Wer über den Krieg in Afghanistan redet, wird in Zukunft nicht mehr über einen Krieg gegen den Iran schweigen dürfen – verdeckt wird dieser bereits längst geführt.
Den Anfang vergangener Woche im New Yorker erschienenen längeren Essay von Seymour M. Hersh mit dem Titel „Preparing the Battlefield“, sollten gerade die Verantwortlichen in der deutschen Politik und die Öffentlichkeit hierzulande sehr genau zur Kenntnis nehmen. Die dort beschriebenen „verdeckten Operationen gegen den Iran“, für die das Weiße Haus auch mit der Zustimmung dort führender Demokraten vierhundert Millionen Dollar vom Kongress eingefordert hat, könnten auch das Afghanistan-Engagement Deutschlands im Rahmen von ISAF bald in einem anderen Licht erscheinen lassen.
Nun sind solche Geheimoperationen auf Iranischem Gebiet, durchgeführt von der Central Intelligence Agency (C.I.A.) und dem Joint Special Operations Command (J.S.O.C.), eben tatsächlich geheim, dennoch ist die erhebliche Ausweitung dieser, so Hersh, „verdeckten Kriegsführung innerhalb des Iran“ auch der US-amerikanischen Öffentlichkeit nicht verborgen geblieben. Mit Vize-Präsident Dick Cheney als treibende Kraft im Hintergrund der US-Administration geht es wieder einmal um die Identifikation und Ausschaltung „hochwertiger Ziele“ im Rahmen des globalen „War an Terror“, strategisch um die „Destabilisierung der religiösen Führerschaft des Landes“ und um einen Regime-Wechsel im Iran.
Solche vom Präsidenten selbst autorisierten grenzüberschreitenden Operationen werden seit letztem Jahr vom Süd-Irak aus geführt, nun aber erhalten diese eine neue Qualität und Quantität. Das Zeitfenster für die Bush-Regierung schließt sich und so ist es vor allem Dick Cheney, der erheblichen Druck ausübt, um Ergebnisse zu erzielen, und gar selbst Prioritäten für auszuschaltende Ziele setzt. Wenige Wochen nach einem Zusammenstoß Anfang Januar zwischen der US-Marine und iranischen Patroullienbooten etwa, fand in Cheneys Büro ein Treffen statt. „Es ging dabei darum“, so Vize-Admiral Kevin Cosgriff, Kommandant der US-Seestreitkräfte in der Region, „wie ein casus belli zwischen Teheran und Washington zu schaffen sei.“
Was in der bundesdeutschen Öffentlichkeit so gut wie unbekannt scheint und was die Bundesregierung in ihren ungelenken Erklärungsversuchen für die Ausweitung der Deutschen Truppenpräsenz in Afghanistan und der Verlängerung der Mandatsdauer schlichtweg verschweigt, ist, dass offenbar auch von Afghanistan aus solch grenzüberschreitenden verdeckten Operationen im Iran seitens des J.S.O.C. und des C.I.A. stattfinden. „Im Iran besitzen C.I.A.-Agenten und regional aktive Verbündete die sprachlichen Fähigkeiten und lokalen Ortskenntnisse, um mit den operativen Einheiten des J.S.O.C. in Kontakt zu treten, zusammenzuarbeiten und lenken so Personal, Material und Geld von einer unbekannten Basis in West-Afghanistan in den Iran“, so Hersh.
Artikel 26 unseres Grundgesetzes verbietet den Angriffskrieg. Genauer heißt es dort: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.“ Gerade aber, wenn auch von Afghanistan aus vom Verbündeten USA offensichtlich eine verdeckte Kriegsführung innerhalb des Iran betrieben wird, dann sollten sich die Verantwortlichen in der Bundesrepublik möglichst bald die Frage stellen, ob nicht selbst die eigentliche Aufgabe von ISAF, für eine Stabilisierung Afghanistans zu sorgen, in diesem Licht gesehen bereits eine Handlung darstellt, die geeignet ist, die Führung eines Angriffskrieges gegen den Iran mit vorzubereiten.
Gerade im US-Kongress mehren sich die kritischen Stimmen, die befürchten, dass es offensichtlich eine Strategie der US-Regierung ist, die Grenzen zwischen Geheimdienstoperationen und militärischen Operation systematisch zu verwischen, um so Mittel vom Kongress bewilligt zu bekommen und diesem zugleich Informationen über konkrete operative Details und Ziele vorzuenthalten. Selbst militärische Befehlsketten werden , wie hohe US-Militärs immer wieder beklagen, von den Hardlinern in der Bush-Regierung systematisch unterlaufen. Da beruhigt es nur wenig, dass US-Verteidigungsminister Gates vor den unabsehbaren Folgen eines möglichen Krieges gegen den Iran warnt: „Wir werden Generationen von Jihadisten erschaffen und noch unsere Enkel werden unsere Feinde hier in Amerika bekämpfen müssen.“
Erst kürzlich mahnte Joschka Fischer in Der Zeit an: „Der Nahe Osten treibt auf eine neue große Konfrontation zu. Teheran muss begreifen, dass sich die Dinge in den kommenden Monaten gefährlich zuspitzen werden, wenn es nicht zu einer diplomatischen Lösung kommt. Es wird allerhöchste Zeit für ernsthafte Verhandlungen.“ Aber ist Afghanistan nicht bereits tatsächlich Basis und Ostflanke jener verdeckten Kriegsführung der USA innerhalb des Irans?
Die Bundesregierung wird sich schnell erklären und dabei dringend zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Kriegsfall Afghanistan schon bald zum Kriegsfall Iran werden könnte, wenn er es nicht sogar schon ist. Damit aber würden in der Bundesrepublik plötzlich ganz andere Fragen auf der Tagesordnung stehen, nämlich die nach der Verfassungskonformität des Afghanistan-Einsatzes wie auch die nach jenen „Generationen von Jihadisten“, die dann wohl nicht nur in Amerika bekämpft werden müssten.
Robert Zion ist Grünen-Politiker in NRW
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Robert Zion Vorstandssprecher
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Jul 15 2008
Das bestellte Schlachtfeld
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