer Bildung hin zu Humankapitalerzeugung.

Antifaschistische Politik und Wissenschaft sind nicht neutral. Sie ergreifen Partei für die volle Verwirklichung der Menschenwürde und nehmen den Entwicklungsauftrag ernst, den die zentralen Grundsätze unserer Verfassung an uns richten und durch den eine Wiederholung der Menschheitsverbrechen des deutschen Faschismus für immer unmöglich zu machen ist: Weil nie wieder Krieg von Deutschland ausgehen darf, ist bereits die Vorbereitung von Angriffskriegen verboten (Art. 26). Weil die Bevölkerung Orte braucht, um politische Mündigkeit stetig weiterzuentwickeln, haben die Parteien den Auftrag, bei der politischen Willensbildung mitzuarbeiten und müssen zu diesem Zwecke demokratisch organisiert sein (Art. 21). Weil die Bevölkerung rechtliche und soziale Grundlagen braucht, sind Sozialstaatsgebot und Souveränität der Bevölkerung Grundrechte (Art. 20). Weil die ökonomische Macht Industrieller den Vernichtungskrieg und die Vernichtung durch Arbeit zu Profitzwecken mit hervorbrachte, ist die Vergesellschaftung von Naturschätzen und Produktionsmitteln für das Allgemeinwohl möglich (Art. 14 und 15). Weil alle Menschen frei und gleich an Würde und Rechten geboren sind und einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen sollen, wie es in der Erklärung der Menschenrechte gefasst ist, ist der Gleichheitsgrundsatz unabhängig von Kategorien wie „Rasse“, Geschlecht, Religion oder politischer Anschauung explizit hervorgehoben (Art. 3).

Fraktionszwang, Koalitionsräson oder gar das Handeln von Parlamentarier:innen nach Regierungsanweisung werden durch die Verfassung aus gutem Grunde weder geschützt noch nahegelegt. Im Gegenteil sind die parlamentarischen Abgeordneten der Allgemeinheit verpflichtet, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen (Art 38).

Die grundgesetzlich gefassten Maßstäbe kontinuierlich auf Höhe der Zeit zur Geltung zu bringen und in öffentlicher Debatte weiterzuentwickeln ist der beste Verfassungsschutz und gemeinsame Angelegenheit Aller.



Unterstützer:innen der Petition „Aufklärung gegen Rechts statt Sanktionierung von Antifaschistinnen“
57Antje H.LandsbergOkt 19, 2023
56ilka S.Kreisverband MünsterOkt 17, 2023
55Tim L.KV MünsterJul 28, 2023
54Tjado S.NeuköllnJul 22, 2023
53Johannes S.HarburgJun 09, 2023
52Aramak E.HH-EimsbüttelMai 21, 2023
51Aramak E.HH-EimsbüttelMai 19, 2023
50Ralf B.GöttingenMai 19, 2023
49Birgitta T.SchwerinMai 15, 2023
48Tülin A.Kreisverband Hamburg-HarburgMai 14, 2023
47Christian B.KV StarnbergMai 14, 2023
46Beate K.Sonneberg /HildburghausenMai 13, 2023
45Sabine S.KV Darmstadt-DieburgMai 12, 2023
44Annedore R.OberbergMai 11, 2023
43A. C.KV MünchenMai 09, 2023
42Jürgen S.SaarbrückenMai 08, 2023
41Krystyna G.KV Vorpommern-GreifswaldMai 07, 2023
40Detlef W.KV Berlin LichtenbergMai 06, 2023
39Caroline S.Campus Grün Uni HamburgMai 05, 2023
38Detlev R.KV OberbergMai 05, 2023
37Lukas V.KV WuppertalMai 04, 2023
36Lore H.OV GrevenMai 04, 2023
35Christian S.OV GummersbachMai 04, 2023
34Christopher S.MünchenMai 04, 2023
33Johannes R.LüneburgMai 03, 2023
32Martin K.KV GummersbachMai 03, 2023
31Marcus R.Grüne Siegen-Wittgenstein, CG SiegenMai 03, 2023
30Nicolas Sylvester S.Kreisverband Münster + CampusGrün MünsterMai 03, 2023
29Tomke A.KV Leer/OstfrieslandMai 03, 2023
28Sabine H.Kreisverband Odenwald-KraichgauMai 03, 2023
27Moritz M.campus:grün kölnMai 03, 2023
26Phillip-Daniel S.Grüne Hochschulgruppe WürzburgMai 03, 2023
25Benjamin K.KV BirkenfeldMai 03, 2023
24Steffen P.FuldaMai 03, 2023
23Gabriele R.KV LUPMai 03, 2023
22Finn S.KV VerdenMai 03, 2023
21Patrick S.Tempelhof-SchönebergMai 03, 2023
20Silvia S.KV RostockMai 03, 2023
19Hans-Jürgen B.KV PinnebergMai 03, 2023
18Rainer A.KV HeilbronnMai 03, 2023
17F Lothar W.OberbergMai 03, 2023
16Martin F.KV Tempelhof SchönebergMai 03, 2023
15Barbara R.KV OberbergMai 02, 2023
14Joachim D.KV PinnebergMai 02, 2023
13Florian F.PassauMai 02, 2023
12Arne W.KV OberbergMai 02, 2023
11Tobias B.Charlottenburg-WilmersdorfMai 02, 2023
10Tabitha E.Grünen OV Stein, OrtssprecherinMai 02, 2023
9Ralf R.Kreisverband HeilbronnMai 02, 2023
8Sandra S.KV FreisingMai 02, 2023

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1 Kommentar

    • Jürgen Schwarz auf 8. Mai 2023 bei 19:09
    • Antworten

    In Hamburg ist es gleichgültig ob Schwarz Rot Schill oder AfD. Die Rechten sind dort stark wie nie. Daher muss es zu politischen Wechsel kommen.

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