von Martina Knappert-Hiese
Ein globales BÜNDNIS 2050 für eine balancierte Globalisierung und eine ökosoziale Weltwirtschaft
Dem globalen Wirtschaften und gesellschaftlichen Miteinander fehlen die regelnden Rahmensetzungen, die in multinationalen Abkommen festgelegt werden müssen, weil die Globalisierung dazu beiträgt, dass die Schere zwischen Arm und Reich national sowie international weiter auseinanderdriftet. Da sich trotz Agenda 21 (UNCED 1991 in Rio) und der Erklärung der Milleniums-Entwicklungsziele (2002) die globale Gesamtsituation permanent verschlechtert, müssen wir dringend handeln und die Weichen für eine soziale und ökologische Weltwirtschaft stellen. Wir Bündnisgrünen erkennen an, dass es globaler Regeln bedarf, um die Herausforderungen der Zukunft lösen zu können. Wir unterstützen Bemühungen, die zu einer ökosozialen Weltwirtschaft führen. Deshalb fördern wir alle Diskussionen und Diskurse, die dahin führen. Wir wollen über die globalen Mechanismen und Zusammenhänge aufklären und eine breite Allianz positiver Kräfte in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vereinen.
Zahlreiche Probleme sind auf fehlende globale Rahmenbedingungen zurück zu führen. Lokales Handeln ist längst nicht mehr ohne globales Denken möglich, da es vielfach globalen Zwängen unterliegt. Das kollektive Wollen des Guten und Richtigen ist lokal und national nicht mehr im Alleingang umsetzbar. Das Falsche wird durch globale Rahmenbedingungen häufig belohnt, das Gute benachteiligt. Deshalb fordern wir Bündnisgrüne einen politischen Diskurs, in dem die Schwierigkeiten offen beim Namen genannt werden. Die Zeit der einfachen Lösungen ist längst endgültig vorbei. Wir fordern eine konsequente politische Doppelstrategie, um den wechselseitigen Abhängigkeiten nationaler und internationaler Erfordernisse sachgerecht begegnen zu können.
Bündnis 90/Die Grünen fordern:
1.) dass ökologische und soziale Kriterien in unserem Weltwirtschaftssystem eine stärkere Rolle spielen. Wir wollen, dass im internationalen Handel ökologisch und sozial verträgliche Güter bevorzugt werden gegenüber Produkten, die aufgrund umweltschädlicher und sozial problematischer Bedingungen zu einem geringeren Preis angeboten werden können. Wir befürworten Regulierungsmaßnahmen, die diese Ziele berücksichtigen und erteilen dem bedingungslosen Freihandel eine Absage. Handel darf mittel- bis langfristig nur noch innerhalb zu definierender ökologischer und sozialer Leitplanken stattfinden.
2.) dass Entwicklungs- und Schwellenländer, deren Ressourcenproduktivität häufig geringer ist und die oft niedrige Umwelt- und Sozialstandards haben, keine erhebliche Einbußen im internationalen Handel hinnehmen müssen, wenn sie nach denselben Umwelt- und Sozialstandards wie die Industrieländer produzieren müssen. Deswegen muss auf internationaler Ebene ein Fonds geschaffen werden, der den Entwicklungs- und Schwellenländern die Nachteile ausgleicht, die durch höhere Umwelt- und Sozialstandards entstehen. Der Fonds könnte an dem europäischen Strukturfonds orientiert und sollte durch globale Steuern finanziert werden. In Europa trägt der Strukturfond dazu bei, dass regionale Unterschiede bei der Wirtschaftsleistung ausgeglichen werden, indem z.B. (Infra-)Strukturverbesserungsmaßnahmen finanziert werden. Ein Fonds auf internationaler Ebene, der Entwicklungs- und Schwellenländern entstehende Nachteile bei der Einführung sozialer und ökologischer Kriterien ausgleicht, sollte aber auch aus internationalen Steuern finanziert werden (Siehe Punkt 3 bis 5).
