Die Internationale des Postfaschismus

von Simon Lissner, 2.12.2011

Postfaschismus ist die Mobilisierung des menschlichen Hirnstamms unter zu
Hilfenahme moderner Intelligenz. Ergebnis: Aufruf zur Wiedererrichtung der Barbarei.

Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen.
In einem Gespräch mit einem namhaften GRÜNEN Politiker am Rande der BDK im November 2011 hatte ich die Gelegenheit, zu hören, wie die Möglichkeit eines Parteienverbotes der NPD beurteilt wird. In diesem Gespräch meinte er, dass die Aussichten für ein solches Verbot nicht wirklich gut seien und man solle nicht wieder eine Schlappe wie beim ersten Versuch riskieren. Er begründete die schlechten Aussichten für einen Erfolg damit, dass wir damit rechnen müssten, dass spätestens der Europäische Gerichtshof ein solches Urteil vermutlich kassieren würde, wenn es denn überhaupt vom Verfassungsgericht gesprochen werde.
Der EuGH habe die Latte sehr hoch gehängt. Wenn ich den Parteifreund richtig verstanden habe, käme ein solches Verbot nur in Frage, wenn unmittelbare Gefahr für die Demokratie bestehe. So widersinnig das auch klingen mag, eine solche Bedrohung stellt die NPD natürlich in Deutschland nicht dar. Nach den Erfahrungen mit Faschismus/Postfaschismus stellt sich die Frage, ob es, wenn denn solche Zusammenrottungen zu Parteien geadelt, bereits eine Gefahr für die Demokratie geworden sind, nicht zu spät für ein Verbot ist?
Wir können davon ausgehen, dass der Parteifreund mit dem ich sprach, etwas von der Sache versteht. Der Hinweis ist also nicht nur ernst zu nehmen, sondern er verweist vor allem auf die fatale, nur schwer nachzuvollziehende, unterschiedliche Bewertung des Rechtsextremismus in seinen verschiedenen Spielarten hin, wie sie nicht nur in Deutschland anzutreffen ist, sondern international. Aber bleiben wir vorerst in Europa, auch wenn die Verbreitung des Postfaschismus auch in anderen demokratischen Gesellschaften, etwa den USA, durch das hohe Gut der Meinungsfreiheit geschützt ist, weil man der irrigen Auffassung ist, diese Mobilisierung des menschlichen Stammhirns durch barbarisierte Intelligenz, sei eine „Meinung wie andere auch“.
Zum Beispiel, Ungarn …
Nun. In Ungarn, EU Mitglied, feiert aktuell die Zerstörung der Demokratie fröhliche Urständ‘. Reaktion der EU? Kaum der Rede wert! In einem Interview, das Eva Marie Kallen mit dem ungarischen Philosoph Gáspár Miklós Tamás führte, analysiert dieser die Situation und Tendenzen bereits 2009. Dabei meinte er noch recht optimistisch für sein Land: „Fast überall in Europa gibt es einen Rechtsruck, zudem sind die Rechtsradikalen auf Landesebene nicht so präsent, wie in anderen europäischen Staaten. Ich glaube daher, dass die Lage in Ungarn nicht gefährlicher ist, als in Großbritannien, Österreich, Dänemark oder den Niederlanden.“ (Freitag online).
Unterdessen zeigt sich, dass er mit dieser Einschätzung der Situation Ungarns eher daneben lag. Dennoch. Tamás zeichnete ein insgesamt erschreckendes Bild des europäischen Postfaschismus.
Der Konsens, „Nie wieder Faschismus!“ so sein pessimistisches Fazit, der sei „aufgekündigt!“.
Mit weitem Abstand wählten die Ungarn bei den letzten Wahlen 2010 die Partei FIDESZ (68,13% aller Sitze) mit Ach und Krach schaffte es die sozialdemokratische MSZP zweitstärkste Partei zu werden (15,28%) gefolgt von der Partei JOBBIK (12,18%), die selbst bei den zur Zurückhaltung neigenden Autor/innen von Wikepedia klar als „rechtsextreme Partei“ identifiziert wird. JOBBIK ist der politische Arm der paramilitärischen Ungarischen Garde. Die Truppe orientiert sich nicht unbeabsichtigt in jeder Hinsicht an den in Ungarn zwischen 1944 und 1945 regierenden faschistischen Pfeilkreuzlern. 2009 offiziell verboten, wurde sie als „Neue Ungarische Garde“ fortgeführt. Sie dient der JOBBIK als Saalschutz.
