Grüne Linke kritisieren den NICHT MEHR sozial-ökologischen Kurs der Bundespartei
Das Grün in der Ampel ist erloschen!1
Nach dem desaströsen EU-Wahlergebnis von Bündnis 90/Die Grünen kritisieren Grüne – nicht nur – aus dem Landesverband Berlin den Kurs der Bundespartei. Die Kritik zielt u.a. auf die Zustimmung zur EU-Asylreform und zur Bezahlkarte. „Doch genau dieses Entgegenkommen wird wiederholt auch aus Reihen unserer Partei praktiziert, oftmals wider besseres Fachwissen, wie die Abschiebungen in unsichere Herkunftsländer, die europäische Asylreform oder die Debatte um die Bezahlkarte zeigen.“ (Der Spiegel) Die Rückbesinnung auf unsere Rolle als progressive und zukunftsgerichtete Partei istb eine zentrale Forderung.
Auf rechte Diskurse einzugehen und Zugeständnisse bei Reizthemen wie Migration zu machen, stärkt lediglich die rechtsextreme Seite. Vielmehr muss die Partei die wirklichen gesellschaftlichen Probleme angehen: die immer weiter aufgehende Schere bei der Verteilung von Reichtum und Armut, Inflation, Wohnungsnot, marode Schulen etc. „Während die Reichsten in diesem Land immer schneller reicher werden, wird gleichzeitig – von der Kindergrundsicherung bis zum Klimageld – jede sozialpolitisch überfällige Reform auf Eis gelegt.“ (Der Spiegel, ebda.) In der Koalition kürzen und sparen sie bei den Ärmsten der Armen, die keine politische Lobby haben.
Die Grünen versagen in der Ampelkoalition weitgehend; der Schwanz (FDP) wedelt mit dem Hund.
- Obwohl es in der Koalitionsvereinbarung eine feste Vereinbarung z.B. zum Klimageld, zur Kindergrundsicherung und zum Glyphosat-Ausstieg sowie zum Schutz der Biodiversität gibt, setzt sie die Ampel nicht um.
- Obwohl es im Koa-Vertrag eine Übereinkunft mit der FDP über die Ablehnung von Glyphosat gibt, enthielt sich Cem Özdemir bei der EU-Kommission und hat damit die weitere Verwendung des Ackergiftes für zehn Jahre zugelassen.
- Das Lieferkettengesetz wurde erst verwässert und dann entgegen den EU-Beschlüssen nicht umgesetzt.
- Zwar konnte die Koalition den Anteil der erneuerbaren Energien erhöhen, jedoch sind diese Energien mittlerweile konkurrenzlos günstig in der Erzeugung und ein Selbstläufer, wenn ein Abbau bürokratischer Hürden erfolgt.
- Die grüne Zustimmung zur Änderung des Klimaschutzgesetzes bedeutet eine Abkehr vom Klimaschutz der Grünen und das Ende einer den verbindlichen Pariser Beschlüssen entsprechenden Klimapolitik Deutschlands.
- Die Aufgabe der Sektorenziele beim Klimaschutz trotz des Verfassungsgerichtsurteils, u.a. keine Durchsetzung eines Tempolimits, wird katastrophale Folgen für den Klimaschutz haben.
Die Hoffnung der grünen Fraktion auf ein Verfassungsgerichtsurteil bedeutet eine Vertagung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag angesichts der Klimakrise und auf jeden Fall Nichtstun bis zur nächsten Wahl. Zudem ist es ein Armutszeugnis: Die grüne Regierungspartei wartet auf ein Gerichtsurteil gegen die eigene beschlossene Politik!
Von der als großen Erfolg in den Ampelverhandlungen angekündigten Anhebung des Kindergeldes um 5 Euro können sich Familien nicht einmal eine Packung Windeln im Monat kaufen: Sie ist noch nicht einmal ein Almosen angesichts der im Koalitionsvertrag vereinbarten und nicht umgesetzten Kindergrundsicherung. Gleichzeitig erfolgt beim Bürgergeld die Rolle rückwärts zu Hartz IV, die Wiedereinführung der Sanktionen ist menschenverachtend und Menschen sehen sich gezwungen, einen dreistündigen Anfahrtsweg zur Arbeit in Kauf zu nehmen.
Unsere grünen Regierungsverantwortlichen verantworten nach diesen Haushaltsverhandlungen ein sozial-politisches Desaster mit. Die Argumentation, angesichts der vielen Krisen wären solche faulen Kompromisse erforderlich, grenzt an Verdummung der grünen Wähler*innen und beschleunigt weiter den Niedergang von Bündnis 90/Die Grünen. Bei dieser grünen Ampelpolitik stellt sich die Frage, was wir in der Ampelregierung außer purem Machterhalt suchen! Durchaus erreichte Erfolge auf EU-Ebene wie z.B. das Lieferkettengesetz, Naturschutz oder Ablehnung der GEAS-Asylgesetze werden von unseren Regierungsmitgliedern mit dem Hintern wieder eingerissen und ad acta gelegt!
Die grünen Regierungsmitglieder sind mit dem staatstragenden Schlucken von faulen Kompromissen so beschäftigt, dass ihnen der Verlust der eigenen Programmatik und Glaubwürdigkeit nicht mehr auffällt. Sie unterstützen die neoliberale Austeritätspolitik und die Schuldenbremse, bauen die Daseinsvorsorge ab, erschüttern so das Vertrauen in die eigene Regierungspolitik und tragen damit zur Politikverdrossenheit bei. Verschärft wird das durch eine unterirdisch schlechte Kommunikation mit der Parteibasis und erst recht mit den Wähler*innen.
