heute, am 24.3.2023 ging eine Anfrage mit Bitte um Stellungnahme an das Außenministerium:
Sehr geehrte Frau Ministerin Baerbock, sehr geehrte Damen und Herren des Auswärtigen Amtes,
Persönlichkeiten aus der internationalen Friedensbewegung haben einen gemeinsamen Appell für Diplomatie zur Beendigung des Tötens in den Diskurs über Krieg und Frieden eingebracht.
Er wird von tausenden Menschen in mehreren Ländern Europas und Amerikas unterstützt. https://www.change.org/p/appell-f%C3%BCr-den-frieden-das-t%C3%B6ten-in-der-ukraine-muss-beendet-werden
Das österreichische Ministerium für internationale Angelegenheiten hat uns eine Reaktion auf diese Initiative zugesandt.
Wir bitten Sie nun, ebenfalls zu dem ‚Appell für den Frieden‘ Stellung zu beziehen, da die gefährliche Entwicklung zentrale Anliegen der Menschen nicht nur in unserem Land betrifft.
Wir sehen Deutschland in einer besonderen Verantwortung, da es sich laut Präambel des 2+4-Vertrages für eine Friedensordnung einzusetzen hat, die die Sicherheitsinteressen „eines jeden“ berücksichtigt.
Es ist eine deutliche Stärkung der diplomatischen Initiativen statt einer weiteren Eskalation der Waffenlieferungen zu fordern.
Unsere Initiative resultiert aus der Bewertung und der Erkenntnis, dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen ist. Aber wir sehen auch die gebrochenen Versprechen des Westens (inkl. Deutschlands) Russland gegenüber nach 1990 und das tragische Versäumnis, in einem Zeitfenster, in dem das möglich war, eine auf langfristige, friedliche Zusammenarbeit angelegte Partnerschaft mit Russland einzugehen. Zumal diese zur Bekämpfung des Klimawandels unumgänglich ist!
Stattdessen wurden seitens der USA Atomwaffenabkommen gekündigt, eine weitere Aufrüstung betrieben und der Einflussbereich (auch der militärische) der Nato deutlich nach Osten erweitert.
Auch schon der laut Frau Merkel, nur taktische – inkonsequente – Umgang mit Minsk II (der dazu diente der Ukraine Zeit für militärisches Erstarken zu organisieren) widersprach Deutschlands in verbindlichen Texten vereinbarten rechtlichen Verpflichtungen wie dem ‘Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland‘ und der ‚Charta von Paris‘ – beides völkerrechtliche Texte von 1990.
Die vor einem Jahr in der Türkei von der Ukraine und Russland geführten Verhandlungen, die u.a. laut dem damaligen israelischen Premierminister Naftali Bennett und der IPPNW auf westliche Intervention hin kurz vor der Unterschriftslegung abgebrochen wurden, eröffnen unseres Erachtens immer noch Perspektiven, die helfen können das Töten zu beenden.
Kernstück dabei war und bleibt die zu schützende Neutralität der Ukraine, auch im Sinn der erwähnten völkerrechtlichen Texte.
Wir möchten die Bundesregierung und insbesondere Sie als Außenministerin bitten, sich dringend bei den Vereinten Nationen für die Bildung einer hochrangigen und hochlegitimierten Verhandlungskommission durch den UN-Generalsekretär einzusetzen. Diese Kommission unter Leitung des UN-Generalsekretärs hätte die Aufgabe, die ukrainische und die russische Regierung zurück an den Verhandlungstisch zu bringen, um einen Waffenstillstand als Voraussetzung für Friedensverhandlungen zu erreichen. Dies ist eine zentrale Forderung unseres ‚Appells für den Frieden‘.
Wir bitten Sie um Ihre Stellungnahme und geben die des Österreichischen Außenministeriums in der Anlage zur Kenntnis. Unsere Anfrage an Sie und Ihre Stellungnahme werden wir dann veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Wilhelm Koch Prof. Dr. Klaus Moegling Bernhard Trautvetter
Es gab aus der Politik (auch aus der Deutschen) einige wenige Rückmeldungen zu unserem Friedensappell, der natürlich nach wie vor, auch bei Change.org unterzeichnet werden kann …:
Hier eine kleine Auswahl von Stellungnahmen – u.a. Büro Habeck – alles kann wiederverwendet und veröffentlicht werden.