Die „Garde“ versucht sich in kleineren ungarischen Orten unterdessen als „Gendarmerie“ aufzuspielen, organisiert Roma-feindliche Aufmärsche und provoziert Gewaltausbrüche gegen diese Minderheit in Ungarn. Der Vorsitzende der JOBBIK, Gábor Vona, ist zugleich Vorsitzender der Parlamentsfraktion sowie Chef der „Garde“.
Eine Antisemitin, Krisztina Morvai, führte die Partei als Spitzenkandidatin mit 14,77% ins Europaparlament (3 Sitze). „Die Gruppe operiert weiterhin frei“, sagt er. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Garde ging in Berufung. Während die Europa-Kandidatin während des Wahlkampfs im Kostüm gegen Roma, Juden und das „internationale Kapital“ hetzten, schwenkten die Mitglieder der Garde Fahnen vor dem Rednerpult.“ (Süddeutsche online)
Nach den Europawahlen forderten Vertreter der JOBBIK, den Vertrag von Trianon und die Beneŝ-Dekrete aufzuheben. Das ist die Forderung nach Wiederherstellung Großungarns der Zeit vor 1919. Dies ist unterdessen umgesetzt. Das ungarische Parlament (Regierungschef Viktor Orbán, FIDESZ) verurteilte in einem feierlichen Akt den Vertrag von Trianon und stellt den ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten ungarische Pässe in Aussicht. Staatliche Einrichtungen und öffentliche Gebäude sind angewiesen, sich mit dem grundsätzlichen Bekenntnis zum Regime der „Nationalen Einheit“ und dem System „Nationaler Kooperation“ zu bekennen.
Am 24.6.2009 berichtet die „Süddeutsche“ JOBBIK wolle „Ungarn verändern – und Europa“. Die Partei gäbe sich betont „international“. Berichtet wird von Kontakten zwischen NPD Kandidaten, wie dem bekannten, ehemaligen NPD Kandidaten und Psychotherapeuten von Köln 1, Benedikt Frings, der bundesweit als Teilnehmer an der Veranstaltung des iranischen Antisemiten und Staatschef Ahmadinedschad zur Sammlung aller Holocaust-Leugner bekannt wurde. Das war 2009. Da berichtete die SZ, laut der Berliner Pressestelle der NPD, „man“ (die NPD, sim) unterzöge JOBBIK einer „internen Analyse“. Verbindungen zu diversen ungarischen Nazigruppierungen unterhielt auch der seinerzeitige NPD Vorsitzende Udo Voigt (im November 2011 von Holger Apfel abgelöst). Man könne gewiss mehr berichten, wenn, so die SZ, sich Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst, nicht „so zugeknöpft“ geben würden.
JOBBIK selbst sucht den Schulterschluss zum europäischen Postfaschismus. „2008 besuchte eine Delegation der Partei Nick Griffin, den Chef der rassistischen British National Party, in Großbritannien. Innenpolitisch setzen die Ungarn im Gegensatz zur NPD auf eine Doppelstrategie: Das Auftreten der Partei im Wahlkampf ist modern und professionell. In der fotogenen Juristin und Frauenrechtlerin Krisztina Morvai fand man die perfekte Kandidatin. Gleichzeitig marschiert die Ungarische Garde, eine militärisch auftretende Straßenorganisation, durch die Städte.“ (SZ, dito).  Zur Gefahr für Europa:
„Politisch und auf der Straße organisiert – „Bewegungsrechtsextremismus“ nennt Hartleb (Florian Hartleb, Rechtsextremismus Experte der TU Chemnitz) das. Und tatsächlich findet sich in einer Ausgabe der NPD-Parteizeitung von 2007 ein bewundernder Artikel über die Ungarische Garde. Entgegen den Vorwürfen erinnere deren Outfit „weniger an die SS, sondern eher an eine Sicherheitsfirma“, verteidigt der Autor das historisch zweideutige Outfit. Hartleb misst der Tatsache, dass die NPD-Zeitung dem Thema solche Beachtung schenkt, große Bedeutung bei. Schließlich gebe es eine „auffällig enge personelle und strukturelle Verzahnung“ von Partei und Redaktion. Ohne Absegnung von Parteioberen komme wohl kein Thema ins Blatt.“ (SZ, dito).