3.) dass eine Terra-Tax auf den globalen Handel mit Gütern und Dienstleistungen eingeführt wird. Deutschland sollte eine Vorreiterrolle innerhalb der EU spielen und sich für die längst überfällige Umsetzung dieses wichtigen Steuerungs- und Finanzierungsinstrumentes stark machen.
4.) dass eine Besteuerung aller Finanztransaktionen und aller „innovativen Finanzierungsinstrumente“ erfolgt. Dies gilt auch für die Transaktionen, die bisher außerhalb der Reichweite nationalstaatlicher Behörden sind. Umgehungsmöglichkeiten müssen beseitigt und verhindert werden. Auf europäischer Ebene wollen wir durchsetzen, dass das nahezu steuerfreie Parken von Kapital in Steueroasen wie z.B. Liechtenstein oder den Cayman-Islands zukünftig nicht mehr möglich ist. Wir fordern außerdem, dass untersucht wird, ob die Einführung der so genannten „Mehrgeldsteuer“ (leverage money tax) Sinn macht und administrativ umsetzbar ist. Sie wird immer dann erhoben, wenn es auf dem internationalen Finanzmarkt zur Neuschöpfung von Kreditgeld kommt.
5.) dass Kerosin angemessen besteuert wird. Die bisher fehlende Besteuerung führt zu einem unlauteren Wettbewerb zwischen den Fluggesellschaften. Die Transportpreise im Luftverkehr entsprechen nicht den tatsächlichen ökologischen Kosten. Sie führen dazu, dass der Handel über weite Strecken begünstigt wird und der lokale sowie regionale marktnahe Handel sich nur ungenügend herausbilden kann. Höhere Transportpreise würden lokale und regionale Strukturen begünstigen und so helfen, fossile Brennstoffe zu sparen. Es macht aus unserer Sicht z.B. keinen Sinn, Kartoffeln aus Israel zu importieren, wenn diese die dortige Wasserproblematik verschärfen, mehr fossile Energie benötigen und hier umweltschonender hergestellt werden könnten.
6.) dass kulturelle Traditionen in der Entwicklungszusammenarbeit beachtet werden. Deswegen fordern wir den Ausbau von gleichberechtigten Partnerschaften und mehr Autonomie, wenn die Empfängerstaaten vertrauenswürdig sind. Zivilgesellschaftliche Gruppen mit Erfahrung vor Ort müssen besser eingebunden und an der Umsetzung entwicklungspolitischer Vorhaben stärker beteiligt werden. Dies gilt gerade für die Korruptionsvermeidung, die bisher leider oft vernachlässigt wird und zahlreiche Entwicklungsprozesse hemmt. Die Aufträge in der Entwicklungszusammenarbeit müssen zukünftig unter Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien öffentlich ausgeschrieben und die Verwendung der Mittel kontrolliert werden.
7.) dass Bildung und der Aufbau von sozialen Sicherungssystemen als globale Herausforderungen angesehen werden. Wichtigste Voraussetzung sowohl für den sozialen Frieden als auch für eine gerechte Globalisierung ist und bleiben funktionierende Bildungs- und Sozialsysteme. Wir fordern deshalb umfangreiche Investitionen in Bildung und die soziale Sicherheit, damit die unausweichlichen gesellschaftlichen Veränderungen mit den daraus resultierenden individuellen Unterschieden weitestgehend abgefedert werden. Darauf sollten sich die internationale Entwicklungszusammenarbeit und die nationalen Politiken konzentrieren, die die Hauptverantwortung für das Funktionieren der Bildungssysteme tragen.
