Lützerath – der GAU der Grünen?

Ergänzung 11.02., 14:30 Uhr:

Offener Brief an Mona Neubaur und Robert Habeck
https://luetzibleibt.antragsgruen.de/luetzibleibt/grune-grundwerte-nicht-verraten-lutzerath-muss-bleiben-offener-brief-56039

Ergänzung 10.01., 20:00 Uhr:

Niklas Höhne, Mitgründer des „NewClimate Institute“, zerlegt in einem ZDF-Interview die Verteidigungsstrategie der NRW Landesregierung.  „Aus klimapolitischer Sicht können wir uns gar keine Kompromisse mehr leisten. Wir müssen konsequent handeln. … Wir müssen jede Entscheidung wieder überdenken. Und auch Lützerath könnte man überdenken: Ist es wirklich nötig?“
https://www.zdf.de/nachrichten/heute-journal/luetzerath-kohleabbau-klimaziele-hoehne-100.html


(Orga-Team der UGL) Nun steht sie also bevor, die Räumung des Ortes Lützerath, dem Symbol der Klimaaktivist*innen-Bewegung gegen die CO2-Produktion. Die zuständige Landesregierung mit grüner Beteiligung und dem CDU-Innenminister Reul wird räumen. Das hat sie angekündigt, ja angedroht, und dahinter kann sie nicht mehr zurück, so gern das der grüne Teil der Regierung um die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur, die auch die 2. zuständige Fachministerin (für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie) ist, auch möchte.

Die einzige Chance aus dieser Nummer raus zu kommen hätte es auf dem Bundesparteitag der Grünen im Oktober in Bonn gegeben. Dort wurde von der Grünen Jugend mit kräftiger Unterstützung aus der Klimabewegung und dem Linken (Basis-) Flügel der Partei der Antrag gestellt, die Abbaggerung des symbolträchtigen Ortes abzulehnen. Er wurde mit hauchdünner Mehrheit (und schriftlicher Auszählung wegen der Unklarheit des Ergebnisses) abgelehnt.

Selbstverständlich hätte das in der Ampel geknirscht, was aber bei dem FDP-verursachten Langzeitknirschen nicht weiter aufgefallen wäre. Die FDP hätte endlich einmal die richtige Antwort auf ihre Dauerfeuer-Querschüsse bekommen, das Geheule wäre groß gewesen und mit der nächsten Gemeinheit wären Lindner und Co wieder zur Tagesordnung übergegangen. Vielleicht hätte er dann gleich und nicht erst 8 Wochen später den Bau neuer Atomkraftwerke gefordert …

Anders in Nordrhein-Westfalen, hier hätte die CDU leise gewimmert, vielleicht auch laut geflucht und geschimpft und das wärs gewesen. Was hätten Wüst und die CDU auch machen wollen? Neuwahlen? Die hätten sie genauso krachend verloren wie sie die vergangene Wahl überraschend gewonnen hatten.

Grüne kämpfen für die Kohle

Aber die Grünen, allen voran der rhetorisch brillante NRW-Minister Oliver Krischer warfen sich auf dem Parteitag mit allem in Zeug, was sie hatten, inklusive Milchbubenrechnungen und Halbwahrheiten. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit unserer Abhängigkeit von russischem Gas musste herhalten, vom vorgezogenen „Kohleausstieg bis zum Jahr 2030“ wurde schwadroniert … und verschwiegen, dass in dieser Zeit genauso viel Braunkohle abgebaggert wird, wie ursprünglich bis 2038 vorgesehen war. Dass die Kohle unter Lützerath für die deutsche Stromversorgung schon in den nächsten Jahren überhaupt nicht mehr gebraucht werden wird, wen interessiert es? Die Herren Habeck und Krischer sowie Frau Neubaur offenbar nicht. Besonders elegant an der Vereinbarung: RWE kann die Ausstiegsentschädigung über 2,6 Mrd. € für 2038 behalten und verdient sich vorher eine goldene Nase.

