Im vorliegenden Entwurf des BuVo zur Europawahl bekennen sich die GRÜNEN, sollte er so abgestimmt werden, zur NATO und räumen eine Notwendigkeit ihrer Existenz ein. Dies war und bleibt umstritten. Bisher vorgelegte Vorschläge der LAG und BAG zur Änderung an den entsprechenden Punkten, mildern diese grundsätzliche Position nur geringfügig ab. Nicht nur Grüne Linke empfinden hinsichtlich dieses Bekenntnisses starkes Unbehagen. Neben relevanten Strömungen in Deutschland empfinden dieses Unbehagen große Teile der Welt, insbesondere Menschen in solchen Ländern, die eben nicht Teil der NATO sind und auch niemals als NATO Mitglieder von den NATO-Mitgliedsstaaten in Betracht gezogen werden. Maßgeblich halten diese Menschen die NATO für einen TEIL des PROBLEMS der unfriedlichen Welt und NICHT deren Lösung: Sie sehen in der NATO mit ihren Ansprüchen auf Ressourcen- und Transportweg-Sicherung, mit ihrer nuklearen Erstschlagdoktrin eine real existierende Bedrohung.
Wollten wir GRÜNE glaubwürdig unser Engagement für multilaterale Sicherheitsinstrumente im Interesse der Weltgemeinschaft unterstreichen, müssten wir uns konsequent von Blockinstrumenten, die einzig Polarisierung und gegenseitiges Misstrauen fördern, verabschieden. Das bedeutet: Die NATO ist obsolet, die NATO muss zugunsten multilateraler Sicherheitsinstrumente abgeschafft werden – je schneller, desto besser. Aus GRÜNER Sicht hieße dies: NULL TOLERANZ für derartige Militärbündnisse, wer immer sie unterhält.
Die Formulierungen im Programmentwurf sind ein Kniefall vor den real existierenden Bedingungen. Glaubwürdig ist es nicht, wenn schwer bewaffnete Militärpakte inklusive einer Doktrin, die sich eben mal den mehrfachen Overkill der Menschheit genehmigt, antreten und versichern: „Wir kommen in Frieden“. GRÜNE haben keinen Grund, solchen Militärbündnissen Respekt und Entgegenkommen in irgendeiner Form zu zollen. Im Gegenteil! Die Bedeutung der NATO muss reduziert, beschränkt und eingegrenzt werden mit dem letztendlichen Ziel ihrer Abschaffung zugunsten von Sicherheitsinstrumenten der Weltgemeinschaft.
Ein weiterer bislang nicht geklärter Punkt der Diskussion unter uns GRÜNEN ist, dass ein wesentlicher Teil der Grünen die NATO für „reformierbar“ hält. Wozu etwas reformieren, das der Menschheit aufgezwungen wurde, das sie nie wirklich gebraucht hat und künftig schon gar nicht braucht, vorausgesetzt, man geht im Interesse der Menschheit davon aus, dass sie ihre Zukunft in friedlichem Zusammenleben sieht und nicht in fortgesetztem Krieg? WIR als GRÜNE haben stets die Vision der anderen, der friedlichen Welt vor Augen, sie ist ein Teil dessen, woraus die meisten von uns die Energie für das Engagement all die Jahre beziehen. Diese Welt ist nicht zu erreichen, wenn wir unseren Gesellschaften waffenstarrende Militärbündnisse zugestehen.
Auf dem Weg zu einer friedlichen Welt werden immer wieder Kompromisse erforderlich sein. Da verhält es sich mit der NATO nicht anders wie mit der Atomenergie und dem Ausstieg aus derselben. Wir erleben mit dem nahezu vollständigen Zusammenbruch der Abrüstungsbestrebungen einen furchtbaren Rückschlag in diesen Bemühungen. Wir haben die Hoffnung, dass der neue US-Präsident hier eher beitragen wird, als das Bush-Desaster glauben lassen mag. Um so mehr müssen wir GRÜNE unsere Anstrengungen verstärken, für Frieden, für Abrüstung, Ausgleich und all die wichtigen und richtigen Dinge, die in unseren Programmen und auch diesem Entwurf zu einem Europa-Wahlprogramm stehen. Der Kotau vor der NATO in unserem Wahlprogramm ist höchst kontraproduktiv. Auch wenn es derzeit unrealistisch erscheinen mag, zumindest sehr fernliegend ist, sich eine Welt OHNE Militärbündnisse (stets der EINEN gegen ANDERE) vorzustellen, dass ist unser grünes Ziel für das zu kämpfen lohnt!
Weshalb sollen wir es dann nicht in UNSER Programm schreiben?
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Kreisverband Limburg – Weilburg
Simon Lissner (Mitglied des Kreisvorstand)