8.) dass auf EU-Ebene das Problem der international ungenügend geregelten Finanzmärkte offensiver diskutiert wird und notwendige Regulierungen gemeinsam mit der Zivilgesellschaft erarbeitet und umgesetzt werden. Es hat sich gezeigt, dass die Konkurrenz zwischen und innerhalb der Wirtschafts- und Währungsräume zu einem Abwärtswettlauf führen kann, der unseren Gemeinwesen schadet. Insbesondere die Konkurrenz der Steuersysteme unterminiert die Finanzierungsbasis unserer Sozialsysteme und zahlreicher öffentlicher Leistungen. In der Folge sinken die ökonomische Leistungsfähigkeit mancher Gesellschaften und die soziale Sicherheit. Diese Entwicklungstendenz können wir nur stoppen, wenn die Politik verbindliche Rahmenbedingungen in den entsprechenden Wirtschaftsräumen und dem Weltfinanzmarkt schafft. Wir brauchen eine Harmonisierung der Steuerbemessungsgrundlagen und der Steuersätze, eine Ausgrenzung der Steueroasen z.B. durch wirksame Kapitalverkehrskontrollen, die Einschränkung des Bankgeheimnisses, eine staatliche Regulierung aller Handelsplattformen und aller Bilanzierungsregelungen.
9.) dass Arbeitslose, Hartz-IV-EmpfängerInnen und andere Benachteiligte bessere Chancen haben, sich in die Gesellschaft zu integrieren. Dazu benötigen sie neben einer finanziellen Unterstützung, wie z.B. durch ein Grundeinkommen, auch ein Bankkonto, das ihnen von den Banken kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Freisetzung menschlicher Kreativität erfordert u.U. auch den Zugang zu Kapital. Deshalb drängen wir darauf, dass deutsche Banken verpflichtet werden, Angebote für zinsgünstige Mikrokredite bereit zu stellen. Nur wenn die Hürden nicht zu hoch sind, die im heutigen Wirtschaftssystem noch zu Ausgrenzungen führen, werden neue Ideen ausprobiert und Entwicklungen angestoßen. Zum einen würden Mikrokredite das innovative und kreative Wertschöpfungspotential der BürgerInnen unterstützen, zum anderen lassen sich Synergieeffekte in Verbindung mit einem Grundeinkommen generieren, die den unvermeidlichen Systemwechsel voran bringen können.
10.) dass die Gender-Perspektive in allen Globalisierungs-Diskursen angemessen beachtet wird. Unter den sich dramatisch zuspitzenden Lebensbedingungen auf dem Globus leiden Frauen auf der Südhalbkugel momentan im Besonderen, weil ihnen die Organisation des familiären Alltags traditionell oft alleine obliegt. Bei uns gehören allein stehende Rentnerinnen und allein erziehende Mütter zu den größten Verliererinnen des deutschen Sozialsystems, an dessen unterem Rand immer mehr Leute von Ausgrenzung und Abstieg bedroht sind. Auch im 21. Jahrhundert werden internationale Auseinandersetzungen noch immer über Frauenkörper ausgetragen, da Massenvergewaltigungen nach wie vor eine beliebte Kriegsstrategie darstellen. Ein Weltvertrag kann ohne Rekurs auf die Geschlechterperspektive nicht gefunden werden. Wir setzen uns dafür ein, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse in unterschiedlichen Fachdisziplinen, die aufgrund feministischer Fragestellungen seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts zur Analyse der spezifischen Rolle der Frau beigetragen haben, endlich auch Eingang in den Globalisierungsdiskurs finden.
Begründungen:
Zu 1) und 2)
Weil wir längst wissen, warum sich die Lebensbedingungen auf dem Globus unter dem ungebremsten Bevölkerungswachstums (2050: 10 Mrd. ErdbewohnerInnen) auch in den reichen Industrieländern für die sozial Benachteiligten stetig verschlechtern, bedarf es einer sofortigen Regulierung des Weltfinanzsystems. Es kann nicht sein, dass Länder wie Deutschland mit einer prinzipiell richtigen öko-sozialen Ausrichtung systemisch zu einer Neuverschuldung gezwungen werden, um die primär notwendigen Aufgaben der öffentlichen Hände überhaupt noch finanzieren zu können. Neuverschuldung, Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und falsche Einsparungen bilden eine gefährliche Trias, die es den kommenden Generationen zunehmend schwerer machen wird, überhaupt noch nachhaltig richtige Entscheidungen treffen zu können.
