Fragen und Antworten von Thomas Dyhr zum Einsatz der Bundeswehr im Innern
„…Wurde im staatlichen Spar-Wahn auch die Polizei personell so weit ausgedünnt, dass sie kaum noch handlungsfähig ist und die Unterstützung der Bundeswehr braucht? (Allerdings spricht das aktuelle Münchner Beispiel dagegen.)…“
- Da Polizei Ländersache ist, fielen die Sparmaßnahmen in den Ländern unterschiedlich aus. In Brandenburg wurde z.B. allen Expertenratschlägen zum Trotz vom ehemaligen Innenminister Rainer Speer ausschließlich fiskalisch motivierte Zielzahlen der Polizeistärke im Wege einer Polizeireform durchgesetzt und damit die Brandenburger Polizei mehr oder weniger kaputtgespart.
(Ein kritischer Artikel aus dem Jahr 2010, aus dem auch etliche Problemlagen hervorgehen, ist unter https://www.thomas-dyhr.de/?page_id=274 zu lesen.) - Da Polizisten in der Regel unkündbare Beamte sind, führt man Stelleneinsparungen in der Regel so durch, dass man freiwerdende Stellen nicht mehr besetzt. Das führt – wir erleben es gerade derzeit bei der Berliner Polizei, wo 10 Jahre lang nicht mehr eingestellt wurde, sehr schmerzhaft – zu einer ungünstigen Alterspyramide, weil ganze Jahrgänge fehlen. Hieraus folgt nicht nur eine Überalterung des Personalkörpers mit Folgewirkungen (erhöhte krankheitsbedingte Ausfallzeiten etc…), sondern viel dramatischer ist der Verlust an Know How.
Der Berliner Polizei steht ab 2017 eine große Welle an Pensionierungen bevor. Man hat zwar jetzt schon wieder ein paar Jahre junge Leute eingestellt. Die sind aber nach ihrer Ausbildung noch nicht sonderlich erfahren und können voraussichtlich nur schwer sowohl quantitativ, noch qualitativ die Abgänge ersetzen. - Gehende Führungskräfte können zwar noch aus einer ganz vernünftig bestückten zweiten Reihe ersetzt werden, aber es fehlt an einer erfahrenen 3. Reihe, die nahtlos Stellvertreterpositionen übernehmen können… Und wenn die dritte Reihe zur zweiten aufrückt – wo sind die Sachbearbeiter?
- Nächstes Problem Neueinstellungen – es gibt in den aktuellen geburtenschwachen Jahrgängen nicht ausreichend qualifizierte Bewerber. Die Nachwuchsgewinnung ist ein ganz großes Thema. Polizei muss auf dem Bewerbermarkt mit attraktiveren und besser bezahlten Berufen konkurrieren. Jede nicht besetzbare Stelle schlägt auf die Stärke durch.Deswegen wird in erheblichen Maße bei Migranten und teilweise auch im benachbarten EU-Ausland Nachwuchsgewinnung betrieben.
Soll man jetzt die Qualitätsanforderungen an den Nachwuchs reduzieren? Erfahrungsgemäß erhöht sich dadurch die Zahl der Ausfälle im Laufe der Ausbildung. - Hat endlich man den Nachwuchs eingestellt, folgen 3 Jahre Ausbildung, bevor der Nachwuchs auf die Menschheit losgelassen werden kann. Wenn aber erst Stellen zur Nachbesetzung freigegeben werden, wenn der aktuelle Stelleninhaber in Pension gegangen ist, entsteht eine zeitliche Lücke von 3 Jahren, die auf die Stärke durchschlägt. Die Leute fehlen drei Jahre auf den Dienststellen (…der Finanzminister bezahlt in der Zeit nur das verringerte Ausbildungsgehalt und spart…) und wenn die „Köpfe“ kommen, müssen sie das Know How erst noch in sich aufnehmen. Perspektivisch die Leute bereits durch Neueinstellungen zu ersetzen, wenn die vorhandenen Stelleninhaber noch ihren Dienst versehen, kostet natürlich mehr Geld!