Zunächst die neueste Rückmeldung aus dem österreichischen Kanzleramt, in wohltuend abgesetzter Sachlichkeit im Vergleich zu Stimmen aus dem deutschen Außenministerium:
„Die österreichische Bundesregierung hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine
von Beginn an als eklatanten Bruch des Völkerrechts aufs Schärfste verurteilt. Österreich
unterstützt daher uneingeschränkt die Maßnahmen der EU in Solidarität mit der Ukraine
sowie die Sanktionen gegen Russland. Im Einklang mit unserer Neutralität beteiligen wir uns
nicht an der Finanzierung von Waffen- und Munitionslieferungen der EU. Österreich spricht
sich gleichzeitig konsequent für Schritte zur Deeskalation aus. Außenminister Schallenberg
hat kürzlich in einem Interview betont, dass alle Gesprächskanäle für den Zeitpunkt
offengehalten werden müssen, wo die Diplomatie wieder Raum gewinnen kann. Über das
Wann und Wie von Friedensgesprächen entscheidet die Ukraine. …“
Stellungnahme von Dr. Gregor Gysi, MdB, außenpolitischer Sprecher der Partei DIE LINKE:
„Mit Interesse habe ich Ihren Appell gelesen.
Auch ich meine, dass wir dringend einen Waffenstillstand überall benötigen, wo Kriege stattfinden. Ich unterstütze auch Ihr Anliegen, bei Klimaverhandlungen die Schäden durch Kriege einzubeziehen.
Allerdings betone ich immer ausdrücklich, dass die ökologische Nachhaltigkeit mit sozialer Verantwortung zu verbinden ist.
Die Diplomatie wurde in den letzten Jahren deutlich vernachlässigt. Wir müssen unbedingt über die UNO und andere internationale Einrichtungen eine neue Friedensordnung, die aus Deeskalation, Abrüstung, Interessenausgleich, deutlich mehr Diplomatie und strikter Wahrung des Völkerrechts besteht, erreichen.
Ebenso brauchen wir für Europa eine Friedensordnung. Der gegenwärtige Krieg zeigt, dass dies weder ohne noch gegen Russland geht.
Ebenfalls unterstütze ich die Forderung im Appell, dass die Bundesrepublik dem Atomwaffenverbotsvertrag der Vereinten Nationen beizutreten hat.“
Tabea Rößner, MdB, Vorsitzende des Ausschusses für Digitales, Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schreibt uns des Weiteren folgende Stellungnahme:
(…) ich kenne Karl-Wilhelm Koch schon sehr lange und schätze seine kritischen Eingaben. Dementsprechend kenne ich auch seine Position – hier zeigt sich auch deutlich, wie differenziert wir Grünen uns mit diesem Thema innerhalb der Partei auseinandersetzen.
Ich selbst wurde in der Friedensbewegung politisiert und, glauben Sie mir, der Krieg in der Ukraine zerreißt mir das Herz. Und die Demonstrationen gegen NATO-Doppelbeschluss und Pershing II, das Bewusstsein um die atomare Bedrohung jener Zeit sind mir aktuell wieder sehr präsent. Mit entsprechend großer Sorge vernehme ich die doppeldeutigen Äußerungen aus dem Kreml hinsichtlich des Einsatzes von Atomwaffen.
Ich selbst bin keine Sicherheitspolitikerin, keine Außenpolitikerin, dennoch bin ich mir der Verantwortung meines Mandats auch in diesen Politikbereichen bewusst. Meine Haltung kommt nicht aus dem luftleeren Raum, sondern fußt auf Beratungen mit und Einschätzungen durch unsere Fachpolitiker:innen und externen Expert:innen aus eben diesen Bereichen, genauso wie aus der Friedensforschung. Wir sind bestrebt, ein umfassendes Bild zu erlangen und auf Grundlage dessen unsere Entscheidungen zu treffen.
Ich kann der Auffassung, Putin sei ein Krieg quasi aufgezwungen worden, nicht viel abgewinnen. Das putin’sche Russland tritt nach innen wie nach außen aggressiv auf – mehr und mehr. Oppositionelle und Journalist:innen wurden und werden inhaftiert oder gar ermordet. Das schließt natürlich nicht aus, mit diesem Staat eine friedliche Koexistenz führen zu können. Das hat auch viele Jahre funktioniert. Doch es war Putin, der mit der völkerrechtswidrigen Annektierung der Krim 2014 und dem Überfall auf die Ukraine 2022 dieses Zusammenleben in eine kriegerische Eskalation getrieben hat.
Den Kontext dieser Eskalation bilden die nationalistischen und imperialistischen Aussagen führender Politiker Russlands wie auch des Präsidenten selbst. Mir fällt es schwer, hierin einen ehrlichen Willen zum Dialog und zum Frieden zu erkennen – wenn überhaupt, dann zu einem durch Russland diktierten Frieden. Dieser Frieden schließt, so hat man es aus dem Kreml nun häufig zu hören bekommen, die Ukraine als Staat und die Ukrainerinnen und Ukrainer als Volk aus.
