Gesellschaft für Strahlenschutz e.V.
Dr. Sebastian Pflugbeil (Präsident)
Pflugbeil.KvT@t-online.de
Oktober 2000
Der Schutz Jugendlicher
im Entwurf der neuen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV)
1. Zutrittsverbot / Zutrittsbeschränkung zu Kontrollbereichen
Alt:
In § 56 (1) hat die alte StrlSchV festgelegt, daß Personen
unter 18 Jahren sich nicht im Kontrollbereich aufhalten dürfen.
In § 56 (2) wird das Verbot etwas aufgeweicht: "Die zuständige
Behörde kann gestatten, daß Personen im Alter zwischen
16 und 18 Jahren unter ständiger Aufsicht und Anleitung Fachkundiger
in Kontrollbereichen tätig werden, soweit dies zur Erreichung
ihres Ausbildungszieles erforderlich ist." |
Neu:
Wenn man nur den Entwurf des neuen Textes der StrlSchV selbst liest
und nicht daneben die alte StrlSchV legt und sich auch die Erläuterungen
spart, bemerkt man den feinen Unterschied kaum.
Nur in den Erläuterungen zu § 45 - Beschäftigungsverbote
und Beschäftigungsbeschränkungen findet sich der Hinweis:
"Das bisherige Aufenthaltsverbot für Personen unter 18
Jahren und für schwangere Frauen in Kontrollbereichen wurde
aufgehoben." |
2. Grenzwerte für Jugendliche
Alt:
§ 49 (2): "Die Körperdosen dürfen für
Personen unter 18 Jahren, die nach § 56 Abs. 2 im Kontrollbereich
arbeiten dürfen, die Grenzwerte der Anlage X Tabelle X1 Spalte
4 im Kalenderjahr nicht überschreiten."
Diese Spalte enthält:
1. |
Effektive Dosis, Keimdrüsen, Gebärmutter,
rotes Knochenmark |
5 mSv/a |
2. |
Teilkörperdosen für alle Gewebe und
Organe, soweit nicht unter 1., 3. oder 4. Genannt (u.a. Augenlinsen) |
15 mSv/a |
3. |
Schilddrüse, Knochenoberfläche, Haut,
soweit nicht unter 4 genannt |
30 mSv/a |
4. |
Hände, Unterarme, Füße, Unterschenkel,
Knöchel einschließlich der dazugehörigen Haut
|
50 mSv/a |
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Neu:
Die Grenzwerte sind entsprechend der wenig sinnvollen neuen Struktur
der StrlSchV an verschiedenen Stellen zu finden. Im § 55 (3)
sind die Grenzwerte für "Tätigkeiten" zu finden,
sie stehen in der folgenden Tabelle in den ersten beiden Spalten.
In der dritten Spalte stehen die Grenzwerte, die bei "Arbeiten"
gelten (§ 95 (5)), d.h. durch natürlich vorkommende radioaktive
Stoffe verursacht werden. (Auf die Fragwürdigkeit der Unterscheidung
zwischen Tätigkeiten und Arbeiten gehen wir an dieser Stelle
nicht weiter ein.)
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Tätigkeiten
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Arbeiten
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Normalfall
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mit behördlicher
Genehmigung
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Generell
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effektive Dosis |
1 mSv/a
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6 mSv/a
|
6 mSv/a
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Augenlinsen |
15 mSv/a
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45 mSv/a
|
45 mSv/a
|
Haut |
50 mSv/a
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150 mSv/a
|
150 mSv/a
|
Hände, Unterarme,
Füße, Knöchel |
50 mSv/a
|
150 mSv/a
|
150 mSv/a
|
Es gibt mehrere Unterschiede zwischen alter und neuer StrlSchV, auf
die wir aufmerksam machen wollen:
Die effektive Dosis scheint beim flüchtigen Lesen in der neuen
StrlSchV von 5 auf 1 mSv/a gesenkt zu werden. Mit behördlicher
Genehmigung kann die effektive Dosis aber sofort 20% höher ausfallen
als der Wert der alten StrlSchV.
Für den großen Bereich der Strahlenbelastung durch natürliche
Quellen ist der Grenzwert der effektiven Dosis sogar generell auf 6
mSv/a festgesetzt worden.
Für etliche wichtige Teilkörperbereiche, für die es
in der alten StrlSchV Grenzwerte gibt, werden in der neuen StrlSchV
überhaupt keine Grenzwerte angegeben. Das trifft z.B. zu für
Keimdrüsen, Gebärmutter, rotes Knochenmark, Schilddrüse
und Knochenoberfläche.
Für Augenlinsen gilt im Normallfall der gleiche Grenzwert wie
früher, mit Genehmigung kann er leicht verdreifacht (!) werden,
im Bereich der Arbeiten gilt dieser im Vergleich zu früher verdreifachte
Wert generell.
Für Haut galt früher ein Grenzwert von 30 mSv/a, in der neuen
StrlSchV ist der Grenzwert schon im Normallfall um 2/3 höher, mit
Genehmigung kann er 5mal höher werden, als in der alten StrlSchV.
Im Bereich der natürlichen Strahlenquellen gilt der 5fach höhere
Wert generell.
Für Hände, Unterarme, Füße und Knöchel gilt
im Normalfall (bei Tätigkeiten) der alte Wert weiterhin, kann aber
mit Genehmigung leicht verdreifacht werden. Bei Arbeiten gilt der verdreifachte
Wert generell.
Bewertung:
Im Entwurf der neuen Strahlenschutzverordnung kommen die beruflich
strahlenexponierten Personen unter 18 Jahren schlecht weg. Es ist nicht
nachzuvollziehen, daß der erfreulicherweise zunächst abgesenkte
Grenzwert für die effektive Dosis (1 mSv/a) durch eine einfache
Genehmi-gung auf das 6-fache erhöht werden kann.
Es ist auch nicht nachzuvollziehen, daß die verschiedenen Teilkörperdosen
nicht im gleichen Maße wie die effektive Dosis gesenkt werden.
Sie bleiben die Teilkörpergrenzwerte im Normalfall für Tätigkeiten
fast unverändert so wie in der alten StrlSchV. Daß sie dann
"genehmigt" auch noch auf das dreifache erhöht werden
können, ist unvertretbar.
Besondere Beachtung verdient der Umstand, daß im Bereich der
"Arbeiten", d.h. unter natürlichen Strahlenbelastungen,
als Normalfall die stark erhöhten Grenzwerte gelten. Die Teilkörperdosen
sind im Normalfall 3mal so hoch wie die, die die alte StrlSchV jungen
Leuten unter 18 Jahren zugemutet hat.
(Trost: Machen Sie sich nichts daraus, wenn Sie
den Unterschied zwischen Tätigkeiten und Arbeiten, der in der neuen
Strahlenschutzverordnung gemacht wird, nicht verstehen. Wir verstehen
ihn auch nicht.)
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