„Frieden und Internationales“ oder „Bundeswehr und Aufrüstung“?

Autorenpapier von Detlef Wilske

Die Tagung der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG), bisher noch unter der Firmierung „Frieden und Internationales“, in Berlin am 22.9.2024 brachte für Außenstehende erstaunliche Ergebnisse, die ohne Kenntnis der Hintergründe nur schwer nachvollziehbar sind.

Die Anträge A1 bis 5 für Eskalation des Ukraine-Russland-Krieges, Aufrüstung, mehr Bundeswehr etc. haben die Mitglieder mit jeweils etwa 20 gegen 3 Stimmen angenommen, dagegen lehnten sie Antrag A10 im umgekehrten Verhältnis ab. Warum? Weil es um das Vorantreiben diplomatischer Initiativen zur Beendigung des Krieges ging.

Ähnlich lief es beim Antrag A11, den der Antragsteller daraufhin zurückzog. Die Bewertung überlassen wir den werten Leser*innen. Allerdings scheint eine Umbenennung der BAG überfällig zu sein.

Das Highlight für einen grünen Beschluss schlechthin ist der Satz aus dem A1 (Antrag, Beschluss):

Die Rüstungsindustrie kann nicht auf eigene Faust auf Halde produzieren, deshalb braucht sie verlässliche politische Entscheidungen. Die jährlichen Haushaltsverhandlungen bieten den überwiegend privatwirtschaftlich organisierten Unternehmen der SVI keine Planungssicherheit, um in den Aus- und Aufbau von Kapazitäten zu investieren. Wir schlagen daher ein Bundeswehrplanungs-/-finanzierungsgesetz vor, entsprechende Bemühungen auf EU Ebene sowie ggf. den Abschluss von langfristigen Verträgen.

Die privatwirtschaftliche Rüstungsindustrie, deren Aktienkurse seit Jahren durch die Decke gehen (z.B. Rheinmetall von ca. 80 € 2022 auf ca. 560 € Mitte August 2024, also ein Anstieg um 700 %), soll also aus Angst vor deren Überforderung vor wirtschaftlichen Risiken wie Überschussproduktion geschützt werden.

Hintergrund der eigenartigen Metamorphose der grünen Bundesarbeitsgemeinschaft ist unter anderem eine deutlich erkennbare Präsenz von Bundeswehrmitgliedern. So ist der stellvertretende Sprecher Daniel Hecken Generalstabsoffizier der Bundeswehr und Vorsitzender des Lobby-Vereins BundeswehrGrün e.V.


Anträge

 

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5 Kommentare

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  1. Lieber Detlef,
    wir verstehen, dass bei Fragen von Verteidigung, Rüstung und Unterstützung der Ukraine die Emotionen hochkochen. Auch uns berührt das Ringen um den richtigen Weg in diesen Fragen.
    Was wir aber niemandem in der Diskussion absprechen würden, ist das gemeinsame Ziel Frieden, Freiheit und Herrschaft des Rechts zu verteidigen. Wir streiten, verunglimpfen uns aber nicht gegenseitig.
    Teilnehmer des Diskurses in der BAG und hier konkret des Sprecherteams herauszupicken und an den Pranger zu stellen, empfinden wir schlicht als unanständig.
    Herzliche Grüße,
    Leonie, Peter, Maxi, Daniel (Sprecherteam der BAG)

    1. Liebe Leonie, Peter, Maxi, Daniel,
      danke für euren Kommentar. Wenn man als Betroffener über etwas schreibt, was den eigenen Ansichten über die Grundwerte unserer Partei entgegensteht, überspitzt man manchmal auch etwas, dafür: sorry! Was ich aber nicht gemacht habe, ist, irgend jemanden zu verunglimpfen oder an den Pranger zu stellen. Dass – aufgrund ihrer Funktion und ihres Hintergrundes, wie hier der stellvertretende Sprecher – exponierte Personen jedoch explizit genannt werden, ist zum Verständnis der Hintergründe für Außenstehende unumgänglich. Immerhin ist das ja auch – und das ist richtig so – auf der Seite der BAG ausgewiesen.
      Was an der Beschreibung von Tatsachen und Hintergründen „… an den Pranger zu stellen“ bedeutet, wäre zu erklären, Die Formulierung „… empfinden wir schlicht als unanständig“ sollte auch erläutert werden. So ist sie schlicht nicht zutreffend.
      Wenn man die ersten Kommentare anderer Grüner Mitglieder oder Mails in unserem Verteiler liest, so stehe ich anscheinend nicht allein. Und: unser BuVo hat seinen Rückzug zur BDK angekündigt. Da (und nicht nur da) wurden wohl Fehler gemacht. So kurz nach den Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, in denen ein sehr großer Teil der Bevölkerung gegen die Aufrüstung ist, ist das ein erster Schritt, zu unseren Grundwerten zurückzukehren.Vielleicht ist – entgegen aller Aussagen – der vehemente Anti-Diplomatie-Kurs unserer Partei in der Ukrainefrage doch ein Problem für unsere Wähler*innen?
      Euch weiterhin viel Erfolg für eure Arbeit
      Detlef

    • Peter Meiwald auf 24. September 2024 bei 15:42
    • Antworten

    Erschreckend! Seit wann macht unsere traditionsreiche BAG Frieden sich zum Büttel der Rüstungsindustrie und der Militarisierung unserer Gesellschaft! Sind das die Erkenntnisse eines “friedenspolitischen ThinkTanks” unserer Partei? Ich bin ehrlich entsetzt, hätte mir solche Entgleisungen in unserer Partei nicht vorstellen können, aber irgendwie legitimiert (von ihren Landesverbänden) müssen die BAG-Mitglieder ja sein. Ist das die Meinung der Mehrheit in unserer Partei oder das Ergebnis geschickten Lobbyings?

    • Matthias Striebich auf 24. September 2024 bei 7:29
    • Antworten

    Das ist wirklich sehr, sehr traurig. Da schäme ich mich für meine Partei! Sie wurde in dieser Hinsicht von Militaristen gekapert. Gäbe es nicht so extrem wichtige Themen wie Klimaschutz, Umweltschutz, Verkehrs- und Energiewende, etc., würde ich wohl austreten. Diese Ziele verfolgen die Grünen bei aller Enttäuschung darüber, dass in der Koalition zu wenig erreicht wird, immer noch am besten unter den parlamentarisch relevanten Parteien.

      • Marco Gasch auf 24. September 2024 bei 15:40
      • Antworten

      Aber was zerstört die Umwelt mehr als Krieg? Es ist doch absurd, wenn eine Partei wie die Grünen sich angeblich für Umweltschutz einsetzen und auf der anderen Seite alle diplomatischen Lösungen in den aktuellen Konflikten ausschließen und sich auf die Seite einer Kriegspartei stellen. So wird dann auch wieder ein Schuh mit der Planungssicherheit der Rüstungsindustrie draus. Es spricht ja für Dich, dass Du Dich wenigstens schämst, aber gegen Dich, dass Du die Eskalationspolitik der Nato, die Deine Partei ja zweifelsohne vertritt sozusagen dem Umweltschutz unterordnest. Wenn wir in einen dritten Weltkrieg laufen, ist es doch auch nicht mehr wichtig, ob wir uns in Richtung Nachhaltigkeit entwickelt haben bzw. hätten. Denn dann ist eines sicher. Nachhaltig wird unsere Welt dann zerstört sein. Und in der Ukraine und in Gaza und im Westjordanland (darf man Palästina sagen?) ist es das ja bereits für sehr viele Menschen der Fall. Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts!

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