Völlig absurd und vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar ist, dass sowohl die grüne Bundespartei wie auch die grüne Regierungsbeteiligung in NRW gegen ein aktuelles, gültiges Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (vom 24. März 2021) handelt, mit dem dieses eine Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes gefordert hatte. Danach sind „die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen … mit Grundrechten unvereinbar … Das Klimaschutzgesetz verpflichtet dazu, die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 55 % gegenüber 1990 zu mindern.“ Das Gericht befand, zumindest die Regeln für die Fortschreibung des Reduktionspfades nach 2031 „reichen nicht aus“.

Und jetzt also die Räumung?

Friedlich möge sie sein, wünscht sich Neubaur. Wird sie nicht, sagen die Aktivist*innen. Es wird in der Szene mobilisiert wie seit etlichen Jahren nicht mehr. Aktivist*innen, die sich auf Autobahnen kleben, werden sich zu wehren wissen. Es wird hässlich werden, es wird Verletzte, und wenn es ganz schlecht läuft, auch Tote geben. Die Bilder in den Nachrichten werden das Stimmungshoch der Grünen trüben. Wenn die Berliner Pech haben, wird es ihnen die Wahl verhageln. Bilder der von dem Bäumen geprügelten Jugendlichen wird ähnlich wirken wie vor zwei Jahren im Dannenröder Forst beim Autobahnbau. Nur konnte sich der hessische grüne Minister Al Wazir damals mit einem zuständigen Verkehrsminister Scheuer/CSU rausreden.

In Lützerath ist der zuständige Bundesminister ein Grüner: Robert Habeck. Die Ausrede und das schwarze-Peter-schieben funktioniert nicht mehr. Im Bundestag gab es keine Gegenstimme zum Deal.

Neue Grüne braucht das Land?

Selbst in den bisher schwärzesten Zeiten waren grüne „Ausrutscher“ eben das: Ausrutscher. Wurde ein Krieg (Kosovo) beschlossen, lief die Anti-Atom-, Anti-Gen- und Umweltschutz-Politik zur Höchstform auf. Wurde am Atomausstieg gedreht und mit Merkel nach 2011 gegen besseres Wissen für Endlager- und Ausstiegsdeals gestimmt, glänzte die Friedenspolitik. O.k., in der Opposition war das auch einfacher. Heute aber haben es die Grünen geschafft, sich eindrucksvoll von fast allen Wurzeln zu verabschieden.

  • In der Ukrainefrage sind die Grünen die lautesten „Mehr-schwere-Waffen-Schreier“,
  • Der Widerstand gegen die deutsche Atombewaffnung (Nukleare Teilhabe) und bewaffnete Drohnen wurde auf Parteitagen eindrucksvoll abgeräumt,
  • Gentechnik ist nicht mehr bääh, im Gegenteil,
  • der Atomausstieg wird mal eben verschoben und demnächst dank FDP wieder neu verhandelt, trotz Scholz-Machtwort.
  • Und jetzt das letzte vermeintlich sichere Feld: Klimaschutz? Frackinggas wird in Massen – sogar aus Russland – importiert, die Anlagen dafür im Hauruckverfahren gegen alle Umweltbedenken durchgeboxt, Kohlekraftwerke wieder hochgefahren, und jetzt werden Klimaaktivist*innen aus dem besetzten Lützerath geprügelt.

