Antwort an das „Team Robert“

Uns erreichte folgender Brief, der als Antwort an das sog. „Team Robert“ geschickt wurde, das (vermutlich) alle Mitglieder aufgefordert hatte, Teil seines Teams zu werden. Der Absender ist uns bekannt. Wir freuen uns wie immer über eure Kommentare.


moin moin robert habeck, team, berater:innen,

ich lass mal alle floskeln zur regierungskrise der ampel weg. ich mache ehrenamtlich politik bei den grünen und in anderen zusammenhängen, da bleibt in diesen tagen nicht viel zeit für geschmuse. ich finde Deine untenstehende mail erschreckend unterkomplex. grüne politik hatte immer auch die verantwortung der im moment noch reichen, sicheren und ggfs friedlichen länder des ‚westens‘ für die länder und menschen im blick, die nicht das glück hatten, in die üblicherweise mittelschichtsfamilien der grünen wähler:innenschaft geboren zu sein. unser wohlstand und frieden gründet sich zu guten teilen auf kosten vieler anderer weltweit. die armutsfolgen dort – jetzt kommen zunehmend die klimakrisenfolgen dazu – werden durch unseren rohstoffhunger, das abwerben ausgebilderter menschen, das ungestoppte ausbeuten der natürlichen lebensgrundlagen hier und weltweit usw usf weiter verschärft. nur unsere kleinen und großen wohlstandsbäuche anzusprechen passt nicht in grünes verantwortungsbewusstsein.

diese mail ging ja jetzt vermutlich nur an die grüne mitgliedschaft. wenn sie da schon so unpolitisch ist, nur den eigennutz der in deutschland lebenden umschmeichelt, wie politik und analysevergessen wird dann Dein / Euer handeln sein, wenn Du / Ihr versuch(s)t, jenseits grüner urmitglieder wahlwerbung und politik zu machen?

diese mail baut leider kein vertrauen auf, das rechtfertigt, jetzt um geschlossenheit für Deine / Eure kandidatur als spitzenkandidat im kommenden bzw bereits laufenden wahlkampf zu werben. die umstände des rücktrittes des buvos, die abgeschliffene sprache der spitzengrünen, das wegducken in der noch regierenden ampel – und ich könnte jetzt noch eine lange liste anführen – nähren zweifel, dass Ihr der komplexität der jetzigen zeit und den fragen, die sich daraus für die hier lebenden wie auch die welt ergeben, gewachsen seid.

zur letzten bdk gab es einen brief der basis, der zugespitzt folgendes resümee hatte: die verlautbarungen der bundesgeschäftsstelle sind nur noch schlechte verteidigungsreden, um die immer schlechter werdende performance der ampel in wichtigen grünen politikfeldern zu ‚verkaufen‘. bei der letzten wahl habt ihr einen neuen politikstil versprochen, das hörte ich jetzt auch wieder von Eurer seite für die kommende zeit. diese erste mail ist schon in dieser hinsicht komplett das gegenteil. die aufarbeitung der letzten drei regierungsjahre habt ihr bis jetzt nicht glaubwürdig versucht. es gab keine tiefgreifende innerparteiliche diskussion, die die wichtigen fragen, die der überfall russlands auf die ukraine aufgeworfen hat, offen angegangen wäre. in der neuerlichen nahostkrise fehlte zB eine diskussion, die ehrlich versucht zu ergründen, ob die deutsche staatsräson angesichts der jetzigen israelischen regierung eher teil des problems der kriege dort geworden ist.

vielleicht mal zwei wochen in klausur gehen, die basis nicht für dümmer verkaufen, als sie vermutlich ist, wirkliche innerparteiliche demokratie wagen (willy brandt) und auf solche veranstaltungen wie die workshops zum wahlprogramm auf der bdk zu verzichten. das ist das vorspielen von beteiligung. die über 100 anträge aus den verschiedensten bereichen der partei sind doch von Euch ungelenkte, größtenteils sinnvolle inhaltliche beiträge, die, wäre diese bdk eine, die sich für inhalte interessiert, eine perfekte grundlage für diskussionen hätten sein können, die dann auch ggfs teile eines neuen bundeswahlprogramms ergeben hätten.