Es ließe sich noch viel zum Thema der Bemühungen internationaler Vernetzung des terroristischen Randes des Postfaschismus schreiben. Allein aus öffentlich zugänglichen Quellen, lassen sich massenweise Indizien zusammen stellen. Vor diesem Hintergrund stellt sich einmal mehr die Frage nach der Tätigkeit von Bundesnachrichtendienst und Verfassungsschutz.
Die Sammlung der Postfaschisten findet unter dem Dach des EU Parlamentes statt. So berichtet die österreichische „Kleine Zeitung„:
„FPÖ-Vertreter sind demnach bei einer im vergangenen Herbst gegründeten ‚European Alliance for Freedom‘ mit von der Partie, die mittlerweile auch vom EU-Parlament anerkannt wurde. Präsident der Allianz ist der Brite Godfrey Bloom von der UKIP, einer Partei, die den Austritt Großbritanniens aus der EU fordert. Sein Stellvertreter ist Franz Obermayr, hinter Mölzer Nummer zwei auf der freiheitlichen EU-Liste. Mölzer legt allerdings Wert darauf, dass nicht die FPÖ als Partei Mitglied der Allianz ist: ‚Die meisten Mitglieder sind das als Personen, nicht als Partei – und wir auch.‘ Zu diesen anderen Mitgliedern gehören etwa Vertreter des rechtsextremen belgischen Vlaams Belang, der ‚Schwedendemokraten‘, der ‚Bürger in Wut‘ aus dem Bremer Landtag sowie der Partei für ‚Ordnung und Gerechtigkeit‘ des früheren litauischen Premiers Rolandas Paksas. Entgegen anderen Berichten sitze auch die Ungarin Krisztina Morvai – ebenfalls Mitglied der neuen Partei – nicht für die rechtsradikale, ungarische JOBBIK im EU-Parlament, sondern als parteifreie EU-Abgeordnete, meinte Mölzer, der auch die offizielle Brüsseler Anerkennung bestätigt: ‚Sie ist für dieses Jahr im Winter erfolgt und damit ist sie als Partei vom Präsidium des Europäischen Parlaments anerkannt.‘ Damit hat die Gruppierung für heuer Anspruch auf rund 370.000 Euro Parteienförderung. Nun überlegt die FPÖ laut Mölzer, ob auch die Partei als solche beitreten soll, was aber davon abhänge, ‚wie sich die anderen Partner verhalten‘.“
Ungarn weist eine weitere bedenkliche Entwicklung auf. Während der Braune Rand (in diversen Parteien, vor allem aber in CDU/CSU versammelt) ebenso wie Deutschlands Postfaschisten, mehr oder weniger und abgesehen von gelegentlichen Skandalen, bisher nicht so erfolgreich ist, sieht das in Ungarn ganz anders aus.
Mit der Wahl von Viktor Orbán (FIDESZ) erhielt Ungarn einen Ministerpräsidenten, den man als Außenstehender versucht ist, einen rechtsextremen Trojaner zu nennen. Die „junge Welt“ vom 13.4.2010 (zit. nach AG Friedensforschung) fasst zusammen: „Die politische Programmatik der zukünftigen Regierungspartei FIDESZ wurde in den letzten Jahren zunehmend von JOBBIK diktiert. Einige Kernforderungen der offen antisemitisch und antiziganisch auftretenden Partei wurden übernommen, z. B. die nach einer härteren Linie gegenüber der EU und der »Zigeunerkriminalität«. Angekündigt ist auch, dass zukünftig im Ausland lebende Ungarn – vor allem die Minderheiten in der Slowakei, Rumänien und Serbien – Pässe des Landes erhalten. Am Montag erklärte JOBBIK-Chef Gábor Vona, seine Partei werde eine »spektakuläre Politik« machen und »Zigeunerverbrechen ausmerzen«. Die Partei unterhält – trotz gerichtlichen Verbots – die Schlägertruppe »Ungarische Garde«, die sich bewusst in die Nachfolge der Pfeilkreuzler stellt, der Faschisten des Landes in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts.“
Orbán begann seine Karriere im Sommer 1989 mit einer Rede in Budapest, in der er die »Öffnung des Eisernen Vorhangs«, freie Wahlen und den Abzug der sowjetischen Armee forderte. Er verkündete damals: »Wir werden die Kommunisten zu Staub zertreten.« Das trug ihm massive Unterstützung u. a. aus der Bundesrepublik, vor allem von der FDP und deren damaligem Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff ein. Später trimmte er die Partei auf einen extrem nationalistischen Kurs, was ihm zunächst vor allem die Stimmen der neuen ungarischen Bourgeoisie und der Landbevölkerung einbrachte. Derzeit ist Orbán Vizepräsident der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören. Anders als bei Bildung der österreichischen Regierung mit dem rechten Politiker Jörg Haider vor zehn Jahren, gab es Montag keinerlei Distanzierung vom Wahlsieger durch die EU-Regierungen.“
Orbán setzt mit seiner Regierungsmehrheit alles um, was menschenverachten und reaktionär ist. Vom Arbeitsdienst bis zur Abschaffung der Presse und Meinungsfreiheit. Hegte man die bekannte bürgerliche Hoffnung, Orbán werde sich im Kreise der „Zivilisierten“ schon mäßigen, zeichnet sich nun wie schon einmal in Europa ab, wie unbegründet dieser Glaube ist, und daran festhalten, könnte brandgefährlich für ganz Europa werden.