Die Ausrutscher sind keine Ausrutscher mehr, sie sind das neue „normal“! Die Grünen scheinen neue Wähler*innen zu brauchen, aber dank der brillanten Verkäufer*innen und der Unfähigkeit der anderen Mitte-Parteien haben sie diese schon gefunden. Die Politik der Grünen ist dem schon vorausgeeilt – sie ist in der Mitte angekommen. Ihrer grünen Urthemen hat sich die Partei entledigt, sie störten nur. (KWK)

Mehr zu Lützerath:

https://luetzerathlebt.info/

https://www.klimabuendnis-hamm.de/aufruf-zum-widerstand-gruene-fuer-luetzerath/
Unterschreiben mit Mail an Kontakt: Grüne für Lützerath <gruene4Luetzerath@energiewende-jetzt.org>

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7 Kommentare

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    • Britta Kellermann auf 15. Januar 2023 bei 13:29
    • Antworten

    Ich habe den Offenen Brief zu Lützerath unterzeichnet, fand aber in der Überschrift die Formulierung „Grüne Werte nicht verraten“ problematisch. Auch stehe ich nicht hinter den pauschalen Aussahen, die hier unter der Überschrift „Neue Grüne braucht das Land?“ getroffen werden. Aus meiner Sicht agiert die GRÜNE LINKE mit solchen pauschalen Aussagen genauso populistisch, wie wir es von anderer Seite eben nicht wollen. Ich wünsche mir Formulierungen, die weniger krachen und stärker auf innerparteilichen Dialog in schwierigen Fragen ausgelegt sind. Wir sind als GRÜNE Partei jetzt in Regierungsverantwortung und wir sind als solche auf die Gewinnung von Mehrheiten angewiesen. Das bedeutet Kompromisse zu schließen und ich nehme deutlich wahr, dass unsere Parteispitzen da sehr am Ringen sind. Wenn wir ihnen jetzt aber den Boden entziehen und es zum Koalitionsbruch kommt, ist leider auch nichts gewonnen und unsere GRÜNEN Positionen finden gar keinen Eingang mehr in das Regierungshandeln. Was dabei dann herauskommt haben wir in 16 Jahren Merkelregierung gesehen. Das kann niemand von uns wollen!

      • Brigitte Högele auf 20. Januar 2023 bei 16:28
      • Antworten

      Liebe Frau Kellermann – ich war seit 1983, Bundestagswahl, und für die darauf folgenden 19 Jahre eine (leidenschaftliche) Wählerin der grünen und stete Verteidigerin ihrer Klimaschutzprogrammatik. Das mit der „leidenschaftlichen“ nahm gleichzeitig stetig ab. 1998 entstand die rot-grüne Koalition und schon wenige Wochen später las ich in der ZEIT einen langen Artikel über Garzweiler I, in dem die grünen eine Fortführung des Abbaus Garzweiler Kohleflöße befürworteten und so kam es auch; in der paralellen Begleitung durch die Vernichtung von Dörfer, Gemeinden, Gärten, Schulen, Kirchen, Gaststätten, und andere Infrastrukturen wie traditionelle Lebensmittelversorgung. Das lief leidenschaftslos durch die grüne Partei.
      Hinzu kam die leidenschaftslose Verteidigung der Agenda 2010.
      Seit 2022 starren grüne Politiker auf Waffen.
      Was glauben Sie bitte, wie viel Kompromisse der Rest der Bündnisgrünen noch aushalten werden? Wer das aushält und sich verteidigt, gehe bitte in die CSU/CDU/FDP/SPD.
      Ihnen geht es um die „Gewinnung von Mehrheiten“, ohne die Sie Ihre Politik ja nicht weiterführen können.
      Ja, dann ist das eben so. Ein Abbild.

    • Dörthe Engels auf 13. Januar 2023 bei 14:27
    • Antworten

    Vielen Dank für die Initiative zu Lützerath! Ich würde gern den offenen Brief unterzeichnen, kann mich aber nicht einloggen. So erhaltet ihr wenigstens hier per Kommentar meine Unterstützung!
    Beste Grüße
    Dörthe Engels (Berlin-Prenzlauer Berg)

