In diesem Kontext muss v. a. auch über den derzeitigen Globalisierungsprozess gesprochen werden. Der Kapitalismus ist in Europa zumindest zum Teil durch Sozial- und Umweltstandards eingehegt worden. Im Frühkapitalismus war dies nicht der Fall, wie Marx und Engels ja eindrucksvoll anhand des aufkommenden britischen Kapitalismus in Manchester ab 1842 belegt haben. „Engels war damals auf dem Rückweg von Manchester nach Barmen, (…). In Wuppertal schrieb er dann in nur sechs Monaten ein Buch nieder, das noch heute als eine der besten soziologischen Studien des 19. Jahrhunderts gilt: ´Die Lage der arbeitenden Klasse in England`. Engels wandte darin erstmals einen Trick an, den Marx später im „Kapital“ übernehmen sollte: Er zitierte vor allem den ideologischen Gegner, also die Liberalen. Wenn selbst die Bourgeoisie zugeben musste, dass die Arbeiter in entwürdigenden Umständen lebten, dann war dies wirkungsvoller als jede Anklage aus der Feder eines Sozialisten.
Oft reichte es schon, die amtlichen Gesundheitsstatistiken heranzuziehen, um die Verelendung zu dokumentieren: ´In Liverpool war 1840 die durchschnittliche Lebensdauer der höheren Klassen (gentry, professional men etc.) 35, der Geschäftsleute und bessergestellten Handwerker 22 Jahre, der Arbeiter, Tagelöhner und der dienenden Klasse überhaupt nur 15 Jahre.` Engels wollte damals skandalisieren, dass die Oberschicht doppelt so lange lebte wie das Proletariat. Für heutige Leser ist aber genauso interessant, dass selbst viele Reiche nicht alt wurden.“ (s. die aktuelle Würdigung zum 200. Geburtstag von Friedrich Engels durch Ulrike Herrmann in der TAZ v. 28.11.2020 (https://taz.de/200-Geburtstag-von-Friedrich-Engels/!5729535/).
Dieser Manchester-Kapitalismus wurde durch die Gewerkschaften und in Klassenkämpfen durch hart erkämpfte Rechte eingegrenzt. Festgestellt werden muss allerdings auch hier und weltweit, dass diese erkämpften Rechte durch den Neoliberalismus wieder in Frage gestellt und erkämpfte Rechte abgebaut wurden, z. B. durch Sozialabbau etc. unter Mitwirkung von SPD und Grünen, z. B. durch Hartz IV in Deutschland. Bis zur Verabschiedung des neuen Grundsatzprogramms hat es gedauert, bis unsere Partei die Konsequenzen daraus gezogen hat und sich für ein Grundeinkommen/Grundsicherung einsetzt. Dabei hat sich auch hier durch den Neoliberalismus der letzten Jahrzehnte die gesellschaftliche Realität dramatisch verändert. Stichworte dafür sind: Mini- und Midilohnjobs, Hartz IV-Sanktionssystem, 2/3-Gesellschaft etc.). Bei der weltweiten Finanzkrise – ausgelöst durch einen entgrenzten neoliberal deregulierten Finanzmarkt – übrigens eine zweite Fehlentscheidung der rot-grünen Regierungszeit durch Deregulierung des Finanzmarktes hier mit katastrophalen Auswirkungen – bestätigte sich für das Finanzmarktsystem die Theorie des staatsmonopolistischen Kapitalismus. Ohne die hunderte Milliarden Staatshilfen zur Rettung des Bankensystems wäre der neoliberale Kapitalismus zusammen gebrochen, wie von Marx/Engels vorausgesagt, was schlimmere Auswirkungen gehabt hätte als in der Weltwirtschaftskrise ab 1929. Die finanziellen Folgen werden bis heute den unteren Einkommensschichten und den ärmeren Ländern in Europa aufgebürdet (z. B. Verarmung in Griechenland (GR) durch die Troika (Lohnkürzung im Durchschnitt um 30 %, Zusammenbruch der öffentlichen Infrastruktur wie Krankenhäuser etc. durch die von der Troika erzwungen Sparmaßnahmen, wobei die im Gegenzug GR zur Verfügung gestellten Kredite zu mehr als 90 % wieder z. B. an die Deutsche Bank fließen, um Kredite zu tilgen. Soweit eine kurze Analyse zu den verheerenden Auswirkungen des Neoliberalismus in Europa und in den Industrieländern.