„Die ungarische Geschichte ist ein lehrreiches und warnendes Beispiel, das zeigt, wie zerbrechlich die europäischen bürgerlichen Demokratien in diesen wirren und dekadenten Zeiten geworden sind. Dort, wo soziale Solidarität und der Zusammenhalt aufgrund von Gerechtigkeit fehlen, kann von den Bürgern nur schwerlich erwartet werden, dass sie liberale Institutionen, Checks and Balances und Gewaltenteilung verteidigen.“ Gáspár Miklós Tamás schließt mit den zutiefst pessimistischen Worten: „An diesem Punkt stehen wir heute. Es gibt keinen Weg zurück zu einer erfolglosen und unpopulären liberalen Ära. Eine Alternative zu einer neuen autoritären Ordnung ist derzeit nicht in Sicht.“ Seine eingangs zitierte optimistische Beurteilung der Lage in Ungarn hat sich in nur wenigen Monaten in ihr Gegenteil verkehrt.
Und Deutschland?
Ich will nicht im Detail auf die Nazi-Verbrechen der jüngsten Zeit eingehen. Sie sind bekannt, die Berichterstattung, die TAZ, die FR, Neues Deutschland, SZ und Magazine wie der „Stern“ausdrücklich und positiv erwähnt, einmal ausgenommen, ist gelinde gesagt, erbärmlich und trägt teilweise Züge von Heuchelei im Quadrat. „Überraschung“, „Wer konnte das Ahnen“ (liberal), „Döhner – Morde“ und „Türkenhasser“ (Bezeichnung für den norwegische Faschisten plus zu vermutendem Anhang, konservativ) sind Stichworte für den deutschen „Tiefgang“. Die Verstrickungen des deutschen Verfassungsschutz (?) und Bundesnachrichtendienst (beide gehören ersatzlos abgeschafft, sim), werden unterdessen immerhin fast einhellig als Skandal gewertet.
Eine NTV-Moderatorin schoss unlängst den Vogel ab, indem sie den faschistischen Mörder Anders Breivig, dem man nun möglicherweise die Zurechnungsfähigkeit abspricht, als „Türkenhasser“ bezeichnete. Wohlwissend, dass der Kerl das gewiss auch ist, aber das entscheidende ist, dass er ein sozialdemokratisches Jugendlager überfiel und mordete. Infam an einer solchen Formulierung ist, dass der „Code“ in Deutschland der ist, dass sich vom „Türkenhass“ viele, allzu viele Menschen positiv angesprochen fühlen. Hier werden Schnittstellen geschaffen, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt, sei einmal dahin gestellt. Im letzteren Fall sind solche Metaphern die pure Blödheit (Umfangreiches zur Frage der rassistischen Codizes von Sprache, Daniel J. Goldhagen, Schlimmer als Krieg, Wie Völkermord entsteht und wie er zu verhindern ist, Siedler Verlag).
Die Tat des angeblich unzurechnungsfähigen Anders Breivig ist die individuelle Umsetzung des Programms der ungarischen JOBBIK. So einfach ist das. Die von Massen getragenen und nicht mal mehr insgeheim geteilten Verfolgungs- und Gewaltaktionen gegen Minderheiten in Ungarn unterscheiden sich nur durch die massenhafte Beteiligung von Bevölkerung. Ist das nun Kollektive „Unzurechnungsfähigkeit“? Natürlich nicht!
