Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich dann ungeniert?

Zur Krise der Grünen: 

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  1. Bestandsaufnahme der grünen Ampel-Politik

Schon früh gab es den Streit um die Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke. Der Streckbetrieb hat sich energiepolitisch als sinnlos, für die Steuerzahler*innen als teuer und fürs Klima als wirkungslos erwiesen. Dennoch verlangt die FDP unbeirrt von den Fakten den unbegrenzten Weiterbetrieb. Die notwendige Steuererhöhung für Reiche, etwa durch eine Reform der Erbschaftssteuer bzw. die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, lehnt die FDP ab. Sie klebt an der Schuldenbremse, während sie zugleich an Steuerschlupflöchern und klimaschädlichen Subventionen in Höhe von
ca. 65 Milliarden Euro (Quelle: Umweltbundesamt) festhält. Indem die FDP sowohl den sozialen Ausgleich durch das von den Grünen geforderte Klimageld als auch die sozialökologische Transformation für verzichtbar erklärt, agiert sie als parlamentarischer Arm neoliberaler und fossiler Profitinteressen.

Erneuerbare Energien werden auf diese Weise ebenso ausgebremst wie die CO2-Reduktionsziele. Die faktische Abschaffung der Sektorenziele als Rückgrat der Klimaschutzarchitektur im Sinne von FDP-Verkehrsminister Volker Wissing bedeutet einen Rechtsbruch der Regierung. Ein Tempolimit, welches erwiesenermaßen einen deutlichen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten könnte und in ganz Europa bereits Realität ist, wird weiterhin abgelehnt.

Mit dem Knüppel der „Verzichts- und Verbotsideologie“ (à la Veggie-Day) gegen die Grünen werden Ausstiegsdaten aus der Verbrenner-Technologie bei Autos und Heizungen bekämpft. Die FDP setzt ausschließlich auf ihre neoliberale Steinzeit-Marktideologie, die in der Klimapolitik längst gescheitert ist. Diese dient ihr jedoch weiterhin dazu, die Interessen der Wohlhabenden durchzusetzen nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut!“

  1. Das Ampel-Gehampel führt zur Stärkung des rechten Randes

In der Ampelkoalition verhindert die FDP praktisch jedes Vorhaben der Grünen. Bundeskanzler Olaf Scholz lehnt sich gelassen zurück und überlässt den Streitparteien Grüne und FDP das Feld. „Führung bestellt“ – aber „geliefert“ wird nicht! Insgeheim herrscht wohl Schadenfreude darüber, dass die Konkurrenz bei Wahlen und Umfragen stark nachlässt. Die Grünen haben ihre Regierungsbeteiligung in Berlin und bei den Wahlen in Bremen 5,5 Prozentpunkte (= 32 Prozent ihrer Stimmen!) verloren.

Mit drastischen Wahlverlusten muss auch bei den nächsten Landtagswahlen in Hessen und Bayern sowie bei der Europawahl gerechnet werden. Mittlerweile liegt die AfD bei den Wahlumfragen vor den Grünen und gleichauf mit der SPD auf Platz zwei. Die machttaktischen „Spielchen“ der FDP, der Streit in der Ampelkoalition und ihre Unfähigkeit, die drängenden Zukunftsfragen zu lösen, führen zu Demokratieverdrossenheit und zur Stärkung der AfD.

  1. Der grüne Bundesvorstand fällt als Korrektiv aus!

Der grüne Bundesvorstand und die Fraktion (teilweise in Personalunion) schauen diesem Treiben in der Ampel tatenlos zu. Eigene Fehler von grünen Regierungsverantwortlichen werden schöngeredet. Es geht allein darum, unseren Minister*innen den Rücken freizuhalten, anstatt klare Kante zu zeigen und die Parteilinie bzw. unsere Parteibeschlüsse zu vertreten. Intern bemüht sich der Bundesvorstand, parteiinterne Kritiker*innen an den Rand zu drängen oder sie mit anderen zweifelhaften Methoden ruhigzustellen. Ursache für den Bedeutungsverlust der Grünen ist der seit Jahren betriebene Prozess, grüne Grundwerte wie Gewaltfreiheit, Ökologie, soziale Politik und Basisdemokratie zu entschärfen bzw. zu schreddern, damit die Partei stromlinienförmig in jede Regierungskoalition eintreten kann.