Bündnis 90/ Die Grünen erwarten deshalb ein konsequentes Umdenken in der Finanzpolitik! Uns allen ist klar, dass richtige Entscheidungen für eine zukunftsfähige Finanz- und Ausgabenpolitik nicht ohne Regulierung des globalen Geld- und Kapitalmarktes zu treffen sind. Deshalb fordern wir die EU dringend zur Setzung entsprechender Rahmenbedingungen auf! Es ist unbedingt zu vermeiden, dass die auf dem „globalen Schwarzmarkt“ erwirtschafteten Profite legal und unversteuert auf irgendwelchen Konten außerhalb der EU verbucht werden. Diese auf Kosten eines Gemeinwesens – nämlich ohne es angemessen mitzufinanzieren – erwirtschafteten Erträge bleiben ohne jeglichen Nutzen für Staat und Gesellschaft. Dieses Kapital dient zudem häufig einer weiteren Profitmaximierung, wenn es auf dem internationalen Finanzmarkt in diversen Anlagefeldern weiter vermehrt wird. Wir fordern deshalb die Prüfung der Mehrgeldsteuer, damit die Gewinne aus dem Investmentbanking und aus anderen Geldschöpfungsprozessen (gerade für „gehebelte“ Geschäfte) nicht unversteuert den Globalisierungsprofiteuren zufließen. Ob die vorerst auf EU-/Euro- und später auch auf UN-Ebene einzufordernden Steuern dann zur Co-Finanzierung von Entwicklungsländern oder in Fördermaßnahmen für Mittelstandsbetriebe eingesetzt werden, darüber werden die politisch Verantwortlichen der beteiligten Länder jeweils zu diskutieren haben. Im Konkreten wird der Vorschlag doppelstrategischer Entscheidungen abzusprechen sein, ohne die es zu keinen globalen Verbesserungen kommen kann. Eine gerechte Weltordnung ist zwingend auf die erfolgreiche Implementierung von Rahmenbedingungen für ein reguliertes Weltfinanzsystems angewiesen. So müssten bspw. die aktuellen politischen Maßnahmen, die als Reaktion auf die explodierenden Nahrungsmittel- und anderen Rohstoffpreise getroffen werden, auch an die Bedingung einer Finanzierung über eine globale Abgabe auf spekulative Kontrakte an den Waren-Terminbörsen gekoppelt werden. Die mit einem Weltvertrag zu erwartende Re-Regionalisierung des Wirtschaftens benötigt insbesondere eine faire Besteuerung aller am öko-sozialen Markt agierenden Marktteilnehmer. Uns ist dabei klar, dass es auch eines neuen Wachstumsbegriffes bedarf, um die Bedürfnisse von 10 Mrd. Menschen nachhaltig befriedigen zu können. Wir lehnen idealistische Konzepte ab, die sich grundsätzlich wider jegliche Art von Wachstum richten. Es ist aber zwingend erforderlich zu beachten, dass das globale BIP nur in dem Maße wächst, wie es unter der Beachtung der ökologischen Nachhaltigkeit verträglich bleibt. Für den Aufholprozess der ärmeren Länder müssen nachhaltige Bedingungen unbedingt eingehalten werden. Wir erkennen an, dass keine nachhaltige Zukunft ohne ein verträgliches Wachstum passieren wird, weil eine Angleichung der Daseinsbedingungen auf dem Planeten ohne verträgliches Wachstum überhaupt nicht stattfinden kann.