„Diese jüngeren Leute werden sich, wie Jüngere das tun können, mit persönlichem, mit körperlichem Einsatz für die Durchsetzung der politischen Ziele einsetzen, und das ist gut, das ist hervorragend. Die Älteren können aber auch etwas tun. Man wird auch den hier Anwesenden aufgrund des Alters wohl kaum zumuten können, sich an Saalschlachten und Straßenkämpfen zu beteiligen. Aber was sie tun können, ist natürlich: Geld sammeln, Aktionen ermöglichen.“  (Hans-Helmuth Knütter, zitiert nach, Dr. Thomas Pfeiffer).
Knütter sagte dies in einem Film von „Panorama“, gesendet am 6.6.2002,  , die den Jahreskongress der „Gesellschaft für Freie Publizistik“ (postfaschistischer Think Tank) 2001 dokumentierte. Knütter selbst steht exemplarisch für den verbreiteten Braunen Rand der CDU/CSU. 1934 in Stralsund geboren, studierte er zwischen 1954 und 1959 Geschichte, Soziologie und Politik. Unter Protesten der Studentenschaft wurde er 1972 an die Universität Bonn berufen. Von 1985 bis 1989 war er für die CDU Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Bundeszentrale für politische Bildung. Emeritiert wurde er 1997 (nicht etwa gefeuert, denn man hatte ihn ja hochoffiziell berufen).
Knütter ist auch deshalb interessant, weil er sich um die postfaschistische Vernetzung verdient macht:
„Was können wir tun? Wir sollten uns zusammenschließen. Ohne Berührungsängste. Diese Berührungsängste sind ja das Schlimmste. Der eine will nicht mit dem anderen, weil der eine zu extrem ist und der andere einer Sekte angehört. Dann der Dritte ist umstritten. Der Vierte ist von irgend welchen fragwürdigen Gerichtsurteilen her vorbestraft. Und daraus folgt, dass fünf Finger eben keine Faust sind. Die fünf Finger können einzeln gebrochen werden, die Faust nicht.“ (nach Wikipedia)
Ein pikantes Detail ist obendrein, wen man gleich am Beginn des Films sieht. Einen alten hessischen Bekannten, wie er nichts dabei findet, mit bekennenden Holocaust Leugnern die Nationalhymne abzusingen (alle Strophen?): Roland Koch. Auch dabei, Jörg Schönbohm, seinerzeit Innenminister. Dem unterdessen von seinem Busenfreund Roland Koch inthronierten aktuellen Ministerpräsident Volker Bouffier (vormals Innenminister unter Koch) dürfte das Treiben seines damaligen Ministerpräsidenten Koch kaum entgangen sein.
Die „Gesellschaft für Freie Publizistik“ gilt dem Bundesverfassungsschutz, wie auch dem Verfassungsschutz NRW als „größte rechtsextreme Kulturvereinigung“ (s.a. Dr. Th.Pfeiffer, NRW), aber freilich gibt man sich seinerzeit, ein Schelm wer böses dabei denkt und Parallelen zu heute sieht, „ahnungslos“ (damals etwa der CDU Generalsekretär Laurenz-Mayer).
Dass Ministerpräsident Koch seinen Wahlkampf ausgesprochen ausländerfeindlich gestaltete und gewann (Armutszeugnis für die Hessen) lässt sein auffällig berührungsangstfreies Engagement bei der rechtsextremen „Kulturvereinigung“ durchaus in einem etwas anderen Licht erscheinen. Hat er sich dort die passenden Impressionen geholt?
Ich höre schon leises Murmeln. „Verschwörungstheorie“. Dagegen spricht zweierlei: Die Entwicklung in Ungarn ist Fakt. Die Verbindungen etablierter demokratischer Parteien in Deutschland in den rechten Rand sind es ebenfalls und die aufgeführten Beispiele sind nachweislich keine Einzelfälle.
Möglich ist also folgendes. Terroristische, postfaschistische Aktivitäten sind seit langem bekannt. Ein größeres Ereignis sei in Erinnerung gerufen. Das Attentat auf das Münchner Oktoberfest 1980. Dreizehn Menschen starben, 211 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Gruppierungen wie die „Zwickauer Zelle“ oder „Nationalsozialistischer Untergrund“ bestehen aus Leuten, denen in Deutschland das Wiedererstarken von postfaschistischen Bewegungen schlicht „zu langsam“ geht. Als Fanatiker aus dem rechten Lager kann man durchaus ob der jahrzehntelangen „Erfolglosigkeit“ verzweifeln. Sie betrachten ihre Terroranschläge als „Beschleuniger“, und die Auswahl ihrer „Ziele“ scheint das zu bestätigen. Sie können darauf hoffen, zumindest „klammheimliche Freude“ größerer Bevölkerungsschichten zu kassieren („Türkenhasser“), als derzeit bereit wären, sich zum Beispiel aktiv an ausländerfeindlichen Pogromen, Jagd auf Andersdenkende, Homosexuelle und religiöse und andere nach wie vor stigmatisierte Minderheiten zu beteiligen. Dass so etwas umschlagen kann, ist gewiss allen Demokraten in Deutschland mehr als bewusst. Die Pogrome von Hoyerswerda im September 1991 sind unvergessen. Unvergessen das Bild des verpissten wahren „Deutschen“ im Trainingsanzug mit Bierflasche vor brennendem Asylantenheim … Katastrophal wird es wenn solche Tendenzen in „Garden“ (Ungarn) ihren organisierten Ausdruck finden und auf die Menschheit losgelassen werden.
