20./21.03.2002

Berichte von den CASTOR-Transporten aus Krümmel und Grohnde


Bericht aus Hamburg (Krümmel-Transport):

Liebe Freundinnen und Freunde,

Durch ein gutes Timing zwischen Robin Wood und Anti-Atom Protest an den Schienen wurde der Krümmel-CASTOR in Bergedorf für mindestens drei Stunden gestoppt. Wir berichten aus eigener Beteiligung:

Um das alternative Jugendzentrum "Café Flop" hatten sich bis Mittwoch 23.00 etwa 100 zumeist junge Leute eingefunden, die sich nach dem Bezugsgruppen-Modell von x1000mal quer auf den gewaltfreien Widerstand
vorbereiteten. Sie wurden von einer erkennbar stark massierten Polizeipräsenz erwartet. Um die Aktionen unübersichtlicher und schwerer einkesselbar zu machen, verteilten wir uns auf mehrere geschützte Orte, an
denen wir den Start aus Krümmel erwarteten. Eine Gruppe versuchte bereits gegen Mitternacht, die Schiene zu erreichen, wurde aber entdeckt, eingekesselt und mußte sich auf eine Spontandemonstration im Ort
beschränken.

Den Ablenkungseffekt konnten gegen 1.45 die anderen Gruppen nutzen. Etwa zur gleichen Zeit wie der CASTOR setzten wir uns über Schleichwege in Bewegung. Ein Dank gilt hier der klugen dezentralen Vorbereitung durch die Anti-Atomis aus Bergedorf, fast alles ehemalige Grüne, die später zum Regenbogen gewechselt sind. Auch der ehemalige Bürgerschaftsabgeordnete Lutz Jobs ist Bergedorfer.

Erfreulicherweise gelang es unserer Gruppe von 20-25 Leuten, die Polizei zu überraschen und das Gleis zu besetzen. Widrigkeiten wiurden erfolgreich gemeistert; wie ein privater Sicherheitsdienst, der uns ein paar Hundert
Meter vor dem Ziel entdeckte und mit seinem Alarm ein Blaulichtgewitter der überall postierten Polizei auslöste. Ein mitteltiefer Graben kurz vor den Gleisen war nicht ganz leicht zu überwinden, ein paar Leute purzelten dabei leider ins Wasser. Die Polizei hatte mit der schnellen Überquerung dieses Hindernisses nicht gerechnet, daher kamen wir ungehindert aufs Gleis.

Der Zeitpunkt war vorherbestimmte Harmonie. Denn während die anwesende Polizei uns sofort einkreiste und zu vertreiben suchte, erreichten 200 Meter weiter einige Robin Woodler die Schienen und konnten sich unbemerkt in
Röhren verketten. Diese gloriose Aktion führte bekanntlich zur dreistündigen Zwangspause des CASTORS in Bergedorf.

Unsere eigene Gleisbesetzung wurde nach vielleicht 10 Minuten beendet, konnte allerdings durch eine kleinere Gruppe wenig später für etwas längere Zeit wiederholt werden. Die Meisten wurden festgenommen, und in
Gefangenentransportern in Haft gesetzt. Kurz nach 5.30, nachdem der Atomzug wieder in Bewegung war, wurden wir freigelassen. Das Verhalten der Polizei war bis auf einige unangenehme "Ausreißer" moderat, auch in der
Hamburger Polizei ist eine vorsichtige Sympathie mit dem gewaltfreien Anti-Atomprotest zu merken.

Insgesamt waren die Bergedorfer Aktionen ein ermutigender Erfolg, vor allem natürlich der gelungene Clou von Robin Wood. In diesem sehr unübersichtlichtlichen Gebiet, wo der Atomzug eingleisig die Stadt passiert,
würde ein sehr zahlreich befolgter Protest den CASTOR-Transport wahrscheinlich in schwere Probleme bringen. Vielleicht spricht sich ja im Großraum Hamburg rum - auch in Grünen Kreisen.

Ein besonderer Dank gilt unserem grünen KV Harburg-Land, der eine Demonstration an dem Güterbahnhof Maschen Mittwoch abend und eine Mahnwache an derr Castor-Strecke in Buchholz angemeldet und durchgeführt hat.

Hartwig Berger, Tobias Balke
Berlin-Charlottenburg



Bericht aus Grohnde

In Grohnde, in meinem Bundestagswahlkreis Weserbergland gab es zum erstenmal seit dem Transportskandal und den nicht korrekten Messprotokollen im AKW 1998 einen Castor-Transport. Dieser bestand aus zwei Castor-Behältern und startete am Donnerstag morgen.

Nachdem in der Vergangenheit der Widerstand im Raum Hameln-Pyrmont sehr abgeflaut war (die Castoren standen manchmal stundenlang unbemerkt im Hamelner Bahnhof) gab es nun erhebliche Proteste von den Grünen Kreisverbänden Hameln-Pyrmont und Holzminden, Greenpeace, sowie von der "Bürgerinitiative Weserbergland" gegen Atomenergie, die sich durch die Auseinandersetzung um das Zwischenlager und den Atomkonsens entwickelt hatte. Damals wurden Hunderte bis Tausende Einwendungen gesammelt.
Ebenso war das Polizeiaufgebot mit Hubschraubern, Hunden und Dutzenden Mannschaftwagen eines der größten seit langem im schönen Weserbergland. Eine kleine Sitzblockade am morgen wurde aufgelöst und umfangreiche Überwachungen vorgenommen.

Der Transport stand (nach einem kurzen Stopp in einem Tunnel unter der B83 am AKW) im Bahnhof Emmerthal mitten neben Personenzügen und Schulbussen, die dort an- und abfuhren und einem großen WiderstandsX. Mit umgekoppelter Lok fuhr der Transport dann nach Süden in Richtung Bad-Pyrmont-Altenbeken.

Ich selbst war zwei Tage und Nächte unterwegs vor Ort, und hatte dazu mehrere Live-Radiointerviews (zum Teil direkt von den Castor-Protesten), viele Presseberichte (siehe PM von Heidi Tischmann und mir) und politische Forderungen unterbringen können.
Pikant war noch, dass die Polizisten, die meine Personalien in der Nacht am Kraftwerk aufnahmen, von dem FDP-Bundestagskandidaten und Polizeichef geführt wurden.

Insgesamt ist damit der Widerstand in der Region Grohnde unter wesentlicher Mitarbeit der regionalen Grünen (besonderer Dank gilt Fabian Wais und Tom Jürgens vom Kreisvorstand Hameln-Pyrmont) im Aufwind und wieder nennenswert vorhanden gewesen. Fabian gelang es auch Messungen direkt in der Nähe des Castors vorzunehmen.

Die Medienresonanz vor Ort war durch engagierte Pressearbeit erheblich. "Radio aktiv" aus Hameln berichtete fast im Stundentakt über die Proteste.
Schön wäre es, wenn in Zukunft auch AtomkraftgegnerInnen von außen wieder vermehrt den Weg nach Grohnde finden, um den aufkeimenden Widerstand zu unterstützten.

Christian Meyer, Grüner Bundestagskandidat für das Weserbergland/Niedersachsen.