Zu 3 und 4)
Co-Finanzierung von Infrastrukturmaßnahmen in Entwicklungsländern ist ohne Kapital nicht machbar. Zwingend notwendig ist es deshalb, den Diskurs um die bekannten Finanzierungsinstrumente Terra- und Tobin-Tax vehement weiter zu führen und auch nach alternativen Instrumenten zu suchen. Wir wollen uns dafür einsetzen, dass die wirtschaftliche und politische Bewertung dieser fiskalischen Instrumente nicht ausschließlich auf einer diskursiven Basis erfolgt, die marktwirtschaftliche und neoliberale Begründungsmuster anführt und derartige globale Steuern als Wettbewerbs-Hindernisse kategorisiert. Wir Bündnisgrünen haben längst erkannt, dass gesunder Wettbewerb vor allem nationale und internationale Rahmenbedingungen erfordert, die den Handelspartnern eine Begegnung auf Augenhöhe ermöglichen. In wirtschaftspolitischen Diskussionen gerät die sozialpolitische Perspektive schnell aus dem Blick. Dies ist aber die entscheidende Grundlage für Chancengleichheit und damit Gerechtigkeit. Fehlende Mittel für soziale Infrastrukturen stellt das Weltfinanzsystem uns momentan zwar über billige Kredite zur Verfügung, doch eine nachhaltige Lösung hat auf Neuverschuldung zwingend zu verzichten. Fiskalische Instrumente wie die Mehrgeldsteuer leisten einen erheblichen Beitrag dazu, dass die leeren Staatskassen von denjenigen wieder gefüllt werden, die ökonomisch aufholen können und auch von der Globalisierung profitieren sollten. Die mit der Mehrgeldsteuer angestoßene Entwicklung würde dafür sorgen, dass die Steuergerechtigkeit und -Fairness wieder „auf die Füße“ gestellt wird. Letztlich bleibt die Frage, wie es gelingen kann, allen Menschen gesellschaftliche Teilhabe und alle notwendigen materiellen Lebensgrundlagen zuzusichern, damit sie „leistungsfähig“ (=überlebensfähig) bleiben und der bisherigen Systemrationalität aus dem unregulierten Dreiergespann Konkurrenz, Wettbewerb und Macht selbst bestimmt standhalten können. Das Problem bleibt, dass wir nachhaltige Lösungen letztlich nur mit einem vollständigen Systemwechsel erzielen werden.
Zu 5)
Sinnvolle und hilfreiche Co-Finanzierungsinstrumente, die einer Verbesserung der ökologischen Gesamtsituation des Planeten zugute kommen, sind zum Beispiel Verzichtserklärungen, wie sie unlängst von Venezuela erstmalig ausgesprochen wurden. Das Land will sich verpflichten, auf die Ölförderung in einem Naturschutzgebiet zu verzichten, wenn es für die entgangenen Einnahmen entschädigt wird. Man könnte z.B. Co²-Zertifikate anbieten, wenn diese in dem entsprechenden Entwicklungsland der Einhaltung von ökologischen Standards dienen. Dadurch wird jedoch unsere ohnehin schon teure Energie weiter verteuert. Ohne pro-Kopf-gleiche Emissionszertifikate werden wir die Weichen für eine balancierte Globalisierung heute jedoch kaum noch stellen können. Dieses Beispiel eignet sich zudem, um die eingangs genannte Doppelstrategie näher zu erläutern. Internationale Notwendigkeiten erfordern auch eine Bereitschaft zu eigentlich unbequemen nationalen Veränderungen, wie sich am aktuellen Beispiel der Energiekrise besonders gut darstellen lässt. Da nur die wenigsten bisher zum Verzicht bereit sind und das Einsparpotential von Entwicklungsländern hinsichtlich der globalen Gesamtbilanz viel zu gering ist, setzen wir Bündnisgrünen auch auf technische Innovationen, für die wir im Bereich der Erneuerbaren Energien, der Einspar- und Effizienzpotentiale schon vieles auf den Weg gebracht haben.
