Offene Mail an Jürgen Trittin

Lieber Jürgen Trittin,
im Nachgang zur Diskussionsveranstaltung von gestern, möchte ich dir doch einige Fragen stellen, die im Verlaufe der Diskussion zu kurz kamen.
Zwar hast du beständig das Dilemma in Afghanistan diskutiert und zahlreiche Beispiele angeführt, die dieses Dilemma beschreiben.

Hinsichtlich des Vorgehens der GRÜNEN Bundestagsfraktion allerdings, mit welchen Mitteln sie und gerade auch du persönlich sich für einen Strategiewechsel einsetzen werden, wie er übereinstimmend von allen Diskussionsteilnehmer/innen gefordert wurde, gerade auch vom Podium, hast du, wenn ich es richtig erinnere, gesagt:
„Mit ‚Nein‘ kann (man?) ich nicht stimmen, weil dies das Signal zum Abzug wäre.“
Wolfgang Strengmann-Kuhn (MdB, Nachrücker, Hessen), der sich als Abgeordneter auf die Frage nach dem anstehenden Abstimmungsverhalten zur Mandatsverlängerung direkt angesprochen fühlte, hat diese Frage für sich anders beantwortet. Er könne nach Lage der Dinge einer weiteren Verlängerung eines ISAF-Einsatzes nicht zustimmen. Ich nehme an, er wird mit NEIN stimmen.
Die Fragen, die sich daraus ergeben:
Wird die Bundestagsfraktion es den Mitgliedern der Fraktion erneut offen lassen, WIE die einzelnen Mitglieder der Fraktion hinsichtlich einer Mandatsverlängerung abstimmen werden?
Welche Empfehlung wirst du persönlich hinsichtlich des Abstimmungsverhaltens der Fraktion geben?
Wie wirst du persönlich abstimmen?
Schließlich bist du Spitzenkandidat und gewissermassen „Chef“ des „Ganzen“ – insoweit und sofern „GRÜNE“ eine solche „Funktion“ haben und wenn auch nur virtuell.
Um dem landläufig üblichen Hinweis hinsichtlich der Gewissenentscheidung von Abgeordneten aus meiner Sicht vorbeugend aufzunehmen: Die steht jeder/m Abgeordnete/n weiter offen. Deshalb kann die Fraktion selbstredend dennoch beschließen und eine Empfehlung abgeben, die dem Beschluss von Göttingen entspricht. In diesem Falle müsste ein/e abweichend abstimmende/r Abgeordnete/r sein Verhalten mit seinem Gewissen erklären. Das ist eigentlich kaum der Erwähnung wert, aber da unsere Hessischen Abgeordneten seinerzeit ihr kollektives Gewissen entdeckten, sei es zu Klarstellung erwähnt.
Angesichts einer von Omid Nouripour (MdB, Nachrücker, Hessen) vorgetragenen aktuellen Situationsbeschreibung, nach der selbst afghanische Mitarbeiter von NGO „sich mit deutschen Militärangehörigen lieber nicht mehr sehen lassen möchten“, unterstreicht diese Lagebeschreibung, dass eine Ablehnung einer Mandatsverlängerung das ist, was sich aus dem Göttinger Beschluss zwangsläufig ergibt.
Eine Ablehnung einer Mandatsverlängerung durch ein Abstimmungsverhalten mit Nein durch unsere Abgeordneten wäre auch kein „Signal zum Abzug“, wie du meintest, sondern zunächst einmal nur die Ablehnung des irrwitzigen und in zahlreichen Beiträgen auch von dir beschriebenen katastrophalen Kurses der Bundesregierung.
Übers Wochenende gingen Meldungen durch die Nachrichten, dass deutsche Spezialeinheiten im Norden Afghanistans „auf der Jagd nach Führern der Taliban“ (N24) seien. Nun ja. Was auch immer das heissen mag. Sinnvoll wäre sicherlich, wenn die Bundestagsfraktion sich über diese Jagdszenen in Afghanistan einen genauen Überblick verschaffte und die Öffentlichkeit informierte, was da genau passiert. Wahrscheinlich ist das wieder so ein „operatives Geschäft“ über welches das Parlament nicht näher informiert ist, wenn es sich denn überhaupt für solche unappetitlichen Details interessiert.