Unter aktiver Beteiligung des Sozialdemokraten Sarrazin, der es mit einer Millionenauflage in die Wohnstuben des deutschen „Bildungs“bürgertums schaffte, bekommt ein derartiger Mob ein gerüttelt Maß an „intellektuellem Rüstzeug“.
Eine Demokratie, die gegenüber solchen Strömungen Liberalität pflegt, wird kaum zu retten sein.
Lesenswertes zum Hintergrund:
Aktuell, Peter Knobloch (Der Freitag, online) am 27.12.2011
Filmkritik zum Rechtsruck in Ungarn (Doku)
EU – Xenophobia Report (Spiegel Online)
Minister für Inklusion im TAZ Interview
Umfragewerte vom September 2011
Antisemitismus in Ungarn
G.M. Tamás, Das ungarische Desaster
Dr. Thomas Pfeiffer Dipl. Journalist, Soz.Wissenschaftler, ab 2002 NRW, Verfassungsschutz, Rechtsextremismusforschung
Presserklärung des ARD zum Panorama Bericht über CDU Mitglieder im Rechtsextremen Umfeld
Zum Braunen Rand siehe auch riverside-magazin.de
Stern dokumentiert Zwickauer Zelle, Nationalsozialistischer Untergrund
 

2001 schrieb Gaspar M. Tamás zum Charakter des Post-Faschismus unter der Überschrift „Berlusconi, Haider und der Postfaschismus“:
„Der Post-Faschismus kommt ohne SA-Männer und Diktatoren aus. Dieser Extremismus aus der Mitte bedroht die demokratische Ordnung nicht bis zur Kernwählerschaft. Freiheit, Sicherheit und Wohlstand bleiben unberührt, wenigstens für die produktive Mehrheit derer, die in reichen Ländern leben. Aber die Staatsbürgerschaft ist – wie schon zuvor die Ausdehnung der Demokratie, die das große Geschenk der Aufklärung war – nicht zu einem allgemeinen Menschenrecht geworden, sondern zu etwas, das von den Herrschenden gewährt wird.
Tatsächlich sind Befreiungskämpfe wie die, die zu einer allgemeinen Staatsbürgerschaft geführt haben, unmöglich für die heutigen armen Schlucker dieser Erde. Die Armen sind einfach überflüssig. Sie werden nicht ausgebeutet, sondern vernachlässigt. Die Mitte, weit davon entfernt diejenigen in der Peripherie auszubeuten, versucht lediglich sie draußen zu halten. Beeindruckende Barrieren werden an den Grenzen der reichen Länder errichtet. Humanitäre Kriege werden geführt, um zu verhindern, dass Massen von Flüchtlingen in die westlichen Wohlfahrtssysteme strömen und diese verstopfen.
Die Staatsbürgerschaft in einem funktionierenden westlichen Land ist die einzige sichere Essensmarke in der modernen Welt, aber sie ist heutzutage ein Privileg für Wenige. Der Post-Faschismus muss Nicht-Staatsbürger nicht in Güterzüge laden; stattdessen muss er sie nur davon abhalten Züge zu besteigen, die sie in die glückliche Welt des reichen Westens bringen könnten.“
„Berlusconi, Haider und der Post-Faschismus“ weiterlesen:

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://gruene-linke.de/2011/12/02/die-internationale-des-postfaschismus/

1 Ping

  1. […] sich die Situation zu Gilda Horvath im Gespräch mit neuwal 9 Dezember 2011; "Parteien Die Internationale des Postfaschismus Grüne LinkeIn einem Gespräch mit einem namhaften GRÜNEN Politiker am Rande der BDK im November 2011 […]

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.