Zu 6)
Ein Weltvertrag wird sich nur unter Anerkennung bestehender kultureller Unterschiede verabschieden lassen. Eine Gleichberechtigung der Kulturen erordert eine gegenseitige Akzeptanz der jeweiligen Bräuche und Traditionen, wozu eine erhöhte Sensibilität unbedingt notwendig ist. Entwicklungshilfe- und Co-Finanzierungsprojekte sollen eine gerechte Weltordnung entstehen lassen, die die Voraussetzungen für eine verbindliche Weltinnenpolitik schafft. Dieser von Carl Friedrich von Weizsäcker geprägte Begriff beschreibt im Prinzip den politischen Prozess, der für eine doppelstrategischen Ausrichtung aller Maßnahmen gefunden werden muss. Das erfordert eine gründliche Auseinandersetzung mit allen politischen Themenfeldern, die jeweils auf ihre nationalen und internationalen Auswirkungen hin bewertet und beurteilt werden müssen. Doch uns Bündnisgrünen ist klar, dass es dazu keine Alternativen gibt! So hat sich z.B. gezeigt, dass trotz ernsthaftem Bemühen (Nutzung von Agro-Treibstoff zur Verminderung der CO²-Emissionen) unerwünschte und pathologische Synergieeffekte kaum auszuschließen sind. Politik wird dazu übergehen und anerkennen müssen, dass sich unerwünschte pathologische Synergien nur unter der Bedingung einer durchgeführten umfangreichen Systemanalyse vermeiden lassen. Als ein wichtiges Ziel dieser anzustrebenden Vorgehensweise wird sich früher oder später hoffentlich die Ratifizierung eines Weltvertrages ergeben. Bündnis 90/ Die Grünen erkennen diese wichtige Aufgabe als erste Partei im deutschen Parlament an, weil wir längst um die Bedeutung paradigmatischer Veränderungen wissen. Die Aufgabe der nachhaltigen Zukunftsgestaltung wird letztlich nur innerhalb der funktionierenden Multitude unter Global Governance Strukturen lösbar sein. Es gibt schon heute (fast) Weltverträge (z.B. WTO, IMF, ILO, UN etc)! Sind aber nicht aufeinander abgestimmt und haben unterschiedliche Durchsetzungskraft, widersprechen sich in wichtigen Punkten gelegentlich. Die europäischen Grünen sollten deshalb dringend einen globalen „Konsistenzprozess“ initiieren, in dem darauf zu drängen ist, dass die legitimierten ökologischen und sozialen Standards in allen Weltvertragsteilen sich nicht widersprechen und ihre Einhaltung überwacht und ein Verstoß auch wirkungsvoll sanktioniert werden kann.
Zu 7)
Deutschlands globale Wettbewerbsfähigkeit hängt primär von Investitionen auf dem Bildungssektor ab. Dass unser dreigliedriges Schulsystem eine gesellschaftliche Realität des 19. Jahrhunderts widerspiegelt und sich zudem jährlich bis zu 20% der SchulabgängerInnen ohne Abschluss auf dem Arbeitsmarkt bemühen, zeugt von einer unerklärlichen Ignoranz der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass die Zahl der ungeplanten Schwangerschaften insbesondere in der Gruppe junger und schlecht ausgebildeter Frauen überproportional zunimmt. Müttern und Kindern droht der soziale Abstieg, verbunden mit gesteigertem Krankheitsrisiko und negativen Zukunftschancen. Aus der Hirnforschung ist längst bekannt, dass sich so genannte Metakompetenzen wie Empathiefähigkeit oder vernetztes Denken innerhalb des Unterrichts nicht vermitteln lassen. Damit Menschen diese neuronalen Anlagen entwickeln können, brauchen sie ein funktionierendes soziales Umfeld. Das bisherige Schulsystem ist weit davon entfernt, die so genannten überlebenswichtigen soft skills entsprechend zu fördern, da es primär die Selektion der SchülerInnen nach Herkunft festschreibt. Deutschlands Zukunftsfähigkeit in einer globalisierten Welt kann nur von Menschen sichergestellt und aufrechterhalten werden, die sich zu den Notwendigkeiten eines übergeordneten Vertragswerkes bekennen und dieses zu kommunizieren wissen. Unser Land nimmt schon heute eine wirtschaftliche Vorreiterrolle ein, weshalb wir uns zu unserer Verantwortung hinsichtlich der notwendigen Globalisierungsgestaltung bekennen müssen. Wir Bündnisgrünen sind uns dieser globalen Aufgabe bewusst und setzen uns dafür ein, dass wir mit unserem Bekenntnis zum Weltvertrag auch einen Parteien übergreifenden Diskurs im deutschen Parlament initiieren.