Weiters wurde bekannt, dass die Bundesregierung ein „modifiziertes Konzept“ vorlegen wird, das bisher unter Verschluss gehalten wurde. Dieses, so wird die BZ zitiert, wird allerdings hinsichtlich des militärischen Engagements kaum Neues enthalten, ausser dem alt bekannten „mehr von allem“ und „weiter so nur heftiger“, so die BZ. Da vernebelt es nur, dass ein CSU Abgeordneter auch mehr zivilen Einsatz fordert, da das für das eigentliche Papier keine Relevanz hat.
Vor diesem Hintergrund und auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, bedeutet mit „Ja“ stimmen, eben Zustimmung zu dem Konzept der Bundesregierung und Enthaltung bedeutet, man ist vielleicht nicht dafür, aber man läßt die Bundesregierung letzten Endes gewähren. Diese beiden Positionen lassen sich mit dem Beschluss von Göttingen nicht in Übereinstimmung bringen.
Die zweite Frage schliesst sich an diese Problematik an:
„Es gibt unterschiedliche Strategien, man müsse sich auf eine einigen“, waren deine Worte. In meinem darauf folgenden Einwand, dies treffe die Wirklichkeit nicht, es gäbe zwar noch zwei Strategien aber man sei auf dem besten Wege, sich auf die falsche (OEF) Strategie zu einigen, widersprachst du mit den Worten:
„Solange in den USA die Machtfrage nicht geklärt sei, sei da alles offen und man sollte erst mal den Ausgang der Wahlen abwarten, bevor man darüber urteile“.
Zunächst einmal deutet nichts wirklich darauf hin, dass ein Machtwechsel in den USA an der US-Afghanistan Politik irgend etwas ändern wird. Es sei denn du hättest da Informationen oder Hinweise, die über das hinaus gehen, was seit Monaten veröffentlicht wird. Veröffentlicht wird, dass weder Obama noch McCain irgend eine Alternative hinsichtlich des aktuellen US-Kurses aufzeigen. Im Gegenteil. Beide Politiker sehen zwar Abzugspläne für den Irak vor, nicht aber für Afghanistan. Hier soll es zu Truppenverstärkungen kommen. Es wird in US-Militärkreisen bereits offen eine Ausweitung des Krieges auf Pakistan erörtert, und zwar für das Frühjahr 2009. Die US-Wahlen sind dann gelaufen. Es wäre schon eine ziemliche Anmaßung, würden solche Planspiele ganz unabhängig vom künftigen Präsidenten erörtert. Tatsächlich hat es ja vor wenigen Tagen den ersten Übergriff auf pakistanisches Gebiet gegeben, ohne Pakistan überhaupt zu informieren. Heute wurde bekannt, dass dies bereits der zweite Übergriff war (N-TV). Die Wahrheit wird uns in Bröckchen serviert. Die Bundesregierung und das Parlament sollte via BND besser informiert sein, oder aber der Dienst taugt, scheints, eh nicht all zu viel. Kritiker meinen, den könne man getrost abschaffen.
Die Süddeutsche erhärtet meine These, dass man dabei ist, sich auf eine Strategie zu einigen, und zwar die falsche OEF Strategie.
Sie berichtet am 6.9., dass die USA die Trennung von Kriegs- und Miltitäreinsatz aufheben und bis 2011 weitere 20.000 Mann Militär einsetzen möchten. McKiernan solle in etwa einem Monat neben den ISAF/Nato Truppen auch das Kommando für die US Truppe übernehmen.
Die Frage liegt auf der Hand: Hast du irgendwelche Hinweise, die dich darin beflügeln, der These öffentlich Ausdruck zu verleihen, die künftige US-Regierung wäre hinsichtlich eines von uns geforderten Strategiewechsels aufgeschlossener?
