Wer schweigt, stimmt zu!
Im Anschluss an ihre Rede beim Plenum der Parlamentarischen Versammlung des Europarates konnten Abgeordnete bei der deutschen Außenministerin Baerbock nachfragen. Dabei fiel folgende unverantwortliche Äußerung seitens Baerbock:
„If we start or continue this game to finger point at others because it is more convenient for one’s self then Russia and Putin wins. This is why I’m not calling on your country, on other’s countries, saying why haven’t the Howitzers 2000 been delivered when Netherlands and Germany delivered them. This ends nowhere. This ends only in dividing Europe. I’ve said already in the last days: Yes, we have to do more to defend Ukraine. Yes, we have to do more also on tanks. But the most important and the crucial part is that we do it together and that we do not do the blame game in Europe, because we are fighting a war against Russia and not against each other.“
Der letzte Satzteil in deutscher Übersetzung: „Wir kämpfen einen Krieg gegen Russland, und nicht untereinander!“
Als grüne Mitglieder sind wir erschrocken und schockiert über eine grüne Außerministerin, die das Wort Krieg unreflektiert verwendet. Die Grüne Partei wurde gegründet mit den Grundwerten Gewaltfreiheit und friedlicher Konfliktlösung als oberste Prinzipien.
Angesichts der deutschen Geschichte des nationalsozialistischen Überfalls auf die Sowjetunion und des Gedenktages an die Befreiungen des Konzentrationslagers von Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee ist diese Äußerung unakzeptabel und geschichtsvergessen. Sie schürt nach der Zusage von Kampfpanzer-Lieferungen Ängste der Menschen und treibt alle unmittelbaren und mittelbaren Konfliktparteien tiefer in den Krieg, indem sie die russische Kriegsrechtfertigung, sich erneut in einem antifaschistischen Verteidigungskampf zu befinden, legitimiert.
Eine eindeutige Klarstellung durch das Außenministerium erfolgt bisher – auch auf Nachfrage – nicht. Lediglich die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärte am Freitag in Berlin: „Die Nato und Deutschland sind in diesem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine nicht Kriegspartei. Wir unterstützen die Ukraine, aber wir sind nicht Kriegspartei.“ Eine deutliche Klarstellung sieht anders aus. Das ist so nicht akzeptabel! In Russland wurde die Äußerung sofort aufgegriffen und thematisiert. Wir erwarten daher von unserer Außenministerin eine schnelle und eindeutige Klarstellung, sowohl für die Öffentlichkeit innerhalb Deutschlands wie auch offiziell gegenüber Russland.
Gerade jetzt fällt aber erneut auf, dass die diplomatische Arbeit des Außenministerium – derzeit nötiger denn je – schlicht nicht stattfindet.
Diplomatie der Außenministerin ist gefordert … und fehlt!
Selbst auf den Höhepunkt des Kalten Krieges gab es – wie wir heute wissen – erfolgreich gerade von deutscher Seite diplomatische Initiativen. Wenn wir nicht mehr miteinander reden, schießen wir irgendwann aufeinander. Gerade im Moment existiert – wenn man auf die Fachleute aus der Diplomatie (selbst Kissinger) und dem Militär hört, ein vermutlich enges Zeitfenster, welches möglicherweise eine diplomatische Lösung ermöglichen würde. Hier müsste eine grüne, eine feministische Außenpolitik eingreifen und handeln.
Wir fragen uns als Grüne, wo bleiben die diplomatischen Anstrengungen der grünen Außenministerin, denn Diplomatie ist die Jobbeschreibung einer Außenminister*in. Erkennbar „von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“ (wie es die Präambel unseres 1948-1949 vom Parlamentarischen Rat verfassten Grundgesetzes fasst) waren die Sozialdemokraten Egon Bahr und Willy Brandt. Sogar die FDP-Politiker Hans-Dietrich Genscher und Guido Westerwelle setzten noch auf militärische Zurückhaltung, Entspannung und Verständigung.
Wir erwarten daher von der Außenministerin Baerbock und der Bundesregierung im Sinne des 2+4-Vertrags, dass sie sich umgehend und mit dem nötigen diplomatischen Einsatz für eine vom UN-Generalsekretariat getragene hochrangige Verhandlungsinitiative zur Beendigung des eskalierenden Kriegs in der Ukraine einsetzt. Das gegenseitige Töten und auch die massive Umweltzerstörung durch den Krieg sind nicht länger von der internationalen Gemeinschaft der Völker hinnehmbar!