Zu 8)
Inzwischen ist es national und international mehr als offensichtlich, dass die Ungleichheit sowohl in den reicheren Ländern selber als auch zwischen den verschiedenen Staaten weiter zunimmt. Diese extrem ungleiche Teilhabe bei wachsender Gesamtzahl der Menschen führt zu einer „Brasilianisierung“ der Welt. Wir leben dann in einer Zwei-Klassen-Gesellschaft, in de „gleiches Recht für alle“ nicht gilt. Die Würde des Menschen bleibt auf der Strecke, u.a. auch, weil dann dem jetzt schon überdeutlich zu Tage tretenden Hass, Gewalt und Terror mit massiven eingriffen begegnet werden muss. Diese ist sicherlich nicht die Wunschzukunft für die Mehrheit der Menschen, kann aber durchaus für die „Eliten“ attraktiv sein – manifestiert doch längst eine globale Feudalstruktur mit wenigen „Herren“ und vielen äußerst preisgünstigen „DienerInnen“. Die Entwicklung kann nur aufgehalten werden, wenn wir uns heute zur Notwendigkeit eines Weltvertrags bekennen, damit die Rahmenbedingungen zukünftig so gestaltet werden können, dass richtiges Handeln belohnt wird.
Zu 9)
Den gesellschaftlichen Abstieg benachteiligter Bevölkerungsgruppen zu vermeiden, ist oberstes Ziel GRÜNER Sozialpolitik. Mikrokredite haben sich längst nicht nur in Entwicklungsländern als positive Instrumente für einen potentiellen Marktzugang erwiesen, sondern können inzwischen auch in Städten wie New York oder London in Anspruch genommen werden. Über ein eigenes Bankkonto verfügen zu dürfen, bedeutet für viele Arbeitslose und Hartz-IV-EmpfängerInnen einen ersten Schritt hin zu einem Leben in „gesellschaftlicher Normalität“. Deshalb fordern wir dazu auf, Richtlinien für die Vergabe von Kleinstkrediten zu formulieren. Die Banken müssen darüber hinaus dazu verpflichtet werden, auch Mittellosen und TransferleistungsempfängerInnen eine kostenlose Kontoeröffnung zu ermöglichen. Es wird zu prüfen sein, ob die entsprechenden Aufwandsentschädigungen bzw. das Kapital zur Kreditvergabe aus Mitteln des historischen Marshallplanes generiert werden kann, die heute von der KfW verwaltet werden. Angesichts einer zunehmenden sozialen Schieflage, sowohl im reichen Norden als auch im veramten Süden, wird es immer wichtiger, dass alle Menschen tatsächlich einen Marktzugang (=Bankverbindung) erhalten, um ihr Leben selbst bestimmt gestalten zu können. Nicht nur für die Bevölkerungen in Entwicklungsländern, sondern auch für diejenigen, für die die Maschen unseres Sozialsystems schon lange zu groß sind, brauchen wir Banken, die auf der Basis von Mikrokrediten Geschäftsideen würdigen, die sonst als förderungsunwürdig gelten. Dass aktuell zahlreiche EmpfängerInnen sozialer Transferleistungen in Deutschland über kein eigenes Bankkonto verfügen, kann auch als Beleg dafür gewertet werden, dass das Bankenwesen kapituliert. Und zwar vor seiner auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Arbeitsweise, die den Verantwortlichen die Einsicht verbietet, dass sie ihre eigene Geschäftsfähigkeit nur auf der Basis realer Einkommen von möglichst vielen BürgerInnen werden beibehalten und ausbauen können. Wer primär Renditesteigerung von Aktionären verfolgt und bei Verlusten den Staat zur Verantwortung ziehen will – Ackermann forderte unlängst bessere staatliche Regulierungsmechanismen – der vergisst, dass unter ungeregelten Weltmarktbedingungen die Gruppe der VerliererInnen automatisch stetig weiter anwächst.
