Auch ein Streckbetrieb ist unverantwortlich

Karl-W. Koch, 7.8.2022

Auch der sog. „Streckbetrieb“ ist nicht anderes als eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten. Dagegen gibt es einige gewichtige Argumente, die zeigen, dass auch dies nicht zu verantworten ist. Jede*r, der*die sich dafür ausspricht, hat sich nicht mit der Geschichte der Atomenergie in Deutschland beschäftigt, kennt die Hintergründe der Entwicklung nicht, versteht die Zusammenhänge nicht oder übersieht diese und kommt nur aufgrund dessen zu falschen Bewertungen.

10 Gegenargumente

Die Genehmigung des sog. „Streckbetriebes“ ist falsch und nicht zu verantworten, weil

  • Risse in AKWs (auch Lingen und Neckarwestheim) altersbedingt sind, mit jedem Tag einer längeren Laufzeit wächst die Gefahr eines Unfalls.
  • die rechtlich erforderliche regelmäßige Sicherheitsuntersuchungen (vorgeschrieben alle 10 Jahre) seit 2019 ausgesetzt sind, sie müssen vor der Wiederinbetriebnahme am 1.1.2023 (nach den seit 2014 europaweit höheren Sicherheitsanforderungen) durchgeführt werden.
  • selbst eine kurze Laufzeitverlängerung massive haftungsrechtliche Konsequenzen hat: Da der Betrieb von Atomkraftwerken ab Jahreswechsel verboten ist, wäre eine Gesetzesänderung nötig.
  • bisher von den AKW-Betreibern das Haftungsrisiko für mögliche Unfälle übernommen wurden. Diese lehnen das nach dem derzeitigen Stand jedoch ab.
  • eine Katastrophe wie in Fukushima im dichter besiedelten Deutschland (ohne Küste und 95% ablandigem Wind wie in Fukushima zur Zeit der Katastrophe) zu weitaus größeren Zahlen an Verletzten und wahrscheinlich auch zu zahlreichen Toten führen würde. Auch die dauerhaft nicht mehr bewohnbaren Flächen (und nicht mehr nutzbaren Industriestandorte) würden den volkswirtschaftlichen Schaden in Vergleich zu Japan (260 Milliarden US-$, Stand 2014) nochmals vervielfachen.
  • die Zwischenlager alle weit vor Fertigstellung des Endlagers auslaufen. Eine Lösung für dieses Problem gibt es noch nicht. Eine konsensuale Lösung wäre nach Kündigung des „alten“ Konsenses schwierig bis unmöglich.
  • die Betreiber für den vorzeitigen Ausstieg bekommen Milliarden Euro gezahlt. Mit diesen ist ein möglicher Mehrerlös zu verrechnen
  • zumindest ein nicht unerheblicher Teil des benötigten Personals bereits andere Verträge hat und nicht „auf der Straße“ zu ersetzen ist. Mit Unterbesetzung oder unterqualifiziertem Personal steigt die Gefahr von Bedienungsfehlern.
  • der Ausstieg 2022 ein weitreichender Konsens mit Parteien, Betreibern, Anliegergemeinden und Bürgerinitiativen war. Ein Resultat daraus war die Einigung auf ein Endlagersuchverfahren. Eine einseitige Aufkündigung dieses Konsenses wird die gesamte Vereinbarung sprengen, da sich die „andere Seite“ dann auch nicht mehr gebunden sieht. Das Endlagerverfahren wäre wieder beim Ausgangspunkt. Das ist nicht zu vertreten.
  • der aktuelle (Stand August 2022) Zustand der französischen AKWs (die aktuell allein im Juni 2022 mit 1,7 Milliarden Kilowattstunden Strom aus deutschen Gaskraftwerken gestützt wurden) zeigt, dass Atomkraft faktisch keine Einsparung an Gas bringt.

Quellen:

https://www.ippnw.de/startseite/artikel/de/atomenergie-ist-eine-hochrisikotechn.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/atomunfaelle-schadenskosten100.html

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1 Kommentar

  1. Liebe Alarmierte, lieber Karl W. ,

    ich möchte noch folgende Argumente gegen einen AKW-Streckbetrieb nennen:

    – die 3 dt. “AKWs können höchstens 1% des dt. Erdgasverbrauches ausgleichen. Falls die alten, bereits störungsanfälligen AKWMeiler dazu noch betriebsstörungsbedingt ausfallen, sogar noch weniger als 1%. –

    – Der (der offizielle) Brennstäbe-Vorrat reicht nur noch bis 12/2022. Beschaffung, Herstellung u. Prüfung neuer Brennstäbe dauern mind. 1 Jahr.

    Quelle: “22 Gründe für den Atomausstieg 2022”, flyer von: https://green-planet-energy.de

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