Traute Kirsch

20.9.2001

Der Betrug des Herrn Trittin

Trittin liefert in seinem Antwortbrief an Hartwig Berger vom 17. September mal wieder irreführenden Informationen, um die Öffentlichkeit zu betrügen.

Die für mich ungeheuerlichsten Ausführungen betreffen die angeblich positive Grundsatzentscheidung des Atomgesetzes aus dem Jahr 1959, an dem Rot-Grün nun nicht mehr festhalten will. Dazu möchte ich hier einige Anmerkungen machen. Vorsichtshalber zitiere ich die gesamte Passage, auf deren Inhalt ich mich beziehe.

"An der positiven Grundsatzentscheidung des Atomgesetzes aus dem Jahr 1959 zu Gunsten der Kernenergie wird deshalb nicht mehr festgehalten. Die Bundesregierung und die sie tragende Mehrheit im Deutschen Bundestag halten die geordnete und einheitliche Beendigung der Kernenergienutzung zur Elektrizitätserzeugung für erforderlich, um den Schutz von Leben und Gesundheit und anderen wichtigen Gemeinschaftsgütern dauerhaft zu gewährleisten."

Der Sachverhalt ist genau anders herum, als Trittin ihn darstellt.
Das Atomgesetz des Jahres 59 hat zwar eine Grundsatzentscheidung zu Gunsten der Atomenergie getroffen; aber nicht, wie Trittin behauptet, ohne "Wenn und Aber",und unter uneingeschränkter Hinnahme aller Risiken.
Vielmehr wurden die Genehmigungen für Atomkraftwerke und deren Betrieb davon abhängig gemacht, dass die erforderliche Vorsorge gegen Schäden und damit umfassende Maßnahmen zur Vorsorge gegenüber den Risiken getroffen würden. Auf Grund der herrschenden Technologieeuphorie gab es nur bei ganz wenig Leuten Zweifel daran, dass man die atomaren Risiken in den Griff bekommen würde.
Nach Tschernobyl war für denkende Menschen die Möglichkeit eines Super-Gaus und damit die Unbeherrsch-barkeit atomarer Risiken offenkundig. Forderungen nach Ausstieg wurden jedoch abgewehrt mit der Behaup-tung, deutsche Atomkraftwerke seien so sicher, dass der Super-Gau als hypothetisches und damit rechtlich irrelevantes Risiko zu behandeln sei.
Sozialdemokraten und Bündnisgrün, die im Wahlkampf 1998 erklärt hatten, sie hielten die Nutzung der Atomkraft wegen der mit ihre verbundenen Gefährdungen für nicht verantwortbar , hätten hier eine Gegenstrategie fahren können. Mit der entsprechenden Mobilisierung der Öffentlichkeit hätten sie verkünden und durchsetzen müssen, dass das Risiko des Super-Gaus nicht hypothetisch sondern real und damit - nach Atom- und Grundgesetz - rechtlich relevant sei und zum Ausstieg verpflichte.
Stattdessen soll nun das Atomgesetz so geändert werden, dass es den Super-Gau als reales und gesellschaftlich angemessenes Risiko absegnet.
Das heißt: Die "Rot-Grünen" wollen das derzeitige Atomgesetz, weil es die weitere Nutzung der Atomkraft nicht zulässt, so ändern, dass es eine Grundsatzentscheidung ohne "Wenn und Aber" beinhaltet. Die Bestimmung, nach der keine neuen Atomkraftwerke mehr errichtet werden sollen, dient nur dem Zweck, über das wahre Ziel des sogenannten Ausstiegsgesetzes hinwegzutäuschen. Das Neubauverbot ist angesichts der Bewertung des Super-Gau als reales und gesellschaftlich angemessenes Risiko das Papier nicht wert, auf dem es steht.