Zu 10)
Mit unserem Frauenstatut sind wir Bündnisgrünen noch immer die einzige bundesdeutsche Partei, die sich explizit für die Beteiligung von Frauen am politischen Prozess einsetzt. Nach wie vor gibt es keine vollständige Gleichberechtigung in der bundesdeutschen Gesellschaft, da z.B. die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft noch immer keine Selbstverständlichkeit ist. Auch ist in unserem bundesdeutschen Bildungssystem der derzeitige Bildungsvorteil in den Schulabschlüssen, den die Mädchen haben, leider immer noch nicht beruflich umsetzbar. Insbesondere auch im Hochschulbereich sind die gläserne Decke und die Benachteiligungen von Frauen eklatant. Außerdem fehlt neben der freiwilligen Verabredung der Wirtschaft mit der Politik noch immer ein Gesetz zu Frauenförderung im wirtschaftlichen Bereich. Eine frauenpolitisch problematische Situation ist auch darin zu sehen, dass es nach wie vor keine eigenständige Existenzsicherung für Frauen in allen Lebensphasen gibt und dass viele Männer die Rolle des Alleinverdieners einzunehmen haben. Dass sich die Abwesenheit des Vaters und die fast ausschließliche Betreuung durch Frauen (Mütter zu Hause, Lehrerinnen und Erzieherinnen in Grundschule und Kindergarten) negativ auf die gesunde psycho-soziale Entwicklung von Jungen auswirkt, wird in der politischen Diskussion noch immer gerne ausgeklammert. Frauen gelten beim Wieder-Einstieg in den Beruf dann lediglich als Zuverdienerinnen und werden durch die Einstufung in Steuerklasse V benachteiligt. Und In der medizinischen Forschung steht noch immer der Mensch (=der Mann?!) beispielhaft im Mittelpunkt, obwohl längst bekannt ist, dass Frauen anders als Männer auf Medikamente reagieren. Aus der Neurobiologie wissen wir inzwischen auch, dass Frauengehirne durch die hormonellen zyklischen Schwankungen anders als Gehirne von Männern strukturiert sind. Bisher werden diese Unterschiede weder hinreichend erforscht, geschweige denn zur Grundlage für notwendige gesellschaftspolitische Veränderungen gemacht. Der Pharmamarkt stellt zwar Viagra zur Verfügung, aber die Pille für den Mann ist noch nicht ausreichend erforscht, um zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit wie die so genannte Anti-Baby-Pille für Frauen zu werden. Diese Beispiele aus dem bundesdeutschen Alltag verdeutlichen schon sehr umfangreich, dass eine nachhaltige Veränderung der menschlichen Lebensgrundlagen ohne Beachtung der Gender-Perspektive nicht realisierbar sein wird. Unzählige Beispiele für eine „systemimmanente“ Diskriminierung von Frauen aus anderen Ländern ließen sich hier selbstverständlich anführen, worauf aber verzichtet wird.
UnterstützerInnen
Martina Knappert-Hiese (KV Bodensee)
Karl-Wilhelm Koch (KV Vulkaneifel)
Heinrich Lorenz (Kreisvorsitzender KV Nordhausen/Thüringen)
Max Burger (KV Rottweil)
Merfin Demir (KV Mettmann)
Richard Janus (Sprecher LAG ChristInnen Thüringen, RV Wartburgkreis/ Stadt Eisenach)
Anselm Laube (KV Goslar)
Hanna Tlach (KV Konstanz)
Gabriela Schuchalter-Eicke (KV Wiesbaden/ stellv. Sprecherin BAG Frauen)
Manfred Kern (KV Rhein-Neckar-Hardt)
Matthias Schneider (KV Duisburg)
Ralf Striecker (KV Hamburg-Nord)
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