Die Internationale Münchner Friedenskonferenz 2024 – Der Elefant im Diskursraum

Konferenzbericht von Maria R. Feckl, Organisatorin der Internationalen Münchner Friedenskonferenz (16.-18.02.2024)

Verengung des Diskursraums

Ob und inwiefern sich der Diskursraum für pazifistische Positionen in Deutschland verengt – und wie mit dieser Verengung am besten umzugehen ist – ist objektiv schwer zu beurteilen. Die Internationale Münchner Friedenskonferenz ist jedenfalls nur eine von hunderten (oder tausenden) friedenspolitisch motivierten Veranstaltungen, die jährlich in Deutschland stattfinden. Die Erfahrungen der Friedenskonferenz 2024 und die Lehren, die aus ihnen abgeleitet werden können, sind also keinesfalls allgemeingültig oder eindeutig. Trotzdem sind sie eine Auseinandersetzung wert – weil sie Hoffnung machen, dass es Mittel und Wege gibt, den Diskursraum aufrechtzuerhalten oder sogar zu weiten.

Die Türsteher

Die Themen, anhand derer sich die (vermeintliche) Verengung des Diskursraums vollzieht, sind allgemein bekannt. Dazu zählen insbesondere der Gaza-Krieg und der Ukraine-Krieg sowie die fortschreitende Militarisierung, die damit gerechtfertigt wird.

Die Friedenskonferenz 2024 behandelte all diese Themen. Es war also nicht weiter erstaunlich, dass sie mit diversen Diskursraumtürstehern (keine Polemik, sondern soziologisches Lehnwort) in Konflikt kam. Dazu zählten primär die Fraktionen Grüne/Rosa Liste und SPD/Volt im Münchner Stadtrat, der Münchner Kulturreferent Anton Biebl, Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter und der Katholische Fonds.

Sie entzogen der Münchner Friedenskonferenz innerhalb der letzten zwei Wochen vor Veranstaltungsbeginn Projektförderungen in Höhe von ca. einem Drittel des geplanten Budgets der Friedenskonferenz. Dieser Fördermittelentzug war potenziell geeignet, die Durchführung der Friedenskonferenz zu verhindern. Inwiefern das beabsichtigt war, ist unklar.

Die Gästeliste

Überraschender als das Bestreben, der Friedenskonferenz die Fördermittel zu entziehen, war die unbeholfene Art und Weise, mit der dieses Bestreben umgesetzt wurde.

Die Friedenskonferenz bot immer schon eine große Projektions- und Angriffsfläche. Die Angriffsfläche war dieses Jahr wohl größer denn je. Einerseits wuchs der Anteil des Meinungsspektrums, der in Deutschland inzwischen routinemäßig als antisemitisch und/oder “putinfreundlich” gewertet wird. Andererseits gab es einzigartig kontroverse Äußerungen einiger der zur Friedenskonferenz geladenen Referent*innen (siehe, z.B., Clare Dalys Bezeichnung Ursula von der Leyens als “Frau Genozid” oder Yanis Varoufakis un- bzw. missverständliche Weigerung, die Hamas zu verurteilen).

Doch der Antrag der o.g. Stadtratsfraktionen, der Friedenskonferenz die Förderung zu entziehen, nahm keinen Bezug auf diese Kontroversen. Stattdessen wurde der Antrag als “aufgabenkritische” Konsolidierungsmaßnahme begründet – das Kulturreferat müsse sparen und die Friedenskonferenz würde weder kulturelle Beiträge bieten, noch irgendeinen Bezug zu München aufweisen.

In einem Schreiben an die Friedenskonferenz machten sich OB Reiter und Kulturreferent Biebl diesen unbehandelten (!) Antrag, inklusive dürftiger Begründung (die ein prominenter Unterstützer der Friedenskonferenz treffend als “technokratische Leerformeln” charakterisierte), zu eigen.

Erst im Nachgang äußerte sich die Stadtratsfraktion Grüne/Rosa Liste zu ihren eigentlichen Beweggründen, inklusive unaufrichtiger Unterstellungen und Unwahrheiten über vergangene Tätigkeiten des Trägerkreises der Friedenskonferenz und seiner Mitgliedsorganisationen.

Der Katholische Fonds erwähnte Besorgnis über Positionen von Clare Daly und Yanis Varoufakis, die er nicht mittragen könne. Weiterhin wurde der Rückzug der Förderung mit der Behauptung begründet, die Veranstaltung öffne keinen Raum für Dialog und entspräche somit nicht einem “christlichen Menschenbild”. Außerdem setze sich die Veranstaltung nicht stark genug für eine Unterstützung der Ukraine ein. Auch hier zeigte sich eine fehlende Auseinandersetzung mit den Inhalten der Friedenskonferenz, die natürlich Raum für Dialog schuf und für eine Unterstützung der Ukraine warb (lediglich nicht im Sinne von Waffenlieferungen).

Ausführlichere Schilderungen dieser Ereignisse sind zu finden auf https://friedenskonferenz.info/kategorie/pressemeldungen/.

Der Elefant im Diskursraum

Warum sollte uns dieses Debakel Hoffnung geben? Aus drei Gründen:

Erstens, der Verzicht bzw. die Verweigerung der “Türsteher”, sich inhaltlich ernsthaft mit der Friedenskonferenz auseinanderzusetzen, deutet entweder darauf hin, dass sie sich argumentativ auf dünnem Eis wähnen, oder dass in ihren Reihen mitunter keine Geschlossenheit über diese Inhalte herrscht. Hier können wir anknüpfen, indem wir auf die entsprechenden Gremien und Entscheidungsträger*innen zugehen und inhaltliche Gespräche führen.

Zweitens, in ihrem Bestreben, pazifistische Stimmen auszubremsen, unterlaufen den Entscheidungsträger*innen in Legislative und Exekutive inhaltliche und rechtliche Fehler, wodurch sie sich unter Umständen rechtlich angreifbar machen. Die Friedenskonferenz prüft rechtliche Schritte.

Drittens, die Unterminierung der Friedenskonferenz durch die o.g. Akteure löste in der Münchner Zivilgesellschaft und darüber hinaus eine Welle des Protests und der Solidarisierung mit der Friedenskonferenz aus. Das Geschehen generierte nicht nur deutschlandweite Medienberichterstattung. Dank großzügiger Spender*innen war auch ein Spendenaufkommen verfügbar, das ausreichte, um die entfallenen Fördermittel zu kompensieren.

Die Friedenskonferenz ist quasi der Elefant im Münchner Diskursraum. Verengt sich der Raum, nimmt sie umso mehr Platz ein. Sie lässt sich weder ignorieren noch aus dem Raum zerren. Ob das auch an anderer Stelle funktioniert, muss wieder und wieder erprobt werden.

 

 

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