Die Folge davon kann mit einem Spruch aus dem Plattdeutschen gut beschrieben werden: „Wör sög för`n Pannekauken utgift, dei wet ok dorfür upeiten!“ Für Menschen, die des Plattdeutschen nicht so mächtig sind, hier die Übersetzung: „Wer sich für einen Pfannkuchen ausgibt, der wird auch als solcher aufgegessen!“ Dieser Spruch fasst die aktuelle Lage der Grünen zusammen, die FDP hat rote Linien und benennt diese auch klar, die Grünen haben keine und sind zum Bettvorleger und Fußabtreter der FDP geworden.

  1. Konfrontation statt Klimaschutz

Der Koalitionsvertrag und die Besetzung der Ministerien ließ hoffen, dass die deutsche Politik sich auf die nahende Klimakatastrophe konzentriert. Die praktische Politik der Grünen sah dann anders aus. Nicht die internationale Kooperation zum Kampf gegen den Klimawandel stand im Vordergrund, sondern die sich verschärfende Konfrontation mit Russland und China, wovor wir als Unabhängige Grüne Linke seit Jahren warnen. Anstatt diplomatische Initiativen zur friedlichen Konfliktlösung in der Ukraine zu unterstützen, setzten Grüne ganz auf Sanktionen und – nach dem Angriffskrieg der russischen Armee – die Lieferung von immer mehr und schweren Waffen sowie die weitere Aufrüstung der NATO.

Eine Folge der Sanktionspolitik war, dass Russland kein Erdgas mehr lieferte. Um schnell Ersatz zu beschaffen, hat unsere Partei (zu!) viele faule Kompromisse in der Ampel vereinbart, wie den umweltschädlichen Bau von LNG-Terminals für umweltschädliches Fracking-Gas, Kohleimporte aus Kolumbien oder längere Laufzeiten für Atomkraftwerke.

Weitere drastische Herausforderungen warten politisch auf uns: Wirtschaftliche Rezession und Inflation, humanitäre Hilfe für alle, die vor Krieg, Gewalt, Armut oder aufgrund zerstörter natürlicher Lebensgrundlagen fliehen müssen, Armut, Fachkräftemangel, Wohnungsnotstand, fehlende Kitaplätze, verfehlte Bildungspolitik etc.

  1. Was tun?

Die Grünen müssen sich endlich wieder an ihre gewaltfreien und ökologischen Wurzeln erinnern und in der Ampel klar definierte rote Linien aufgrund der gültigen Beschlusslage und des Koalitionsvertrages ziehen, sonst wird der dramatische Niedergang bei den Wahlen und Umfragen weitergehen. Die von uns als Unabhängige Grüne Linke (UGL) immer kritisierte Frage der Kanzlerkandidatur hat sich damit jedenfalls erledigt.

Zur Bewältigung der Krise ist eine antizyklische Krisenpolitik und der von den Grünen geforderte Green New Deal erforderlich. Die FDP will das Gegenteil durchsetzen, eine neoliberale Spar- und Austeritätspolitik, die bereits z. B. in der Weimarer Republik und während der Euro-Krise gescheitert ist. Nur wenn unsere Minister*innen und der Bundesvorstand bereit sind, auch die weitere Regierungsbeteiligung in Frage zu stellen, werden grüne Anliegen in der Ampel Resonanz finden. Jedes andere Verhalten ist blauäugig und führt weiter in den grünen Abgrund!

Sinnvoll wäre dazu eine zeitnahe Sonder-BDK, die eine Bestandsaufnahme und kritische Reflexion unserer bisherigen Regierungsverantwortung, eine schonungslose Aufarbeitung der eigenen Fehler (z. B. Trauzeugen und weitere Affären in Habecks Ministerium, Fehler bei der Ausformulierung, Kommunikation und Umsetzung beim Gebäudeenergiegesetz/GEG) und die Festlegung klarer roter Linien für die Fortführung der Ampelkoalition beinhalten muss. Geschieht dies nicht werden die Grünen weiterhin in der Ampel-Koalition untergehen, sich von einem faulen Kompromiss zum nächsten faulen Kompromiss hangeln und ihr Gesicht verlieren. Das Durchsetzen grüner Politik nach den nächsten Wahlen können wir dann zu den Akten legen.

Unabhängige Grüne Linke (UGL)

v.i.S.d.P.: Klemens Griesehop für das Orga-Team der UGL: www.gruene-linke.de

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