Durch die Übernahme und Nachahmung von rassistischen Narrativen in der Migrations- und Sicherheitspolitik durch die Ampelparteien wird die AfD als Alternative aufgewertet und der gesellschaftliche Diskurs ständig weiter nach rechts gerückt. Anstatt bei der Friedenspolitik in Gaza und in der Ukraine auf Waffenstillstand, internationale Friedensverhandlungen und diplomatische Lösungen zu drängen, werden ständig mehr und schwere Waffen gefordert, geliefert und damit zur weiteren Eskalation der Kriege beigetragen, womit die komplette Abkehr der Grünen von unseren Prinzipien der friedlichen Konfliktlösung und unseren pazifistischen Wurzeln stattfindet.
Bei diesem Politikversagen und dem Vertrauensverlust der Grünen in der Regierung ist es kein Wunder, dass Bündnis 90/Die Grünen jede Wahl verliert. (Verluste in Bremen: mehr als 5 Prozentpunkte, in Hessen: 5 Prozentpunkte, in Bayern: mehr als 3 Prozentpunkte und bei der EU-Wahl von 20,5 % auf 11,9 % fast die Hälfte der Stimmen) Der Kurs von Kretschmann, Habeck, Baerbock und Co. in die Mitte ist grandios gescheitert. Auch bei der Stammwähler*innenschaft sind massive Verluste zu verzeichnen. Bei den anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen droht ein weiterer dramatischer politischer Absturz bzw. das parlamentarische Aus.
Statt sich um die realen gesellschaftlichen Probleme zu kümmern, führen unser Bundesvorstand und unsere Regierungsmitglieder lieber einen Diskurs darüber, wer der/die grüne Kanzlerkandidat*in werden soll. Da gilt: „Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert!“ und Größenwahn sowie Machtgeilheit kommt vor dem Fall! Unser Konzept der sozial-ökologischen Transformation wurde ad acta gelegt! Sozial-Abbau, Ausverkauf der Natur, Schleifen der Klimaziele können andere Parteien besser und glaubwürdiger! Aber es soll weiter gewurschtelt werden bis zur nächsten Wahl, bei der das böse Erwachen wie bei der EU-Wahl kommt bzw. bereits bei den Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen!
Gegen den politischen Kurs unserer Funktionär*innen hilft nur gemeinsamer Widerstand innerparteilich und außerparlamentarisch. Wir möchten Euch ermuntern: Beteiligt Euch an den Veranstaltungsreihen und Kampagnen der UGL. Entwickelt und unterstützt mit uns Anträge und Änderungsanträge für die Bundesdelegiertenkonferenz im November. Vernetzt Euch mit Initiativen und Friedensgruppen vor Ort, zum Beispiel zum Antikriegstag am 1. September.
Unabhängige Grüne Linke (UGL)
V.i.S.d.P.: Klemens Griesehop für das Orga-Team der UGL
1 Weisheit
3 Kommentare
Ich hoffe ja, dass das Grün so langsam wieder mehr Leuchtkraft bekommt. Die 10 Lehren aus der Europawahl (aufgezeichnete Online-Veranstaltung mit Ricarda Lang und Omid Nouripour) waren im Ansatz ja erst einmal nicht schlecht, auch wenn das, was dazu erzählt wurde, z.T. genau im alten Fahrwasser weiterlief (z.B. beim Thema Naturschutz – hier ging es nach wenigen Worten um Förderung sog. grüner Wirtschaft… ). Wie dem auch sei: Es gibt meiner Ansicht nach noch Hoffnung.
Die Empörung der Verfasser dieses Statements über so vieles, was die Grünen in der Ampel nicht nur unter dem Druck der Koalitionspartner, sondern auch aus eigenem Antrieb getan haben, kann ich aber ansonsten auch gut nachvollziehen. Möge es politisch eine Entwicklung in die wieder mehr kerngrüne Richtung befördern… , zu der auch Offenheit und Ehrlichkeit der Bundesgrünen gegenüber der Lokalpolitik und der Basis gehören statt Mails über angebliche Erfolge.
Kathrin, Grüne Bielefeld
„Das Grün in der Ampel ist erloschen!“ = Weisheit der Dakota-Indianer: „Wenn Du merkst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!“
bedeutet also, dass man austreten soll?
Übrigens: Das indigene Volk der Dakota wäre richtig.
Die aus der Kolonialzeit stammende verallgemeinernde Fremdbezeichnung wird von den Betroffenen abgelehnt, daher sollten alternative zusammenfassende Begriffe wie Indigenas, Native Americans oder First Nations verwendet oder einzelne Stämme benannt werden.
„Wenn du merkst, dass du ein totes Pferd reitest, steig ab“ …, greift wohl etwas kurz, wenn mit dem „toten Pferd“ die Ampel gemeint ist. Mitglieder sind für ihre Parteien verantwortlich. Zum innerparteilichen Kampf aufzurufen ist sicher legitim, und mit einem weiteren Wort unterstützt: Rebellion ist gerechtfertigt – bombardiert das Hauptquartier. „Bombardieren“ bitte nicht Miss-Verstehen. Das muss man ja leider heute schon betonen, und nicht erst seit dem Attentat auf den US-faschistoiden Trump. „Bombardieren“ ist rein verbal gemeint.
Aber: Immer mehr Freundinnen und Freunde stellen sich die legitime Frage: Ist nicht die Grüne Partei selbst das „tote Pferd“? Wie weit sollen sie diese Politik noch mit ihrem guten Namen mit tragen?
Mit dem Verein https://gruenealternative.de bietet sich Gelegenheit, diese und andere Fragen in überparteilichem Kreis zu erörtern und nicht der „inneren Emigration“ und Entpolitisierung zu verfallen.
Simon, Grüne Limburg-Weilburg, über die Jahrewar ich in einigen Funktionen für die Partei unterwegs …