Die Ukraine kämpft also um ihre Existenz. Dieses Recht können und dürfen wir ihr nicht absprechen. Vielmehr gilt für mich auch, dass diejenigen, die angegriffen werden, sich verteidigen können müssen. Ohne Waffenlieferungen ist es ein ungleicher Kampf und legitimiert das Recht des Stärkeren. Gerade uns Friedensbewegten sollte dieser Aspekt nicht vergessen sein. Die Lieferung von Waffen – auch von schweren – halte ich in der Abwägung deshalb für richtig. Leicht fallen solche Entscheidungen nicht, denn Waffen töten Menschen. Und ob dies der richtige Weg ist, um diesen Krieg schnellstmöglich zu beenden, wird sich wohl erst in der Nachbetrachtung beurteilen lassen.
Deshalb darf es keinen Automatismus geben, sondern Waffenlieferungen müssen immer gewissenhaft geprüft und ein öffentlicher Dialog ermöglicht werden. Es muss sehr genau abgewogen werden, welche Konsequenzen die Lieferung verschiedenster Waffen auf die internationalen Beziehungen und das Völkerrecht hat. Ich selbst halte Kriegsrethorik hier völlig fehl am Platz. Dafür geht es um zu viel. Genauso muss aber auch betrachtet werden, was passieren könnte, wenn die Ukraine nicht in ihrer Selbstverteidigung unterstützt wird und Putin diesen Krieg gewinnt.
Ihnen wie auch den Unterzeichner:innen Ihres Friedensappells möchte ich für Ihr Engagement danken.“
Auf die Anfrage nach einer Stellungnahme vom Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Umwelt Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) bekamen wir vom Referat LB5 seines Ministeriums folgende Antwort:
„vielen Dank für Ihre Zuschrift.
Deutschland unterstützt die Ukraine bei seiner legitimen Selbstverteidigung gegen den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg mit der Lieferung von Waffen und anderen Gütern. Die Unterstützungsleistungen richten sich dabei grundsätzlich an dem von der Ukraine geltend gemachten Bedarf aus. Zu diesen Bedarfsanfragen stehen die Ukraine und die Bundesregierung in einem engen Austausch.
Im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, den Russland gegen die Ukraine führt, übt die Ukraine ihr legitimes Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen aus. In einem solchen Fall sind Lieferungen von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern ausdrücklich auch an Länder möglich, die sich in bewaffneten Konflikten befinden (siehe III. Nr. 7 der Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern).
Ihre Forderung nach Friedensverhandlungen für einen Waffenstillstand in der Ukraine findet im Auswärtigen Amt den richtigen Ansprechpartner ( … )“
Die Präsidentin des EU-Parlaments, Roberta Metsola, schrieb uns über ihr Kabinettsmitglied, Sylwia Kosinska, folgende Mitteilung:
(…)
„im Namen von Präsidentin Metsola möchte ich Ihnen für Ihre E-Mail vom 31. Januar 2023 bezüglich der Initiative „Appeal for Peace“ danken.
Das Europäische Parlament hat sich in seinen Entschließungen an vorderster Front für die Unterstützung der Ukraine eingesetzt und die illegale Invasion Russlands unmissverständlich verurteilt. Bitte seien Sie darüber informiert, dass das Europäische Parlament heute eine Entschließung zum EU-Ukraine-Gipfel angenommen hat, in der die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die zehn vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Zelenskyy vorgelegten Friedensvorschläge zu unterstützen.
Auch Präsidentin Metsola hat wiederholt erklärt, dass Frieden ohne Freiheit und Frieden ohne Gerechtigkeit überhaupt kein Frieden ist.
Bitte beachten Sie auch, dass die Reden von Präsidentin Metsola zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine online auf der Webseite des Präsidenten https://the-president.europarl.europa.eu/en/ zu finden sind.
Daher bedauere ich, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Ihrer Bitte nicht nachkommen können.
Mit freundlichen Grüßen,
Sylwia KOSINSKA
Mitglied des Kabinetts
Östliche Nachbarschaft, Russland, Verteidigung
Europäisches Parlament
Kabinett des Präsidenten“
*
The President of the EU Parliament, Roberta Metsola, wrote us the following message through her cabinet member, Sylwia Kosinska:
(…)
„On behalf of President Metsola I would like to thank you for your email of 31 January 2023 regarding the Appeal for Peace initiative.
The European Parliament has been on the forefront of supporting Ukraine and unequivocally condemning Russia’s illegal invasion, throughout its resolutions. Please be informed that today European Parliament adopted a resolution regarding the EU-Ukraine Summit with a call on the Member States to support the 10 peace proposals presented by President of Ukraine Volodymyr Zelenskyy.
President Metsola has also repeatedly stated that peace without freedom and peace without justice is no peace at all.
Please also note, that speeches of President Metsola regarding Russian war of aggression against Ukraine can be found online on the President’s webpage https://the-president.europarl.europa.eu/en/
Therefore, I regret to inform you that we will not be able to accommodate your request.
With kind regards,
Sylwia KOSINSKA
Member of Cabinet
Eastern Neighbourhood, Russia, Defence
European Parliament
Cabinet of the President“