Anne Spiegels größter Fehler: Nicht NEIN sagen zu können!

Autorenbeitrag, 13.4.22
Der gnadenlose Umgang von Presse und Partei mit der Politikerin Anne Spiegel wirft mehr Fragen auf, als er Antworten liefert.
Sicher hat Anne Spiegel in ihrer noch jungen Karriere, gerade in den letzten Monaten und Jahren, Fehler gemacht. Maßgebend waren drei Fehler: ein dummer und zwei entscheidende. Letztere werden in der Diskussion „großzügig“ übergangen, aber sie sind – wie gesagt – die entscheidenden Fehler in diesem Fall:

Der dumme Fehler

Zu dem vierwöchigen Urlaub nach der Katastrophe an der Ahr kommen wir gleich noch. Die – leicht nachprüfbare – Lüge, in diesem Urlaub an den Ministerrunden teilgenommen zu haben war schlicht dumm und naiv. Dass dies überprüft würde und anhand der Protokolle leicht zu widerlegen war, hätte Anne klar sein müssen.

Der erste entscheidende Fehler

Das Beratungsteam …
… um Anne Spiegel war in den entscheidenden Phasen entweder nicht vorhanden, im Dornröschenschlaf, im gegnerischen Lager, wer auch immer das sein mag, oder schlicht unfähig. Ein derartiges Amt braucht Kommunikation und die braucht eine Strategie, gerade in Krisenfällen.  Die am 11.4. ausgespielte vermeintliche Trumpfkarte mit den familiären Hintergründen musste an dieser Stelle in die Katastrophe führen. Monate vorher, geschickt und geplant – entlang den tatsächlichen Ereignisse gezogen, wäre vermutlich überhaupt keine Diskussion um den Urlaub aufgekommen. Man erinnere sich an Müntefering (pflegte seine schwerkranke Frau) oder Schwesig (Outing der Krebserkrankung). Man stelle sich vor, ein Minister xy träte vor die Presse und würde folgendes zu Protokoll geben: „Schlimme Katastrophe, aber in meiner Familie ist die Lage ähnlich schlimm: die Kinder haben massive Probleme mit Covid, meine Frau hat einen Schlaganfall, so leid es mir tut, bitte ich um eine Auszeit von drei Monaten. Meine Vertreter*innen sind top, und ich werde telefonisch jederzeit erreichbar sein. Jetzt braucht mich meine Familie mehr als mein Land!“ Der Mann würde gefeiert!
Aber es wurde gestümpert und vertuscht, bis nichts mehr unter den Teppich passte. Wo war das Team um sie in dieser Phase? Wo waren Landes- und Bundespartei? Wo waren die Vorsitzenden? Warum wurde nicht beim ersten Aufkommen der erkennbaren Pressekampagne gegengesteuert?
Übrigens, zwei Hinweise:
1. Zuständig für den Katastrophenschutz und Wiederaufbau ist in RLP das Innenministerium (SPD)!
2. (Erklärung der Menschenrechte, Res. 217A (III) vom 10.12.1948, UN) Jeder hat das Recht auf … regelmäßigen, bezahlten Urlaub.

Der zweite entscheidende Fehler:

Anne Spiegel kann nicht NEIN sagen.
Und DAS hätte sie an zwei entscheidenden Weichenstellungen ihrer Karriere unbedingt machen sollen.
Fall 1: Rücktritt der damaligen Umweltministerin Ulrike Höfken
Anne wurde daraufhin genötigt, das Ressort – für sie als fachfremd kaum überblickbar und zudem mit einer Verwaltungsaltlast (die Rücktritt-entscheidenden Beförderungsfälle, die abzuarbeiten waren) belastet, als zweites Ministerium bis zu den Wahlen mitzuführen. Man kann sich vorstellen, mit welchem zusätzlichen Arbeitsaufwand das verbunden war. Zudem war sie auch noch die Spitzenkandidatin im gerade angelaufenen Wahlkampf.
Fall 2: Übernahme des Bundesfamilienministeriums
Anne war noch nicht richtig im Amt der RLP-Ampel, u.a. als Stellvertretende Ministerpräsidentin und dringend in RLP gebraucht, als sie der „Ruf nach Berlin“ ereilte. Das ihren eigentlichen politischen Ambitionen (Familien, Frauen, Jugend …) näherliegende Ressort mag diese Entscheidung mit beeinflusst haben. Zustande gekommen ist sie aber – auch das wird jetzt natürlich mit dem Mäntelchen des Schweigens überdeckt – weil sich zwei grünen Platzhirsche (Hofreiter und Özdemir) um ein Ministerium stritten und Özdemir sich durchsetzte – und zur Befriedung der Parteilinken ein Feigenblatt des linken Flügels in die Ministerriege rücken musste. Frau musste das Feigenblatt auch noch sein, und damit wurde die Auswahl offenbar sehr übersichtlich. Irgendwer kam auf die „kluge“ Idee, in RLP sei ja gerade gewählt, da könne nichts passieren, also warum nicht Anne Spiegel?
Hätte Anne an beiden Stellen nein gesagt, wäre sie vermutlich jetzt noch Ministerin in RLP und es ginge ihr und ihrer Familie deutlich besser.

Es bleiben eine Menge offener Fragen

  • Wir sind gespannt, ob die Parteimitglieder darauf Antworten bekommen werden:
  • Warum hat man Anne in den letzten Wochen derartig ins offene Messer rennen lassen?
  • Warum wurde seitens der Partei nicht öffentlich gegengesteuert?
  • Warum wurde offenbar über ihren Kopf hinweg ihr Rücktritt entschieden?
  • Wo waren die Kämpferinnen (ohne *) für die Frauenquote, deren Unterstützung Anne dringendst in diesem – der Quote geschuldeten – Fall gebraucht hätte?
  • Gibt es vielleicht weitere Hintergründe, etwa in Bezug auf Entscheidungen in der Ministerrunde, mit denen sich Anne schwergetan hat? (Ihre pazifistische Haltung gerade auch gegen die anstehende Atomare Nachrüstung in Büchel ist bekannt.)

Wir finden den Umgang mit Anne Spiegel indiskutabel. Er ist unangemessen, unpassend, würdigt nicht ihre bisherige Arbeit und ist vor allem menschlich schlicht unterirdisch!
Karl W. Koch, Simon Lissner

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