Kritisch an deiner These scheint mir auch zu sein, dass insbesondere die Bundesregierung keinerlei Anzeichen für einen Strategiewechsel erkennen lässt. Sie liegt damit noch hinter den holländischen Freunden, die bereits einen Disengagement-Plan diskutieren. Hast du irgendwelche Hinweise darauf, dass ISAF und die Bundesregierung ernsthaft an einem Strategiewechsel arbeiten?
Von der Antwort auf diese Fragen ist es abhängig, ob deine Einschätzung mehr ist als pure und trügerische Hoffnung auf bessere Zeiten, allein dienlich, Zeit zu gewinnen, auszusitzen, statt zu handeln – jetzt in wenigen Wochen, wenn es um Zustimmung, Duldung oder Ablehnung einer schrecklichen Politik der Bundesregierung geht. Die Basis deiner Partei, zu der ich mich zähle, erwartet Transparenz und Antworten. Es ist kaum zu ertragen, sollten deine Worte so verstanden werden müssen, dass die GRÜNE Bundestagsfraktion Bereitschaft erklärt, der Bundesregierung weitere 1 1/2 Jahre einen Persilschein auszustellen, egal, was passiert.
Ein letztes Wort an dich und die Fraktion:
Es ist bekannt, dass auch dieses Jahr wieder Winter wird, in Afghanistan. Derzeit beschäftigt sich die Bundesregierung mit einer Ausweitung des Kriegsmaterials und des Kriegspersonals. Wie bereits erwähnt, übt man sich in Jagdszenen auf Taliban. Unerwähnt im Parlament scheint zu bleiben, dass sich in Afghanistan die nächste humanitäre Katastrophe ansagt.
Bereits in den Wintern davor und mir besonders erinnerlich der Winter 2007/2008, waren eine menschliche Tragödie, deren Opfer vermutlich heute noch nicht ausgezählt sind. Der Winter 2008/2009, so berichtet Oxfam, dürfte erneut zur Tragödie für die Menschen in Afghanistan werden. Das alljährlich eintretende Ereignis ist keine Überraschung, sondern eines mit Ansage. Winter kommt nun mal jedes Jahr.
Wie wird die Bundestagsfraktion hierauf eingehen, was wird sie fordern?
Läge nicht hier die prioritäre Aufgabe unserer Fraktion, anstatt sich an fortgesetztem „Kriegsspiel“ zu beteiligen? Ist es nur ein Traum, aus dem wir mit Schrecken erwachen werden, oder könnte es Realität werden, unverzüglich alle verfügbaren LKW mit humanitären Hilfsgütern zu beladen, Lebensmittel, Brennstoff, Decken und so weiter, BEVOR der Winter einsetzt, statt Militär und Waffen und Gewalt zu steigern?
Mit freundlichen Grüßen
Simon Lissner


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2 Kommentare

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  1. Lieber Jürgen Trittin,
    herzlichen Dank für deine ausführlich Antwort.
    Auch auf die Gefahr hin, als jemand zu scheinen, der „das letzte Wort haben möchte“ oder als einer, „der immer noch einen drauf setzt“, habe ich mich nun nach langem Zögern doch entschieden, auf einige Punkte einzugehen.
    Deine einleitenden Worte haben mich zutiefst getroffen. Du schreibst:
    „Du formulierst in Deiner letzten Frage, die Fraktion vernachlässige die humanitäre Lage in Afghanistan zugunsten der Beteiligung an „Kriegsspielen“. Niemand in der Fraktion spielt Krieg (auch nicht in Anführungszeichen) oder empfindet Militäreinsätze als Spiel. Solche suggestiven Formulierungen gehen am Kern der GRÜNEN Aktivitäten zu Afghanistan vorbei.“
    Keineswegs spreche ich mich von einer Mitschuld daran frei, wenn du oder Mitglieder der Fraktion, das was ich am Ende der Offenen Anfrage in einem bestimmten Zusammenhang schrieb, so gründlich mißverstanden hast. Es ist mir wichtig, dieses Mißverständnis richtig zu stellen.
    Ich schrieb, ganz am Ende der Offenen Anfrage:
    „Der Winter 2008/2009, so berichtet Oxfam, dürfte erneut zur Tragödie für die Menschen in Afghanistan werden. Das alljährlich eintretende Ereignis ist keine Überraschung, sondern eines mit Ansage. Winter kommt nun mal jedes Jahr.