    • Kurt Münk auf 11. Januar 2023 bei 19:13
    • Antworten

    Während wir uns hier den Hintern aufreißen und über die notwendigen Schritte zum Klimapfad 2.0 für 2030 reden, fährt Frau Baerbock auf Regieanweisung von Herrn Selenskyj in die Ostukraine, damit neue Emotionen getankt werden und damit der Hunger nach schweren Waffen zunimmt. Oh Gott, wo sind wir nur hingeraten, wir Grünen, in deren Programm immer noch steht…..Keine Waffenlieferungen in Kriegsgebiete……

    • Jürgen Gauer auf 11. Januar 2023 bei 13:09
    • Antworten

    Wir lernen gerade aktuell, dass mit einer glorreichen Schlacht der Krieg noch lange nicht gewonnen ist. Wenn es nicht gelingt die Bevölkerung mitzunehmen, werden wir die Klimakrise nicht abwenden können. Den Kampfgeist, der in Lützerath aufblitzt, wäre notwendig, um Windräder in Gemeinden zu unterstützen, die einer lautstarken Gruppe von Klimakriseleugnern ausgeliefert sind. Braunkohlestrom erledigt sich dann von selbst. Man könnte versuchen, die zentrierte Braunkohleverbrennung dafür zu nutzen, Verfahren zum CO2-Einfangen zu entwickeln. Durch den Angriffskrieg von Russland auf die Infrastruktur und den Wohnungsbestand der Ukraine zurzeit wird viel viel mehr CO2 (kurz- und langfristig – Wiederaufbau) freigesetzt, als in Lützerath geschützt weden kann.

    • Christoph Stöppler auf 10. Januar 2023 bei 20:46
    • Antworten

    Liebe Leute, so geht es nicht, es wird alles mit allem vermengt.. es gibt die legalistische Fraktion, die Räumung geschieht auf gesetzlicher Grundlage und die des zivilen Ungehorssms aufgrund einer realen Bedrohungslage, die des zunehmenden Klimawandels, eine Bedrohung für die nächsten Generationen. Es wird ein Kräftemessen geben. Aber so sind immer Fortschritte, gelegentlich auch Rückschläge erfolgt. Mein Herz schlägt für Lützerath, mein Kopf sagt, es ist nach langer Diskussion entschieden. Wir müssen den Druck auf RWE erhöhen, vielleicht Kraftwerke besetzen oder „betreten“, um den Druck so gross zu machen, dass sie ablassen von Lützenrath. Vielleicht wirkt das mehr als eine Entscheidung, die zur Prestigesache zu werden droht für beide Seiten.

    1. Im vergangenen Jahrhundert gab es seitens der Hardliner-Regierungen in Bayern (CSU, Strauss) und Baden-Württemberg die interessante Entscheidung: „Diese Projekte sind gegen die Bevölkerung nicht durchzusetzen“. Weder Whyl noch Wackerdorf wurden. auch wenn es brutale, gewalttätige Versuche der Durchsetzung mithilfe der Polizei, gab, nuklearisiert. Von einer GRÜNEN Regierung wäre da mehr Courage gefordert. Ist aber stets in allen Regierungsbeteiligungen aus geblieben. Niemand spricht mehr darüber, ob über die Frage, wer zum „Kollateralschaden“ einer Politik wird, überhaupt „demokratisch abgestimmt“ werden kann. Wir haben diese Frage seinerzeit immer wieder gestellt und sie ist auch heute mehr als berechtigt. Du schreibst, „da werde alles vermengt“? Schön. Aber in der Frage, dass wir schrittweise in einen Krieg (Ukraine) hineingeführt werden, ohne dass sich in Europa nennenswerter Widerstand regt, beantwortet dennoch die Frage nicht, ob über diese Politik, die anderer Leute Leben und Gesundheit einsetzt, per „demokratischer Abstimmung“ entschieden werden kann. Kriegsdienstverweigerung und Desertion sind die höchste Form der Kriegsverweigerung. In unserem GG sind ist immerhin, die Kriegsdienstverweigerung (noch?) geschützt.

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