- Man hat im Zuge der Föderalismusreform die Beamtenbesoldung zur Regelung in den Ländern freigegeben. Jedes Land und der Bund können nunmehr selber entscheiden, wie sie ihre Beamten bezahlen. Jetzt gab es Bundesländer, die machten aus Haushaltsnöten ihre Beamten zu „Sparschweinen“ und freuten sich über eingesparte Mittel und dann gibt es Länder, die das nicht oder nicht in dem Maße gemacht haben. Berlin machte aus seinen Beamten sogar ganz große „Sparschweine“ – Stellenkürzungen, Gehaltskürzungen, Beihilfekürzungen, Beförderungsstopps… (Nur mal zur Illustration eine Pressemitteilung der GdP: https://www.gdp.de/gdp/gdpber.nsf/id/157324C2A991ABF5C1257FCD00261BD9 ).Das führt in der Wirkung aber dazu, dass junge und ungebundene Nachwuchskräfte in größerer Zahl auswärtige Stellenausschreibungen zur Abwanderung zu den besser zahlenden Bundesbehörden und besser zahlende Länderbehörden nutzen.Damit sind sie für – Berlin (austauschbar… Brandenburg, Meck-Pomm…) verloren. Wenn sich also Herr de Maiziere hinstellt und wegen der Terrorgefahr 1.000 Stellen für die besser zahlenden Bundesbehörden BKA, BND, Verfassungsschutz oder die Bundespolizei aus dem Boden stampft, wird er diese 1.000 Leute nicht alle selber ausbilden, sondern kann getrost auf ausgebildete Leute aus den Ländern hoffen, die ihren schlechtr zahlenden Dienstherren weglaufen.
Damit gräbt De Maiziere den Ländern aber das Wasser ab!
Wieder ein Fall der behaupteten „Innenkompetenz“ der CDU – ich sage eher „Inneninkompetenz“ – der Kaiser hat keine Kleider an.
Die Länder müssen dann also noch mehr Nachwuchs in dem bereits beschrieben schwierigen Umfeld rekrutieren und Herr de Maiziere lässt sich von einer ahnungslosen Öffentlichkeit als „Innenmacher“ feiern und haut im Wahlkampf anschließend auf den Länderinnenministern ein, die angeblich ihren Job nicht gemacht haben… - In der Auflistung fehlt auch die Justiz. Auch diese wurde kaputtgespart. Juristische Arbeit ist aber nicht am Fließband zu machen. Wir brauchen ausreichend Staatsanwälte und Richter, damit die Verfahren in einer angemessenen Zeit abgewickelt werden können.
Polizeiarbeit ohne anschließende Bearbeitung durch die Justiz ist für die Katz!
Personell bedingte überlange Verfahrensdauern bringen schuldunangemessenen Strafrabatt.
„Wenn der ‘Kampf gegen den Terror (von außen)’ tatsächlich die neue Form des Krieges ist – ist es dann nicht folgerichtig, dass die Bundeswehr hinzugezogen wird (s.u.)?“
Nein! Der Kampf gegen den Terror im Innern ist eine Aufgabe der Polizei/ Geheimdiensten/ Justiz(!!!) und ist auch nur durch gekonnte Ermittlungsarbeit auf der Grundlage der geltenden Gesetze zu leisten.
Er ist nicht durch „Haudrauf und Schluss“ zu gewinnen oder wollen wir im Ernst, dass die Bundeswehr ganze Stadtteile mit schweren Waffen verwüstet, weil sich in irgendeiner Wohnung vielleicht ein Terrorist aufhält?
Wie das aussieht, kann man sich auf den veröffentlichten Fotos aus kurdischen Städten in der Türkei betrachten.
Bundeswehr und Polizei haben komplett andere Aufgabenprofile und unterschiedliche Ausrüstungen. Die Bundeswehr ist für polizeiliche Aufgaben nicht ausgebildet und es erscheint mir auch nicht sinnvoll, Bundeswehr im Innern einzusetzen.
Ich hätte als Einsatzleiter jedenfalls keine Vorstellungen, wie bewaffnete Hilfskräfte ohne Ausbildung sinnvoll einsetzbar wären.
Jörg Rupp verwies zu recht auf die Verfassungslage und die Quelle unter www.bundeswehr.de
Wir müssen aber im Blick behalten, dass die GroKo derzeit noch eine verfassungsändernde Mehrheit hat und können nur hoffen, dass die SPD diesen innenpolitischen Amoklauf der CDU/ CSU nicht mitträgt.
„Wie grenzen wie ‘normale’ Kriminalität gegen Amok und Terror ab? Wer ist wofür zuständig?“
Die Abgrenzung erfolgt anhand der erkennbar werdenden Motivation der Täter zur Tat. Terrorverfahren werden in der Regel von Staatsschutzdienststellen der Länder und dem BKA bearbeitet.
Staatsschutzdienststellen sind übrigens nix besonderes, sondern ganz normale Kripo-Dienststellen, die Delikte mit politischer Motivation bearbeiten. Das reicht von Lappalien, wie dem sprichwörtlichen Hakenkreuz, das in den Schnee gepinkelt wurde oder einer Hakenkreuzschmiererei oder Naziattacke auf Politiker über linke Steinewerfer, angezündete Flüchtlingsheime bis zu Terrorismusdelikten.
