Krieg ist keine Lösung, sondern das Problem – den Terror an den Ursachen bekämpfen

Antrag an die LDV Rheinland-Pfalz am 28.11.2015
Wir trauern um die Toten und Verletzten der Terroranschläge der letzten Wochen in Paris, Ankara, Sinai, Bamako, Tunis und an anderen Orten. Die fürchterlichen Anschläge von Paris entsprechen dem entsetzlichen Alltag in Städten wie Aleppo. Unsere Solidarität und unser Mitempfinden gilt daher auch den Menschen, die unter Kriegsauswirkungen durch Terroristen, Verbrecherregimen wie dem von Assad oder den „Gegenmaßnahmen des Globalen Nordens“ mit Bombardierungen und Drohnenangriffen leiden: in Syrien, Afghanistan, Pakistan, im Irak, in Libyen, im Jemen und anderswo.
Die militärische Eskalation, gerade erst zwischen den angeblich auf der selben Seite kämpfenden Kriegsparteien Türkei und Russland lässt das Schlimmste für die weitere Entwicklung befürchten: In der Region mit teilweise völlig unklaren Frontlinien und Überschneidungen bei „Feind und Freund“ kann eine einzige unbedachte Handlung weitere Katastrophen auslösen.
In dieser Phase ruft Europa nach Krieg und Deutschlands Regierung stimmt ein. Wir sehen in Afghanistan, dass Krieg und militärische Einsätze die Probleme nicht lösen, sondern nur verschärfen: Dort haben die Taliban mehr Macht, dort herrscht mehr Krieg als vor dem Einmarsch der Alliierten, die gesamte Grenzregion Pakistans ist destabilisiert.
Dabei ist die Region Syrien/Irak noch instabiler und in seinen Strukturen undurchsichtiger als das Land am Hindukush. Bündnis werden teilweise nach dem Prinzip geschlossen: „Der Feind meines Feindes muss eigentlich mein Freund sein“. Nur funktioniert dies leider nicht: Die Regierung Assad, ISIS, Al-Nusra, Kurden und anderen bekämpfen sich alle „bis aufs Messer“! Auch über die Grenzen hinaus reichen die Koalitionen: So ist völlig unklar, inwieweit aus der Türkei Unterstützungen bei medizinischer Versorgung und der Abnahme von schwarz gehandeltem Benzin für „ISIS“ leistet, um den „feindlichen“ Kurden zu schaden.
Bedachtsamkeit und nicht-militärische Hilfe- und Aufbauleistungen lösen die Probleme, Krieg und Militär schafft neue! Ein „herbei-interpretiertes“ UN-Mandat, wie aktuell diskutiert, erkennen wir nicht an. Ein militärisches Eingreifen Deutschlands lehnen wir daher eindeutig ab! Wir appellieren daher an unsere Verbündeten, aber auch an alle anderen beteiligten Staaten, zur bedachtsamen Prüfung von Optionen und einem abgestimmten, koordinierten Vorgehen mit friedlichen Mitteln. DIESE sind noch lange nicht ausgereizt:

Die Unterstützer des „ISIS“ anprangern und isolieren, die Gegner stärken

Auch müssen die ideologischen und finanziellen Quellen von „ISIS“ in Saudi-Arabien und in den Golfstaaten ausgetrocknet werden statt dem bisherigen „Hofieren“ der Mächtigen in der Region. Ohne die „Paten“ Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten ist die Terrorherrschaft schnell am Ende! Die internationale Gemeinschaft muss daher den „ISIS“ durch international abgestimmte Maßnahmen stoppen, wie ein absoluter Lieferstopp für alle Waffen (vor allem aus Europa) in die gesamte Region und eine rigide Einschränkung der Wirtschaftsbeziehungen zu allen Staaten der Region, die sich nicht eindeutig von „ISIS“ und deren Zielen distanzieren. Dass Deutschland aktuell Panzer an Katar liefert, das Seit‘ an Seit‘ mit Saudi-Arabien den Jemen in Grund und Boden bombt, verstößt gegen deutsche Gesetze, ist nicht hinnehmbar und destabilisiert die Region zusätzlich!
Durch die Aufkündigung der Friedensgesprächen der türkischen Regierung mit den Kurden und die folgenden militärischen Aktionen wurde auch im Grenzbereich zum „ISIS“ die kritische Lage weiter verschärft und einer der stärksten Akteure gegen die Terroristen nachhaltig geschwächt. Die kurdischen Peschmerga, die PKK im Nordirak und die kurdischen PYD-Truppen in Syrien gehören zu den wichtigsten Kräften, die gegen „ISIS“ Erfolge erzielen. Beispielhaft stehen hierfür die nordsyrische Stadt Kobane und andere Gebiete in Rojava und zuletzt die nordirakische Stadt Sindschar.
Länder, Akteure und Regierungen wie Tunesien müssen gerade in der aktuellen Lage von uns gestärkt werden, damit sie auf ihrem schwierigen Weg erfolgreich sein können. Die Menschen müssen dort erkennen, dass friedlich geführte Auseinandersetzungen zum Erfolg führen. Der Friedensnobelpreis würdigt zwar die Erfolge, er reicht jedoch nicht, um das Land gegen den islamistischen Terror zu stärken. Die zunehmend prekäre ökonomische Lage verschärft aktuelle politische Spannungen im Land weiter, dazu kommen Kämpfe in den Nachbarländern, die auch Tunesien bedrohen. Das Land und seine Menschen brauchen unsere Hilfe auf ihrem schwierigen Weg.

Keine neue militärische Spirale

Neue Militärschläge verstärken den Teufelskreis von immer neuem Hass und zunehmender wechselseitiger Gewalt. Mit einer Kriegserklärung wie an einen Staat erfüllen die französische Regierung und ihre Verbündeten die geheimsten Wünsche des sich selbst so nennenden „Islamischen Staates“ und erkennen ihn faktisch an. Eine Überreaktion des „Westens“ auf Anschläge in Paris und die Gefahrenlage im Herzen der EU, Brüssel, wären der größte Erfolg des „ISIS“, eine faktische „Anerkennung“.
Der Einsatz der NATO inklusive Deutschlands in Afghanistan und erst recht der völkerrechtswidrige Krieg der USA haben nach mehr als 10 Jahren gezeigt, dass derartige militärische Einsätze kein einziges Problem lösen. Vielmehr sind sie der Grund für das Auseinanderbrechen der Staaten und der Verlust jeglicher Ordnung. Die ehemaligen Gegner wurden nicht besiegt, sondern gewinnen wieder die Oberhand, zusätzlich übernahmen die „ISIS“-Truppen ganze Landstriche im Irak und bekommen auch in Afghanistan Zulauf.

Nicht-militärische Lösung endlich umsetzen

Jede Bombardierung, selbst auf dem vom „ISIS“ besetzten Gebiet, kostet auch Unbeteiligte das Leben! Nur eine politische diplomatische Lösung wird die Region auf Dauer befrieden können. Syrien braucht eine breit getragene Verhandlungslösung unter Einbeziehung von Russland, dem Iran, Saudi-Arabien, der Türkei, der Kurden und den gesprächsbereiten syrischen Rebellen. Die Probleme sind nur an den Wurzeln: mit einer politischen Gesamtstrategie gegen den Terrorismus lösbar. Hierbei geht es auch darum, die Fehler postkolonialistischer „Neuordnungen“ durch die willkürlichen Grenzziehungen von Sykes/Picot in dieser Region nicht zu wiederholen. Eine einzige militärische Aktion wäre sinnvoll und gerechtfertigt: die vollkommene Entwaffnung und Entmilitarisierung der gesamten Region unter strikter Kontrolle der Vereinten Nationen. Dies wird unter den aktuellen Bedingungen in absehbarer Zeit allerdings nicht umsetzbar sein.
Gegen den Terror und gegen Gewalt, für die Freiheit und Mitmenschlichkeit!
Karl-W. Koch                KV Vulkaneifel

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