Bauernlegen

Im Jahre 1960 erklärte Vizepräsident Carlo Schmid im Namen aller im Bundestag vertretenen Parteien den geharnischten Protest gegen das brutale Bauernlegen – in der damaligen DDR.
Geschichte, so heißt es wiederhole sich nicht, es sei denn als Farce. Dass dies nicht immer so ist, erleben wir dieser Tage. (Die Zeit v. 14.4.1960)
Die Bundeskanzlerin Merkel (CDU) fand Tage später, für die am Rande des Ruins stehenden, Bäuerinnen Zeit, nachdem diese zu großen Protesten in Berlin zusammen gekommen waren und selbst das Mittel des gesundheitsgefährdenden Hungerstreikes nicht ausließen. Die derzeit unter einem politisch zu verantwortenden Niedrigstpreis für Milch leidenden Bauern verlassen sich lieber auf ihren eigenen Interessenverband – den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM).
Es ist derzeit üblich, auf „die EU” zu schimpfen. Das ist wohlfeil, aber wird dadurch auch nicht „richtiger”. Es sind die Agrarminister, die die Weichen stellen – und die gehören politischen Parteien an, die wir wählen. Es sind die Interessenvertreter der Bauern, die seit Jahrzehnte im wesentlichen die Interessen der großen agrarindustriellen Betriebe im Auge, haben nicht frei von Schuld an der Misere.
Während die Zeit 1960 berichtet:
„Der Bundestag, das freigewählte Parlament, durch das unserem Volk das Recht des freien Gedankens und der freien Rede, der freien Bestimmung seiner Lebensordnungen durch Entscheidungen, in die der Wille aller Bürger eingehen kann, verbürgt wird, gibt in dieser Stunde der Trauer und der Empörung des ganzen deutschen Volkes über dieses Werk der Vernichtung Ausdruck. (Zeit dito.)”
… wartet man heute vergeblich auf Hilfe. Die Milchviehhalter sollen sich gar für dumm verkaufen lassen. Die gefeierte „Rücknahme” der Besteuerung des Agrardiesel hilft den sowieso schon gut geförderten Großbetrieben mit hohem Diesel-Bedarf, den meisten Landwirten also nicht. Aber solange die Landwirte die CDU/CSU für „ihre” angemessene Vertretung im Bundestag und im Europa Parlament halten, wird eines absehbar: Ändern wird sich NICHTS! Die Geschichte des Bauernlegens wird fortgeschrieben.
Im Mai 2008 berichtet die Zeit unter dem Titel „Bauernproteste – Schuld am Elend” über die „lenkende” Wirkung der europäischen Agrarpolitik, die in armen wie reichen Ländern versagt hätte. Unter dem Eindruck massiver Proteste, erreichten die Milchviehhalter kurzzeitige Linderung der Not. Nun ist der Milchpreis erneut an einem Tiefpunkt. Ein europäisches Höfe-Sterben ungeahnten Ausmaßes steht an. Betroffen sind in der Hauptsache klein und Mittelbetriebe. Eine kurze Übersicht über die Bauernproteste von 1789 bis heute stellt Hans Holger Lorenz auf seiner Seite „Bauernkriege” zusammen.
(aus: riverside-magazin)

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