Presseerklärung des Orgateams
der Unabhängigen Grünen Linken
zum gerade beendeten digitalen Parteitag von
Bündnis 90 / Die Grünen
22. November 2020
Bewertung des Parteitages
Unsere Bilanz als Vertreter*innen der Unabhängigen Grünen Linken zu den Ergebnissen des Parteitages ist zweigeteilt:
Zum Einen ist es uns und anderen Vertreter*innen des Linken Flügels gelungen, im Vorfeld viele unserer Punkte in das Programm hinein zu verhandeln und damit etliche Schwachstellen und schwammigen Aussagen der ursprünglichen Version zu korrigieren. So gelangen deutliche Klarstellungen u.a. zur Kernfusion, Nuklearen Teilhabe („zügiges Ende“), Beitritt zum Atomwaffenabrüstungsvertrag, KEIN Auslandseinsatz ohne UN-Mandat und schon gar nicht in einer „Koalition der Willigen“, Festschreibung des 1,5°-Zieles der Pariser Klimaschutzkonferenz. Auch die Basisdemokratie und das Ziel der Gewaltfreiheit konnten als Grundwerte verankert werden. Die vom Bundesvorstand vorgesehene Satzungsänderung für Änderungsanträge wurde vertagt, sodass weiterhin 20 Grüne und Ortsverbände einen Antrag auf BDKen stellen können. Unsere basisdemokratische Beteiligung bleibt also erhalten.
Zum Anderen gingen viele Abstimmungen zugunsten des Bundesvorstandes aus, mit der beachtenswerten Ausnahme der Änderung zum Bedingungslosen Grundeinkommen. Von den Antragsteller*innen gewonnen wurden weiterhin die Abstimmungen zum Wahlalter 16 und zur kostenfreien Bildungsfinanzierung. Verloren gingen aber leider etliche andere, die unserer Meinung nach einem grünen Grundsatzprogramm gut angestanden hätten, wie z.B. Volksentscheide, ein deutlicheres Nein zur Gentechnik in der Landwirtschaft, Nicht-Angriffsfähigkeit der Bundeswehr… Bei den Gentechnik-Aussagen gelang immerhin eine sehr deutliche Abmilderung der ursprünglichen „Pro“-Linie.
Die Mehrheit der Delegierten des Parteitages folgte dem vom Bundesvorstand vorgegebenen Kurs, der vieles weichspült und urgrüne Aussagen entschärft und relativiert. Ob es Ziel oder Wunschdenken war, bessere Wahlergebnisse zu erreichen oder ein Herabfahren der Hemmnisse für eine denkbare CDU/CSU-Koalition anzugehen, überlassen wir jeder*m, selbst zu beurteilen. Beides sehen wir als wenig zielführend. Nur eine starke Grüne Partei kann in einer kommenden Koalition – mit wem auch immer – von der „Kellner-“ in die „Kochrolle“, also in eine führende Rolle wechseln. Unsere Grüne Partei wird aber Wähler*innen verprellen, wenn sie ihre wichtigsten Ziele weichspült. Wir wurden bisher auch und gerade für unsere Glaubwürdigkeit gewählt, bisher ein Alleinstellungsmerkmal in der politischen Landschaft. Verlieren wir diese, müssen wir uns nicht wundern, wenn eine neue Partei diese von uns provozierte Lücke ausfüllt.
Unsere Schlussfolgerung muss sein, die jetzt entstandene Schwammigkeit beim Wahlprogramm in eine konsequent-grüne Ausrichtung zu korrigieren. Jede Zeit hat ihre Farbe, und die nach der Bundestagswahl kann nicht ein tiefes Schwarz mit grünen Klecksen sein …
Karl-W. Koch, Barbara Romanowski, Clara-Sophie Schrader, Klemens Griesehop, Andrea Piro, Lothar Winkelhoch, Hans Schmidt, Mario Hüttenhofer