    Wie wird die Bundestagsfraktion hierauf eingehen, was wird sie fordern?
    Läge nicht hier die prioritäre Aufgabe unserer Fraktion, anstatt sich an fortgesetztem “Kriegsspiel” zu beteiligen? Ist es nur ein Traum, aus dem wir mit Schrecken erwachen werden, oder könnte es Realität werden, unverzüglich alle verfügbaren LKW mit humanitären Hilfsgütern zu beladen, Lebensmittel, Brennstoff, Decken und so weiter, BEVOR der Winter einsetzt, statt Militär und Waffen und Gewalt zu steigern?“
    Ich bedaure zutiefst, wenn dieser Satz, der sich auf die ganz konkrete, bevorstehende Situation angesichts des bevorstehenden Winters einerseits und auf die demnächst anstehende Abstimmung bezog, dahingehend verstanden wurde, ich kritisierte die Fraktion ganz allgemein hinsichtlich ihres Verhaltens und würde dies allgemein als „Beteiligung an ‚Kriegsspielen'“ qualifizieren. Das ist nicht der Fall und ich war überrascht, dass du dies aus diesem Satz, auf den du Bezug nimmst, abliest. Entscheidend scheint mir, der von dir verallgemeinernd aufgegriffene Vorwurf, die Fraktion „beteilige sich an fortgesetztem „Kriegsspiel“.
    Faktisch wirkt die Position der Fraktion zur Frage der Ausweitung des militärischen Potentials per Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung in der Vergangenheit zunächst wie eine Zustimmung unter Vorbehalten, fortgesetzte Zustimmung unter noch stärkeren Vorbehalten (seit dem Ende der Regierungsbeteiligung und seit Göttingen verstärkt). Das beschreibst du letztlich in deiner Antwort treffend mit den Worten: „Auf den nicht erfolgten Strategiewechsel eine Antwort zu geben ohne sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist das, was die Partei von der Fraktion erwartet und zwar mit einem hohen Maße an Geschlossenheit. Dies ist uns im letzten Jahr nicht besonders gut gelungen. Mit 30 Enthaltungen, 15 Ja-Stimmen und 7 Nein-Stimmen haben wir eher den Eindruck hinterlassen, wir mühten uns, gequält dem Votum des Parteitages in Göttingen zu folgen.“
    Gerade weil die Lage in Afghanistan sich verschlechtert hat, wächst die Sorge, dass die Fraktion am 13.10. mit der Abstimmung ein Signal zur Bestätigung fortgesetzter, offener Kriegshandlungen senden könnte.
    Ich habe verstanden, dass du ein solches Votum nicht willst. Du schlägst vor, die Fraktion möge sich möglichst geschlossen enthalten. Deine Begründung allerdings liest sich, als sei sie aus dem Handbuch zur „Wahrung des Gesichts“.
    Du schreibst, wir könnten mit möglichst geschlossener Enthaltung die „Drift in Richtung des GRÜNEN Sofortausstiegs“ verhindern, die die Mehrheit von uns nicht als Signal senden will. Ein solches Signal will nicht nur die Fraktion nicht senden. Sondern auch die überwältigende Mehrheit der Partei will dieses Signal nicht senden. Selbst die Zeitungsanzeige der GRÜNEN Friedensinitiative als radikalster Verfechterin in unserer Partei, enthält keinen Aufruf zum sofortigen Abzug. Es gibt keine „Drift zum sofortigen Abzug“ in der Partei.
    Dass sich dies unterdessen bis weit in die Presse herumgesprochen hat, ist ein Verdienst der „Göttinger“. Die „Göttinger“ haben im zurück liegenden Jahr einen erfolgreichen Beitrag zur Steigerung des journalistischen Differenzierungsvermögens geleistet. Die Presse braucht keine „Nachhilfe“ durch eine sich enthaltende Fraktion die hinterher differenziert erklärt, was sie unter Strategiewechsel versteht.