Dabei ist der schwedische Modehändler nicht der einzige, gegen die sich die Vorwürfe richten. Auch Zara, Primark, C&A, Aldi, Lidl und Tchibo tauchen auf einer Liste auf, die Amin und seine Mitstreiterinnen mitgebracht haben. Ihr Vorwurf gegen die Konzerne wiegt schwer: ´Die multinationalen Handelsunternehmen geben Preise, Produktionsmenge, Lieferfristen und Qualitätsstandards vor und sind damit unmittelbar für Arbeitsbedingungen und Löhne bei ihren Zulieferern verantwortlich`, sagt Amin. Gemeinsam fordern die Gewerkschaften nun H&M und andere Handelsketten auf, mit halbwegs fairen Preisen wenigstens für existenzsichernde Löhne und die Durchsetzung grundlegender Arbeitnehmerrechte zu sorgen.“ (siehe z. B. FR Globalisierung – Bangladesch bleibt Bangladesch: https://www.fr.de/wirtschaft/bangladesch-bleibt-bangladesch-11081896.html und DGB: https://www.dgb.de/themen/++co++21994642-00a8-11ea-9b68-52540088cada). Die von der Bundesregierung und den Konzernen präferierten sog. Selbstverpflichtungen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. (s. auch Bundeszentrale für politische Bildung: https://www.bpb.de/internationales/weltweit/menschenrechte/38751/textilindustrie?p=all)
Dabei würde sich der Verkaufspreis bei sozial-gerechten Löhnen und der Durchsetzung von Umweltstandards, z. B. für Textilien nur geringfügig erhöhen. Es geht also um die Erhöhung der Profitrate und Gewinnmaximierung der transnationalen Konzerne, was zu Hunger und Verelendung in diesen Ländern führt. Diesbezüglich müssen wir hier für Veränderung kämpfen, um den Menschen dort ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Für Billig-Klamotten, z. B. ein No-Name-Shirt, das in einem deutschen Geschäft für 4,95 Euro losgeschlagen wird, wird noch ein Profit von 13 Prozent erzielt. Der Lohnanteil der asiatischen Näherinnen an den Kosten beträgt dagegen nur etwa 2,6 Prozent. Wirtschaftsnobelpreisträger Mohammad Yunus, einer der berühmtesten Bangladescher, schreibt, die Textilarbeiter in Bangladesch leben unter Bedingungen wie europäische Arbeiter zu Beginn der Industrialisierung. Länder wie Bangladesch erzielen ca. 80 % ihre Exporterlöse mit der Textilproduktion; sie befinden sich de facto in Leibeigenschaft der transnationalen Textilkonzerne. (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/textilindustrie-in-bangladesch-arbeiten-und-sterben-im-faserland-1.1661365-2 und (s. auch Kampagne für saubere Kleidung: https://saubere-kleidung.de/2019/06/existenzsichernde-loehne-indonesien/)
Wir müssen den bisherigen Prozess der Globalisierung in Frage stellen. Einerseits müssen regionale sozial-ökologisch Kreislaufsysteme wieder hergestellt werden bei Produktion und Beschaffung (z. B. Anbau ökologisch-nachhaltiger Nahrungsmittel in Brandenburg für die Metropole Berlin) und anderseits müssen wir viel härter dafür kämpfen, dass globale Lieferketten ökologisch und sozial transformiert werden. Erstens muss ein Lieferkettengesetz so gestaltet werden, das die Konzerne in Europa und hier gezwungen und auch hier verklagt werden können, damit sie ökologische und soziale Mindeststandards vor Ort in den Produktionsstätten einhalten und zweitens ist es unbedingt erforderlich, bilaterale Handelsverträge (wie TTIP, Mercosur etc.) nur zu vereinbaren, wenn ökologische und soziale Mindeststandard vor Ort eingehalten und durchgesetzt werden. Auch ein Boykott von Produkten und europäische Handelssanktionen wie im Fall von Brasilien, das den Regenwald für den Soja-Anbau abholzt, welches zum großen Teil an europäische Tiere zur Fleischproduktion verfüttert wird, sind notwendig. Der Kampf muss hier von uns und v. a. auch in Deutschland und Europa geführt werden. Deutschland gehört zu den stärksten Industrieländern der Welt, wenn wir hier die sozial-ökologische Transformation erkämpfen, kann auch weltweit der neoliberale Kapitalismus transformiert, die weitere Zerstörung von Lebensräumen gestoppt und damit auch weitere Pandemien verhindert werden. Gleichzeitig müssen weltweite Organisationen wie der IWF und die WTO auf die sozial-ökologische Transformation und den Schutz von Lebensräumen verpflichtet werden, um die Zerstörung des Planeten und den Klimawandel aufzuhalten. Da allen voran die USA mit Trump solche weltweiten Institutionen und Vereinbarungen torpediert haben und auf Handelskriege setzten, gab es diesbezüglich keine internationale Kooperation, sondern wurde versucht, das Recht des Stärkeren durchzusetzen. (s. auch zum Klimawandel: „Der Planet ist kaputt“ UN-Chef António Guterres macht Staaten schwere Vorwürfe“ in: https://www.fr.de/politik/un-klimawandel-klimaschutz-antonio-guterres-planet-erde-zerstoerung-staaten-new-york-90120297.html)