Amoklagen sind dagegen Fälle der allgemeinen Kriminalität und werden in der konkreten Einsatzlage von den ersten Einsatzkräften vor Ort/ SEK und in der Nachbereitung in der allgemeinen Aufbauorganisation (in Berlin je nach Sachlage wahrscheinlich Mordkommission…) bearbeitet.
„Gibt es einen Unterschied in der Bekämpfung des Terrors von innen (Beispiel NSU) und der des Terrors von außen (Beispiel IS)? Wer ist wofür zuständig? Welche Kriterien und Definitionen sollen hier gelten?“
Die Bearbeitungszuständigkeit wurde unter 3. bereits erläutert. Es hängt viel davon ab, wie eine Tat anhand der Umstände und Spurenlage eingestuft wird, wo die Bearbeitungszuständigkeit angesiedelt wird.
Der Unterschied „innen“ und „außen“ ist- wie Paris, Nizza und Belgien zeigte fließend. Entscheidend ist, dass die zuständigen Dienststellen und Geheimdienste (…die keine Exekutivbefugnisse haben…) vernünftig zusammenarbeiten. BND mit Blick nach außen, Verfassungsschutz nach innen.
Definitionsversuch: https://e-politik.de/artikel/2002/terrorismus-eine-definition/
Welche Konsequenzen hätte eine neue Aufgabendefinition für Personalstand und Ausbildung der Bundeswehr?
Ganz einfach… die Aufgabe müsste personell hinterlegt werden (…Schwierig, weil auch die BW mit Nachwuchsproblemen kämpft…) und die Soldaten müssten für die Aufgabe ausgebildet werden.
Aber Quizfrage: Will man allen Ernstes eine dreijährige Polizeiausbildung für Soldaten installieren oder schwebt hier unseren „Inneninkompetenzlern“ nicht eher eine ungelernte Polizei-Hilfstruppe vor, die allenfalls eine Waffe halten kann, die aber von Strafprozessrecht etc. null Plan hat und für Hiwi-Aufgaben verplant werden soll?
„Wenn die Bundeswehr aber ausschließlich außerhalb der Staatsgrenzen agieren soll, durch welche Mittel soll dann die Erfüllung der Sicherheitsaufgaben innerhalb der Staatsgrenzen gewährleistet werden?“
Es geht meiner Überzeugung nach der Union darum, die verfassungsrechtlichen Schranken gegen den Einsatz der Bundeswehr im Innern zu knacken. Der Terrorismus ist nach meiner Überzeugung lediglich das Scheinargument, mit dem man meint, den Koalitionspartner weich zu kochen und das Vorhaben durchsetzen zu können. Siehe unter 2. Wir können nur hoffen, dass die SPD das nicht mitmacht.
Nur habe ich leider Zweifel daran, dass die Gabriel-SPD an dieser Stelle Kreuz zeigt. Sie hat ja auch in Sachen Freihandelsabkommen etc. mittlerweile eher Ähnlichkeit mit einem Regenwurm, der sich um die Kernfragen herumwindet…
Fazit:
Mit den Sparmaßnahmen der letzten Jahre wurde viel an gewachsenen staatlichen Strukturen kaputtgemacht. Das fällt uns jetzt in der Zeit erhöhter Belastungen vor die Füße. Die Versäumnisse sind nicht von jetzt auf gleich auszubügeln, sondern brauchen Zeit.
Wir MÜSSEN Polizei UND Justiz aufstocken und das Geld dafür in die Hand nehmen.
Die Inneninkompetenzler der Union meinen immer, mit Regelverschärfungen sei irgendwas gewonnen. Unsinn ist das!
Wenn Regeln nicht vollzogen/ administriert werden, dann nützen sie gar nichts. Sie sind das Feigenblatt zur Verdeckung der Nacktheit schwarzer Innenpolitiker. Für den Vollzug braucht es Kräfte und die kosten Geld – Geld das bereit gestellt werden muss, wenn man Kriminalitätsbekämpfung will. Mit großen Sprüchen und Regeln fängt man keine Verbrecher, sondern nur mit Leuten, die präzise ermitteln und anschließend gekonnt und routiniert den Zugriff durchführen.
Und wenn zusätzliche Regeln als Nebeneffekt den Verfolgungsaufwand in die Höhe treiben, ist nichts gewonnen, sondern man verliert Personal, das sich dann mit unmaßgeblichen Nebenkriegsschauplätzen herumplagen muss.