    Die „Hilfskonstruktion“ des „GRÜNEN Drifts zum Sofortausstieg“, ist die einzige Möglichkeit, das zu umgehen, was politische Freunde aus grauer Vorzeit einen „antagonistischen Widerspruch“ genannt haben. Der besteht darin, dass weder die USA noch die Taliban/Warlords und so weiter an einer Änderung der Strategie ein Interesse haben. Der führt ferner dazu, dass die Bundesregierung die Frage, auf welcher Seite sie in diesem Konflikt steht, klar beantwortet. Das bedeutet, solange die USA ihre Strategie nicht ändert, wird es die Bundesregierung auch nicht tun und – das führt dazu, dass eine GRÜNE Fraktion sich damit schwer tut, eine eindeutig oppositionelle Position zum Kurs der Bundesregierung zu beziehen, weil man derweil unter „Regierungsfähigkeit“ zu verstehen scheint, nicht in offenen Widerspruch zu dieser Politik zu geraten.
    Zur Realität gehört, dass bei der Abstimmung, die nun für den 13.10. erwartet wird, von zahlreichen Parteimitgliedern ein klares Votum gegen diesen Kurs der Bundesregierung erhofft wird, der unzweifelhaft eine Absage an das beinhalten sollte, was ich „Kriegsspiele“ genannt habe.
    Ich habe deine Antwort immer wieder gelesen, in der Hoffnung, eine Antwort auf die in meinem von dir kritisierten Schlußsatz gestellten Fragen zu finden:
    Wie wird die Fraktion auf die bevorstehende (Winter-)Katastrophe eingehen?
    Was wird sie fordern?
    Wird sie sich dafür einsetzen, unverzüglich alle verfügbaren LKW mit humanitären Hilfsgütern zu beladen, Lebensmittel, Brennstoff, Decken und so weiter, BEVOR der Winter einsetzt, statt am 13.10. einer weiteren Verlängerung des Mandates und der Aufrüstung der Truppen zuzustimmen?
    Selbstverständlich verstehe ich, dass die allgemeine Forderung aus der Fraktion, nach mehr humanitären Mitteln auch im Kontext zur konkreten Krise steht.
    Aber: Getan werden muss jetzt etwas. So müsste massiver Druck auf die sozialdemokratischen Abgeordneten ausgeübt werden, die Zustimmung zu versagen, wenn nicht unverzüglich, z.B. Hilfslieferungen auf den Weg gebracht werden um die drohende Winterkatastrophe abzuwenden. Es müsste auf den humanitären, christlichen Flügel der Unionsfraktion Druck ausgeübt werden, seine humanitäre Verantwortung endlich wahr zu nehmen. Dass aber ist kaum zu verargumentieren, solange unsere Parteispitze selbst keine eindeutige Haltung einnimmt. Enthaltung ist keine ablehnende Position. Enthaltung war bei der letzten Abstimmung gegenüber den Stimmen der Zustimmung ein Fortschritt.
    Am 13.10. bedeutet Enthaltung die Ignorierung des Umstandes, dass in Afghanistan ein Krieg geführt wird, der zu nichts Gutem führt und das die Ausweitung dieses Kriegs droht.
    Jedes JA im Parlament ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die den Strategiewechsel fordern.
    Jede Enthaltung im Parlament bedeutet „grünes Licht“ für die Ja-Sager/innen und damit den Kurs der Bundesregierung.
    Um den notwendigen Druck aufzubauen scheint mir nötig:
    Jetzt alle demokratischen, zu Gebote stehenden Register zu ziehen um 1. die humanitäre Soforthilfe auf den Weg zu bringen, die für die Menschen überlebenswichtig ist und 2. den Kurswechsel zu erreichen, der nötig ist, diesen Horror zu beenden.
    Deshalb: Stimmt mit NEIN.
    Aber vielleicht täusche ich mich ja, oder ich bin einfach schlicht uninformiert und das läuft alles schon …?