vielleicht solltet Ihr einfach 14 tage mal nichts verlautbaren, überdenken, was die grundlagen dieser partei sind, welche fragen die zeit uns stellt, an Eurer sprache arbeiten, das könnte ein neubeginn sein. Du hast mir freitag zweimal geschrieben, sonntag wieder, da hättest Du gerne geld von mir. und gestern höre ich im radio, dass Du ein zweites sondervermögen für die bundeswehr noch vor dem regierungswechsel forderst – einen teil der logik hier verstehe ich – aber es wird noch lange dauern, bis die nato russland so unterlegen ist, dass intensive aufrüstung vertretbar wäre. hätte jetzt auf den letzten metern nicht die forderung kommen müssen, noch zB das klimageld für die bevölkerung auf den weg zu bringen?

ratlose, aber eher wütende grüße

Permanentlink zu diesem Beitrag: https://gruene-linke.de/2024/11/12/antwort-an-das-team-robert/

3 Kommentare

  1. Können wir bitte mal sauber trennen zwischen der reinen „Parteilehre“ und der Situation einer Regierungskoalition aus wie vielen Parteien auch immer? Wenn wir jetzt wieder in den Wahlkampf ziehen (dürfen/können/müssen), sollten und müssen wir natürlich die reine GRÜNE Lehre vertreten. Das wird auch niemand bestreiten.

    Aber zur Wahrheit gehören auch zwei weitere Punkte:

    1. Es ist doch längst hinlänglich debattiert und von oben (Bundestagsfraktion + Bundesvorstand) weggebissen worden, dass wir, die Basis, nicht damit einverstanden waren und sind, dass die Bundestagsfraktion uns ständig die schlimmsten Kompromisse und das schlimmste Überschreiten roter Linien noch als tolle Erfolge verkaufen wollte. Unser KV (Cloppenburg) wollte schon vor über einem Jahr dazu einen Sonder-Parteitag, um darüber zu debattieren und unserer Fraktion im täglichen Kampf gegen die Frontal-Dagegen-Partei den Rücken zu stärken und unüberwindbare rote Linien zu vereinbaren.

    2. Natürlich können und werden wir weiterhin immer das Optimum dessen fordern, was in unserem Grundsatzprogramm, unseren Wahlprogrammen und in unserer GRÜNEN DNA steht. Aber wir alle wissen, dass wir in einer wie auch immer gearteten Koalition nie alle unsere Forderungen umsetzen können.

    Daher ist es m.E. sinnvoll, jetzt nicht noch den Aufwind, der uns gerade trägt, wieder kleinzureden, indem weiterhin ständig aufgerechnet wird, was wir uns alles gewünscht hätten und was alles nicht umgesetzt wurde oder werden konnte.

    Wir sind aus meiner Sicht momentan die einzige wirklich Realpolitik-taugliche Partei. Und das ist gut so.

    1. Wenn man das alles so abstrakt sieht, kann man das so unterschreiben. Tatsächlich läuft aber konkret vieles schief, vor Ort und nachweisbar auch durch verfehlte Entscheidungen der Grünen im Bund. Und man kann nicht immer alles auf die FDP, Russland oder Corona schieben. Es wäre absolut wichtig, einmal richtig zu debattieren und Inhalte zu klären, bevor wir in den Wahlkampf gehen. Aber das passiert nicht. Es wird eine vorzeitige Geschlossenheit fast erzwungen (man mag mich da gerne korrigieren) und mit Verweis darauf, dass wir jetzt zusammenhalten müssen, werden Kritiker*innen nicht mehr gehört.
      So etwas verändert eine Partei nicht zum Guten, und das ist jetzt das Problem. Unsere grünen Werte gehen dabei verloren, und dafür hat man uns gewählt.
      Wir bräuchten also eher eine Kampagne „Komm ins Team, Robert“. …

  2. Ich unterschreibe das voll, die Argumentation ist sehr gut und bringt das Problem auf den Punkt: Robert Habeck und sein Team stehen für eine Politik, die sich um sich selbst dreht. Arme Menschen in anderen Ländern aber auch Natur hier und weltweit – davon ist nicht mehr die Frage. Auch die Basis spielt keine Rolle. Meine Antwort an das „Team Robert“ war im Übrigen:

    Liebes Team „Robert“,

    ich gebe grundsätzlich immer gerne Spenden, wenn ich mit dem Zweck übereinstimme. Aber angesichts der unmöglichen Politik des BMWK in puncto Naturschutz bekommen das lieber die Umweltverbände – letztendlich muss man wohl mit Klagen gegen diese verantwortungslose Politik vorgehen, und das sollen sie können. Auf diese Weise unterstütze ich diejenigen bei den Grünen, die noch für Naturschutz streiten.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.