Wir erwarten als Grüne von Annalena Baerbock als Außenministerin, dass sie diplomatischen Druck zusammen mit sich bisher neutral verhaltenen Ländern wie Südafrika, Indien, China und den weiteren Staaten entfaltet und die Initiativen des UN-Generalsekretärs Guterres unterstützt, um zu einem sofortigen Waffenstillstand und internationalen Friedensverhandlungen durch die OSZE- und UNO zu kommen, um das weitere Sterben in der Ukraine zu beenden!
Wir fordern Annalena Baerbock als deutsche Außenministerin auf, unmissverständlich klarzustellen, dass wir nicht im Krieg mit Russland sind und eine diplomatische Lösung des Konfliktes mittels Friedensverhandlungen durch die OZSZ- und UNO unterstützen wollen. Die Diplomatie muss in diesem Konflikt siegen!
Mit dem Appell für eine Verhandlungslösung [https://www.change.org/p/appell-f%C3%BCr-den-frieden-das-t%C3%B6ten-in-der-ukraine-muss-beendet-werden] fordern wir ein Umdenken, um das weitere Sterben in der Ukraine zu beenden.
Wir, Mitglieder aus der Parteibasis der Grünen, sagen darum laut und deutlich: Wir sind nicht im Krieg mit Russland!
Für das Orga-Team der Unabhängigen Grünen Linken
Karl-W. Koch
2 Kommentare
Ja, Tobias, man kann es auch kompliziert sagen. Doch Annalena kann es besser – klipp und klar. Gut, das B90/Grüne so Leute haben!
Alles Gute nach Berlin,
Vladimir
aka Wolodymyr
Liebe Leute,
hier nur zum Anlass: eine schnelle Klarstellung zu dieser für Gutwillige leider leicht misszuverstehenden und für Bösartige leider leicht zu missbrauchenden Äußerung halte auch ich für dringend erforderlich und meine, dass Annalena das schon selbst machen muss – was die Beamten des Auswärtigen Amtes bis jetzt dazu gesagt haben (siehe https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/regierungspressekonferenz/2576816 ), reicht keinesfalls aus. Das sollte ihr aber auch eigentlich nicht schwerfallen, denn der gesamte Kontext (vollständig auf https://www.ardmediathek.de/video/phoenix-vor-ort/rede-baerbock-vor-dem-europarat/phoenix/Y3JpZDovL3Bob2VuaXguZGUvMzA1MDc3Nw ) macht völlig klar, warum die deutsche Aussenministerin so sprach und dass ihr im Moment des Sprechens die Möglichkeit, so missverstanden und missbraucht werden zu können, unvorstellbar war. Sie konterte ja an dieser Stelle die provozierenden Worte eines britischen Konservativen mit der Erklärung, von einem gegenseitigen Schwarze-Peter-Spiel mit Verzögerungsvorwürfen (wo übrigens auch Großbritannien und andere Länder im Glashaus sitzen würden) profitiere bloss Putin und sie spräche für die Einigung darauf, alle zusammen mehr für die militärische Unterstützung der Ukraine zu tun und zwar zügig. Die europäischen Länder seien in einem Machtkampf mit Russland und den sollten sie nicht gegeneinander, sondern gemeinsam gegen Putin austragen.
Im Eifer dieses Wortgefechtes mit Sir Christopher Chope war ihr für einen Moment nicht bewusst, dass zwar das englische Wort „War“ sehr häufig nicht in engem Ursprungssinn („Krieg“), sondern in übertragener Bedeutung („Kampf, Konflikt“, so z.B. class war, war on drugs, trade war, war of nerves usw.) verwendet wird, aber bei der gedanklichen Übersetzung in andere Sprachen wie z.B. dem Deutschen deren Muttersprachler*innen zuerst auf die wörtliche Übersetzung der historischen Ursprungsbedeutung – „Krieg“ – kommen. Wenn dann in diesen Sprachen der metaphorische Gebrauch dieser zuerst assoziierten Worte viel seltener ist – wie im Deutschen, wo Ausdrücke wie „Hähnchenkrieg“ oder „Rosenkrieg“ erst nach 1945 entstanden sind (dann meistens als wörtliche Übersetzungen englischer Redewendungen) und eher selten vorkommen – , dann liegen bedauerlicherweise Fehlinterpretationen sprachlich nahe. – Annalena könnte dann z.B. sagen, dass die Klassifikation des gegenwärtigen deutsch-russischen Spannungsverhältnisses als Krieg völlig abwegig, weil völkerrechtlich eindeutig nicht gegeben sei, und sie dies bei passenden Gelegenheiten auch schon erklärt habe und gern auch wieder erklären werde. Eine Kriegserklärung an Russland läge ihr ebenso fern wie eine an, z.B., Großbritannien.
bündnisgrüne Grüße,
Tobias