    Mit freundlichen Grüßen
    Simon Lissner
    BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
    Kreisverband Limburg – Weilburg
    Simon Lissner (Mitglied des Kreisvorstand)
    https://www.gruene-limburg-weilburg.de
    simon.lissner@gruene-limburg-weilburg.de

  2. Das jetzt vorgelegte Afghanistan-Konzept der Bundesregierung wurde ja bereits von den Experten unserer Fraktion kommentiert, Credo: Strategiewechsel bleibt weiter aus. Also: der Strategiewechsel bleibt aus, die Lage in Afghanistan verschlechtert sich dramatisch, die Bundesregierung erweist sich als nahezu unfähig, daraus einen Ausweg zu finden, die Beschlusslage der Partei ist eindeutig. Alles andere als ein „Nein“ wäre in der Tat ein politisches Desaster, fast schon ein Offenbarungseid.
    Oder ist es vielleicht so: Die Bundsregierung kuscht in der NATO gegenüber den USA aus Gründen der „Bündnisfähigkeit“, Teile der Grünen Fraktion (könnten wieder) im Bundestags gegenüber der Bundesregierung kuschen aus Gründen der „Anschluss- oder Regierungsfähigkeit“? Solch ein politisch sich verfestigendes Machtgeflecht könnte die Demokratie – das Vertrauen in ihre Handlungsfähigkeit – in ihren Grundfesten zerstören. Wenn alle das offensichtlich Falsche machen, weil es nur noch um das „Bündnis an sich“ und das „Regieren an sich“ geht, dann bekommt die ganze Afghanistan-Frage einen eindeutigen staatspolitischen Charakter und es steht vielleicht sogar schon mehr auf dem Spiel als nur eine „Sachfrage“ in einem bestimmten Politikbereich.
    So wie die Reaktion der USA Bestandteil der Terror-Strategie von Al-Qaida gewesen ist, so ist auch die oben beschriebene Entwicklung in unseren Demokratien Bestandteil der Strategie des internationalen Jihaddismus. Für beide ging und geht es darum, für ihre eigenen Anhänger die „Verlogenheit“ und somit „Wahrheit“ der westlichen Demokratien sichtbar werden zu lassen. Diesen Gefallen haben ihnen die USA nun tatsächlich getan, aber wir sollten diesen Fehler jetzt nicht wiederholen und deren Kriegserklärung annehmen. Denn tatsächlich befindet sich die Bundeswehr jetzt ganz offensichtlich an einer Art fließenden Übergangsschwelle zum Krieg auch am Boden.[1] Ein „Ja“ oder „Nein“ dazu im Bundestag ist keine Petitesse (mehr), bei der es um die Bewertung dieses oder jenes Aspektes der Mandate ginge, sondern eine staatspolitische Weichenstellung geworden. Die USA haben ja bereits angekündigt OEF und ISAF unter ihrem Kommando zusammenzulegen und ihre eigenen Kampfverbände aufzustocken.
    Die Grünen sind nach wie vor Oppositionspartei im Bundestag und sollten sich nicht vom „Jetzt-gibt-es-keine-Parteien-mehr-sondern-nur-noch-Deutsche“-Geschwätz des Verteidigungsministers beeindrucken lassen und stattdessen sehr laut Nein sagen und ein verantwortbares Disengagement einfordern. Die Handlungsschwäche der Regierung gegenüber der NATO und den USA darf sich nicht in einer Handlungsschwäche der Opposition gegenüber der Regierung hierzulande wiederspiegeln. Nach wie vor vertrete ich die Ansicht, die ich im September letzten Jahres gegenüber der taz geäußert habe: „Wer den Nachweis seiner Oppositionsfähigkeit nicht erbringen kann, der braucht über seine Regierungsfähigkeit gar nicht erst nachzudenken. So funktioniert diese Demokratie überhaupt nicht.“
    Liebe Grüße
    Robert Zion
    [1] Zur Zeit greifen die Taliban die Bundeswehr verstärkt an (die Lager, die Patroullien, auch die QRF) und testen so deren Kampffähigkeit, taktisches Verhalten und die Reaktionen in der Politik hierzulande sowie die der die Bundeswehr auch mit beschützenden regionalen Warlords.

  1. […] Antwort auf Offene Anfrage zu Afghanistan [die Anfrage] […]

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