Wie "demokratisch" ist
der Atomkonsens?
Gesetzt, Riester, Müller und Schröder hätten das Gesetz zur Rentenreform mit der interessierten Wirtschaft ausgehandelt. Hinter den Kulissen wurde mit Hundt und Henkel alles bis zu Punkt und Komma ausgetüftelt. Bei den, wie man hört, sehr schwierigen Verhandlungen, mussten die Gewerkschaften und andere interessierte Gruppen leider außen vor bleiben. Von ihnen erwartet die Regierung jetzt Verständnis für die eingegangenen Kompromisse. Der Mehrheit des Bundestags legt sie dringend nahe, das Gesetz unverändert zu beschließen, um den "Konsens" nicht zu gefährden. Den Konsens mit der Wirtschaft, versteht sich. Weder die Gewerkschaften noch eine wache politische Öffentlichkeit würden das hinnehmen. Schließlich geht die Zuknuft der Rente alle Menschen an. Ihre Gestaltung muß daher mit allen Gruppen, die hier erkennbare Interessen vertreten, ausgehandelt werden. Vom Bundestag, der immerhin noch ersten Gewalt, würde die anschwellende Kritik aus der Zivilgesellschaft sicher erwarten, dass er sich nicht zum willigen Vollstrecker des Regierungswillen macht, und die Zumutung zurückweist. "Noch nie hat ein Gesetz das Parlament so verlassen, wie es eingebracht wurde" - dass ein Fraktionschef namens P.S. erklärt haben. Recht so, denn die Gewaltenteilung ist ein hohes Gut funktionierender Demokratie. Aber es geht ja nicht um die Rente, sondern um Atomkraftnutzung. An ihr ist bekanntlich nur der sie betreibende Wirtschaftszweig interessiert. Es hat ja auch in den vergangenen Monaten und Jahrzehnten hier kein Brockdorf, Wackersdorf oder Dannenberg gegeben, wo junge Menschen mit Massendemonstrationen und Sitzblockaden für ihre zukünftigen Renten stritten. Und außerdem streiten die AtomkraftgegnerInnen nicht um Geld sondern lediglich um Belanglosigkeiten wie nicht ausschließbare SuperGAUs und die anwachsenden Mengen an Atommüll, für die es keine Entsorgung gibt. Wenn in wenigen Tagen der Atomkompromiß unterzeichnet und der inhaltsgleiche Gesetzentwurf beschlossen wird, erleben wir ein demokratiepolitisches Experiment. Haben nur die Vorsteher von Stromkonzernen, für die abgeschriebene AKWs Goldgruben sind, das Recht, über zulässige Laufzeiten ihrer nicht beherrschbaren Anlagen zu verhandeln? Wie gewichtig können andere Gruppen ihre Bedenken und Argumente geltend machen? Welche Rolle wird im Entscheidungsprozeß die Tatsache spielen, dass Atomkraft nicht sicher beherrschbar ist und jedes weitere Jahr den Berg der unlösbaren Entsorgungsprobleme vergrößert? Werden sich die Abgeordneten der Regierungsfraktionen zu Ja-SagerInnen zwangsverpflichten lassen; oder werden sie -zB - die fortbestehenden wirtschaftlichen Privilegien der Atomwirtschaft - steuerfreie Rückstellungen, weiterhin großzügige Haftpflichtversicherungen - endlich streichen? Es geht beim anstehenden Atomgesetz um mehr als um Kernspaltung. Es geht auch darum, ob die Losung der SPD von 1969 "mehr Demokratie wagen", im Jahr 2001 umgewandelt wird zu: "Demokratie stört bei der Konsensbildung mit der Wirtschaft". Das unter Billigung eines Koalitionspartners mit eigentlich radikaldemokratischen Ansprüchen. So darf nicht überraschen, daß der Widerstand sich immer lebendiger außerparlamentarisch war das ja auch so. äußert. 1969 Hartwig Berger, 14. Mai 2001
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